Foto: Nikita Teryoshin

Nikita Teryoshin

Bitburg, Rheinland-Pfalz, German Masters Sale

Bei der Auktion German Masters Sale wird eine Milchkuh über den „roten Teppich“ auf die Bühne geführt, um versteigert zu werden. Das Bild erzählt vom Vertrauen der Kuh und einer vermeintlichen Perfektion.

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Prof. Dr. Regina Birner

Leiterin des Fachgebiets „Sozialer und Institutioneller Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung“ der Universität Hohenheim und ausgebildete Landwirtin 

Warum wird für Kühe ein roter Teppich ausgerollt? Kühe als Superstars – was soll das? 

Ähnliche Fragen stellen sich jedoch auch in anderen Bereichen. Warum schmücken etwa die Senner:innen ihre Kühe so prächtig zum Almabtrieb. Und warum kommen so viele Besucher:innen, um sie zu sehen? Nur ein Tourist:innen-Spektakel? 

Aus agrarökonomischer Sicht könnte man auf die wirtschaftlichen Anreize verweisen, die mit solchen Praktiken verbunden sind. Das Ausstellungswesen schafft Anreize – ähnlich wie bei einem Filmwettbewerb oder einem sportlichen Wettbewerb − in diesem Fall, um die beste Kuh zu züchten und sie dann über den roten Teppich führen zu dürfen, um einen Preis zu erhalten. 

Beim Almabtrieb dürfen nur die Senner:innen ihre Kühe schmücken, die im Almsommer kein Tier, etwa durch einen Absturz, verloren haben – ein Anreiz, besondere Sorgfalt anzuwenden. 

Als Professorin für Agrarökonomie kann ich solche Argumentationen zwar nachvollziehen, aber aus meiner eigenen Erfahrung im Umgang mit Kühen während meiner Ausbildung – und als Tochter einer Mutter, die viele Sommer auf der Alm verbracht hat – ist mir diese Interpretation zu eng. 

Ich denke, es ist die Freude am Umgang mit den Kühen, die Verbundenheit mit den Tieren, die Begeisterung für sie und auch ein wenig Stolz, der hinter dem roten Teppich oder den festlich geschmückten Kühen steckt. 

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Denise Glatzel

Studentin im Master-Studiengang „Bioeconomy“, Mitglied Arbeitskreis Nachhaltigkeit

Das Motiv „Roter Teppich“ trifft mich eher persönlich als fachlich: Eine Kuh zur Versteigerung zu inszenieren, wirkt wie eine Überspitzung des Kapitalismus. Es würde reichen, sie im Stall oder auf der Wiese zu begutachten. Der rote Teppich aber ästhetisiert den Akt des Verkaufens, macht aus einem Lebewesen ein Event und verleiht der Ware einen makabren Glamour.

Im Vergleich dazu steht der rote Teppich in Hollywood für Freiwilligkeit, Status und Selbstdarstellung. Für den Menschen ist er der perfekte Ort zur Selbstinszenierung; hier steht ein Tier ohne Stimme im Scheinwerferlicht. Die Bedeutung des roten Teppichs wird hier pervertiert.

Die Implikationen: Erstens verschleiert diese Ästhetisierung potenzielle Gewalt und normalisiert Kommerzialisierung. Zweitens erzeugt die Bühne symbolisches Mehrwert-Branding, das Marktlogik belohnt und Empathie dämpft. Drittens macht sie uns zu Zuschauer:innen, die Teil des Rituals sind: Der Blick wird vom Wesen auf den Wert gelenkt. Schließlich spiegelt die Szene, wie wir auch Menschen zur Marke machen und fragt nach Würde und Verantwortlichkeit: Wessen Wert wird hier gefeiert – der des Lebewesens oder des Objekts?

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Raoul von Schmettow

Bereichsleiter der Milchviehhaltung auf dem Meiereihof der Universität Hohenheim

Wenn die Kuh den tierbetreuenden Menschen als „Leittier“ anerkennt, folgt sie ihm auch auf unbekanntes Terrain.

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