Foto: Nikita Teryoshin

Nikita Teryoshin

Borken, Zuchtstation der Rinder Union West

Mad Max (79), Bagno (83), Maserati (74), Mutant (80) und Rapper (56) sind die Namen einiger Zuchtbullen, deren Spermaproben bei minus 196 Grad Celsius in der Besamungsstation der Rinder Union West gelagert werden. Ein Bulle gibt im Schnitt etwa 2.300 Portionen Sperma im Monat. Der Samen wird in die ganze Welt exportiert, um die optimale Zucht im Namen der Effizienz zu ermöglichen.

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Raoul von Schmettow

Bereichsleiter der Milchviehhaltung auf dem Meiereihof der Universität Hohenheim

Noch bis in die 1970er Jahre war es hier im Schwäbischen üblich, dass alle Landwirte in einem Dorf zusammenlegen mussten, um einen Zuchtbullen zu kaufen. Der Bulle blieb ein bis zwei Jahre im Farrenstall in der Gemeinde und deckte nahezu alle Kühe im Dorf. 

Hatte der Zuchtbulle dann doch nicht die vermuteten Vererbungseigenschaften, kam es vor, dass zwei Rindergenerationen nicht viel Milch gaben oder z. B. schwache Arbeitstiere waren. Dies konnte im Dorf einen großen wirtschaftlichen Schaden verursachen.

In den Anfängen der modernen Zuchtpraxis konzentrierte man sich sehr auf die sogenannten Superbullen und ihre Söhne, die immer wieder eingesetzt wurden. Durch diese Inzucht entstanden dann neue Erbkrankheiten. 

Heute ist man in der Rinderzucht wieder sehr breit aufgestellt. Die meisten Milchkühe werden durch Fachleute begutachtet und es werden zusammen mit den Landwirt:innen und mit Hilfe von Anpaarungs-programmen die bestmöglichen Zuchtbullen für die Herde gefunden. Hierbei geht es nicht mehr nur um Leistung, sondern es werden bei der Anpaarung auch viele Gesundheitsaspekte berücksichtigt.

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Roxanne Geier

Doktorandin am Fachgebiet „Landwirtschaftliche Betriebslehre“ der Universität Hohenheim

Dieses Bild erinnert mich an die Frage eines Schulkinds, das jüngst Auskunft darüber erbat, warum der Vater der drei jungen Ziegenkitze nicht zugegen wäre, die wir im Auslauf mit ihren fürsorglichen Müttern betrachteten. Vermutlich, weil dies nicht praktikabel wäre, wenn man monatlich Neuvater von 2.300 weiteren Nachkommen wird. 

Effizienz und Zuchtfortschritt fordern ihren Tribut – und ungewöhnliche Fragen sowie konfrontative Bilder wie diese können uns daran erinnern, diesen Aspekt zu bedenken. Gleichzeitig verhindert diese Praxis Ressourcenverschwendung, und durch den Export des Spermas wird Zuchtfortschritt weltweit geteilt – ein Beitrag zur globalen Gerechtigkeit auf menschlicher Ebene. 

Ob Mad Max, Bagno, Maserati, Mutant und Rapper das als fairen Ausgleich ansehen würden, bleibt zugegebenermaßen Gegenstand von Spekulationen – und sollte uns Wissenschaftler:innen damit Anlass geben, „optimale Zucht“ und Tierwohl weiter in Einklang zu bringen.

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Dr. Valentin Haas

Wissenschaftler am Fachgebiet „Tiergenetik und Züchtung“ der Universität Hohenheim

Die künstliche Besamung ist ein Tool, dass die landwirtschaftliche Nutztierhaltung revolutioniert hat. Durch sie ist es möglich, Zuchtfortschritte viel schneller zu verbreiten. Inzucht wird vermindert, Deckseuchen werden vermieden und Tiere im Sinne des Tierschutzes und der Tiergesundheit verpaart.

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Alexa Torres Boggio

Internationale Studentin im Master-Studiengang „Agrarwissenschaften in den Tropen und Subtropen“ der Universität Hohenheim

Mit Mendels Erbsen im Biologieunterricht war die Genetik für mich erledigt – ich fand so viele andere Themen so viel spannender. Entsprechend vermied ich auch im Studium erst einmal die Module zur Verbesserung genetischen Materials. 

Doch irgendwann stellte ich mir die Frage: Wie entstand die moderne Kuh, die mehr als 10.000 Kilogramm Milch pro Laktation gibt? Klar, durch Züchtung – die Individuen mit den besten Merkmalen werden für die Zucht ausgewählt. Erwünscht sind: viel Milch mit hohen Fett- und Proteinanteilen, stabile Gesundheit und eine lange Nutzungsdauer. 

Ich mag die Vorstellung, wie Landwirt:innen online durch Hochglanz-Kataloge blättern und von Bullen mit perfekten Töchtern schwärmen – in Wirklichkeit ist es wohl viel komplexer. Es ist immerhin ein Millionengeschäft für die Unternehmen, die heute das Monopol über Bullensperma besitzen. Irgendwo auch gruselig.

Wie weit wir seit Mendel gekommen sind! Doch eine Frage bleibt für mich offen: Wie verändert sich der Blick auf züchterischen Erfolg, wenn Tierwohl stärker berücksichtigt wird?

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