Foto: Nikita Teryoshin

Nikita Teryoshin

Hannover, Messe EuroTier

Miniatur einer hochmodernen, automatisierten Milchviehanlage eines niederländischen Herstellers von Karussell- und Melkrobotern auf der Fachmesse EuroTier. Hier können die Kühe unter konstanter Beobachtung autonom leben, ohne jemals auf die grüne Weide von der Milchverpackung zu gelangen. Sie werden von Robotern gemolken und durch Sensoren und modernste Software ausgewertet. Der Landwirt bekommt die Daten zu jeder einzelnen Kuh live auf sein Smartphone.

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Sara Dusel

Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Fachgebiet „Agrar- und Ernährungspolitik“ der Universität Hohenheim

In der Praxis werden in Milchviehställen bereits häufig Sensoren eingesetzt. Diese erfassen automatisch Produktions- und Tierwohl-Daten, zum Beispiel die Bewegungsaktivität der Kühe und die Menge an Milch, die jede Kuh produziert. Auch in Schlachthöfen werden heute automatisch Daten erhoben, wie zum Beispiel Verletzungen und Krankheiten der Tiere. 

Als Wissenschaftlerin würde ich sehr gerne mit diesen Daten arbeiten, natürlich in anonymisierter Form. So könnte man zum Beispiel über viele Betriebe hinweg untersuchen, wie wirksam politische Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls in Deutschland sind. Noch besser wäre natürlich ein europaweiter oder internationaler Vergleich.

Leider ist das derzeit noch ein Traum: Nur in Einzelfällen bekommen Wissenschaftler:innen Zugang zu solchen Daten, meist nur für wenige Betriebe und in bestimmten Regionen. Daher bleibt das große Potential dieser ohnehin schon vorhandenen Daten aus wissenschaftlicher Sicht weitgehend ungenutzt. 

Für die Politik wäre es ein riesiger Fortschritt, wenn analog zum Zensus oder zur Agrarstatistik regelmäßig über die Tierwohl-Situation berichtet werden könnte. Es gibt seit 2023 sogar schon einen konkreten Vorschlag von Wissenschaftler:innen, wie ein Tierwohl-Monitoring in Deutschland gestaltet werden könnte (das sogenannte „NaTiMon“-Projekt). Leider wurde das politisch bislang noch nicht umgesetzt.

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Helen Probst

Studentin im Studiengang „Agrarwissenschaften“ der Universität Hohenheim, ausgebildete Landwirtin und Mitglied im Verband „Junge DLG“

Dieses Modell zeigt einen hoch modernen Milchviehstall. Die Automatisierung macht auch vor der Landwirtschaft keinen Halt. Auch wenn uns die romantische Vorstellung von Kuh Britta auf der Alm ein besseres Konsumgefühl vermittelt, bedeutet es nicht, dass es einer Kuh ohne Weide schlechter geht. 

Aus meiner Ausbildung, meinem Studium und aus meiner Arbeit als Werkstudentin weiß ich, dass Landwirt:innen einen hohen Anspruch an sich haben und immer besser werden wollen. Da bieten die vielen Messdaten, die in so einem Stall erhoben werden, einen nicht zu unterschätzenden Mehrwert – auch, was die Früherkennung von Krankheiten angeht. 

Ein Beispiel: Ein hoher Wassergehalt kann z. B. auf eine beginnende Euterentzündung hinweisen, die ich noch mit pflanzlichen Mitteln behandeln kann. Wenn ich die Entzündung erst erkenne, wenn der Euter hart oder die Milch flockig wird, muss ich ab einem gewissen Punkt Antibiotika einsetzen. Das ist schlecht für die Kuh und schlecht für die Landwirt:innen, die die Milch dann nicht verkaufen können. Ein anderes Beispiel: Das Bewegungsmuster einer Kuh kann Hinweise auf eine Klauenkrankheit liefern. 

Der persönliche Umgang mit den Tieren kann jedoch nicht nie vollständig ersetzt werden. Auch wenn man diesen Grad an Automatisierung in seinem Stall umgesetzt hat, wird es umso wichtiger, in den Stall zugehen und mit seinen Tieren zu arbeiten. Ob es das Versorgen von kranken Tieren ist oder der tägliche Kontrollgang durch den Stall, ob die Technik funktioniert. 

Es ist vor allem wichtig, nicht zu vergessen, dass in jeder Haltungsform, ob mit oder ohne Weide und mit oder ohne Automatisierung, das Wohl des Tieres im Fokus des Geschehens steht.

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Prof. Dr. Eva Gallmann

Leiterin des Zentrums für Tierhaltungstechnik der Universität Hohenheim und ausgebildete Landwirtin

Ich bin ja von Amts wegen sowohl tier- als auch technikverliebt. Dabei spielt die sogenannte Tier-Technik-Interaktion in der Entwicklung, Gestaltung und Erforschung moderner und innovativer Haltungssysteme und Stallkonzepte eine große Rolle. Welche Sensoren, welche Automatismen, welche digitalen Werkzeuge sind wirklich sinnvoll? Wo liegt die Grenze von Kosten und Nutzen? Hemmen oder fördern wir die Tier-Tier-Beziehung und die Tier-Mensch Beziehung? Welche Techniken unterstützen das Tierwohl? 

Ich staune über die rasanten Entwicklungen der letzten Jahre ebenso mit großen Augen. Ich höre und sehe aus der Praxis und Wissenschaft aber eher mehr Vorteile als Nachteile. 

Wir können viele Beobachtungslücken für die Einzeltiere schließen. Die Tiere akzeptieren automatische Fütterungs- und Melksysteme sehr gut. Wir können die Haltungsumwelt besser und flexibler gestalten. Wir werden von manueller Arbeit entlastet zugunsten qualifizierter Tierbeobachtung. 

Natürlich ist nicht alles von alleine so schön wie es möglicherweise digital glänzt, denn ohne viel Empathie und Tierhaltungskompetenz geht es nicht.

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Denise Glatzel

Studentin im Master-Studiengang „Bioeconomy“ der Universität Hohenheim, Mitglied im Arbeitskreis Nachhaltigkeit

Diesmal spreche ich bewusst fachlich. Forschende warnen klar davor, dass intensive Milchnutzung hohe Umweltfolgen verursacht: Emissionen wie Methan werden in die Atmosphäre freigesetzt, Nitrat gelangt in das Grundwasser, dazu kommt ein hoher Land- und Wasserbedarf und damit eine schwindende Biodiversität. 

Aus bioökonomischer Sicht ist das System ineffizient: Futter konkurriert mit menschlicher Nahrung, entlang der Kette gehen Nährstoffe verloren, und die wahren Kosten – Klima-, Wasser- und Gesundheitsschäden – tauchen im Preis kaum auf. 

Was mich zusätzlich ärgert: Teile der Milchlobby bekämpfen Alternativen wie Hafermilch, indem sie deren Bezeichnung als „Milch“ verbieten wollen oder andere Auflagen verlangen – das stößt mir buchstäblich sauer auf. Wer stattdessen die Produktpalette ausweitet – zum Beispiel mit pflanzliche Drinks, Präzisionsfermentation, mikrobiellen Proteinen – der schützt Umwelt UND Marke: weniger Risiko, neue Kundschaften, mehr Innovationskraft.

Am Ende darf es nicht günstiger sein, Tiere auszubeuten, als Pflanzen anzubauen. Erst wenn CO2, Methan, Nitrat und Wasserverbrauch ehrlich bepreist werden und Lebensmittel-Alternativen faire Rahmenbedingungen erhalten, haben wir echte Wahlfreiheit – ökologisch und ethisch.

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Prof. Dr. Ludwig E. Hölzle

Leiter des Fachgebiets „Infektions- und Umwelthygiene bei Nutztieren“ der Universität Hohenheim, Fachtierarzt für Mikrobiologie und Fachtierarzt für Tierhygiene

Das Modell reflektiert eine moderne Milchviehanlage mit einem hohen Grad an Automatisierung (Melken/Fütterungssysteme, Gesundheitsüberwachung). Für mich ist es dabei besonders wichtig, dass − aufgrund des hohen Grades der Technisierung − die persönliche Bindung der Mitarbeiter:innen zu den Tieren nicht auf der Strecke bleibt (ausreichende Sachkunde, Empathie) und dass das Ausleben der natürlichen Verhaltensmuster und die Erfüllung der Grundbedürfnisse (Liegen, Wiederkäuen, Sozialverhalten) für die Kühe ohne Einschränkungen ermöglicht wird.

Eindeutige Vorteile dieser Haltungssysteme für die Tiere sind die Früherkennung von Gesundheitsproblemen (Euter, Lahmheiten, Stoffwechsel) und ein erhöhtes Tierwohl (Fütterungssysteme ermöglichen kontinuierliche Aufnahme von Grundfutter, Melkroboter ermöglichen individuelles Melken für jede Kuh). Aus Sicht eines Tierhygienikers sind die höheren erreichbaren Hygienestandards von Bedeutung. Wichtige Nachteile sind im fehlenden Weidegang, den hohen anfallenden Güllemengen und der hohen Abhängigkeit von der Technik zu sehen.

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Dr. Cornelie Jäger

Ehemalige Landesbeauftragte für Tierschutz mit Lehrleistung an der Universität Hohenheim

Platz, Licht, Luft und Kuhkomfort – all das soll ein moderner Milchrinderstall bieten. Kuh kann sich frei bewegen und selbst wählen, wann und wo sie frisst oder ruht, mit welchen Genossinnen sie sich umgibt und wann sie zum Melken schlendert. 

Trotzdem: Wo bitte geht es nach draußen? 

Wie angenehm ist es doch, sich die herbstliche Sonne auf Rücken und Flanken scheinen zu lassen, geruhsam wiederkäuend in einer Gruppe Gleichgesinnter und Verwandter unter Bäumen zu liegen oder sich durch einen Regenschauer abkühlen zu lassen, wenn einem danach zumute ist. 

Wo ist der Platz, um gelegentlich einmal verrückt herumzuspringen? Wer jemals eine Rinderherde – womöglich aus mehreren Generationen bestehend – auf einer ausgedehnten Weide beobachtet hat, wird selbst einen großzügigen Kuhstall mit bestem Kuhmonitoring beengend finden.

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