Historisches Denkmal für die Kriegstoten des Zweiten Weltkriegs

Der Künstler

Fritz von Graevenitz, Offizierssohn und Weltkriegsveteran, leitete ab 1937 die Stuttgarter Akademie der Künste. Er galt als konservativ, soldatisch und national-patriotisch, bewunderte die anfänglichen Erfolge der deutschen Wehrmacht und wurde von den Nationalsozialisten trotz fehlender Mitgliedschaft in NSDAP und NS-Dozentenbund überwiegend als loyal eingestuft.

Er schuf zahlreiche Kunstwerke mit nationalsozialistischem Bezug u.a. auch für Parteifunktionäre.1944 wurde er in die „Liste der Gottbegnadeten“ für vom NS-Regime als überragend eingestufte Künstler aufgenommen. Dennoch stufte ihn die Spruchkammer Leonberg nach dem Krieg, unter anderem wegen seiner fehlenden Parteimitgliedschaft, als unbelastet ein.

Das Kunstwerk

Kriegsmale erfüllten über die Zeit überwiegend Funktionen der Propaganda und des Heldenkults, der Heilshoffnung und Sinnstiftung, konnten gleichzeitig aber auch Orte individueller Trauer sein.

Vorlage für das Hohenheimer Ehrenmal war eine bereits 1940 für die Große Deutsche Kunstausstellung geschaffene Skulptur eines „Jünglings“ mit Schwert. Ein weiterer Abguss ging 1943 als „Verkörperung deutschen Wesens, deutscher tatbereiter Jugend“ zum Zwecke nationalsozialistischer Kriegspropaganda an die NS-Musteruniversität Posen. Graevenitz selbst interpretierte sein Werk als „gottgesandten, heiligen Held“.

In Hohenheim stand die Skulptur zunächst im Oberen Foyer gegenüber der Treppe und bildete eine Einheit mit zwei Gedenktafeln für die Kriegstoten des Ersten Weltkrieges. Sie galt als Symbol der „Dankesschuld“ und sollte den Studierenden Erinnerung an „den tragischen Opfertod ihrer Brüder und Schwestern“ sein – damit wurde an die propagandistische Verklärung des Kriegsgeschehens während der NS-Zeit angeschlossen. Mit der Schlossrenovierung in den 1970er Jahren fand die Skulptur ihren heutigen Platz.

Wir verstehen die Skulptur heute als Anstoß, sich mit der Bedeutung von historischer Schuld und den Kontinuitäten und Brüchen unserer Geschichte aktiv auseinanderzusetzen.

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Historische Einordnung

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Biographie des Bildhauers Fritz von Graevenitz

Geboren 1892 als Sohn eines Generals erhielt auch Fritz von Graevenitz eine strenge militärische Erziehung. 1911 kam er zum Stuttgarter Grenadier-Regiment Königin Olga Nr. 119. Im Ersten Weltkrieg verlor er seine Sehkraft auf einem Auge fast vollständig. Er studierte dennoch Bildhauerei und erlangte ab 1921 regionale Bekanntheit. Im Mittelpunkt seiner Arbeit standen Werke für den öffentlichen Raum.

Sein Kunststil lässt sich grundsätzlich dem Neoklassizismus zuordnen, wobei vor allem während der Weimarer Zeit auch Anlehnungen an den Jugendstil in seinen Werken auftauchen. Ab den 1930er Jahren näherte er sich mehr und mehr dem nationalsozialistischen Kunstideal an. Seine Figuren wurden größer und muskulöser.

Weltbild und Grundhaltung von Fritz von Graevenitz können als konservativ, soldatisch und national-patriotisch beschrieben werden. Geprägt waren sie durch die Kaiserzeit, seinen Adelsstand und die persönlichen wie kollektiven Erfahrungen im Ersten Weltkrieg, in dem er zwei seiner Brüder verlor. In seinem Höchenschwander Tagebuch schreibt er 1942:

Denn wie aus schweren Träumen erwachen sie wieder, die steinernen Symbole des Kriegs. Und sie müssen erwachen, denn der Krieg bedarf der männlichsten Kunst, der Plastik. […] Unter dem Zeichen des Weltkriegs begonnen, reifen sie heute während des gewaltigsten Ringens der Menschheitsgeschichte, ewige Bilder: Kampf, Opfer und Überwindung […].“

Seine Rolle im Nationalsozialismus gestaltete sich ambivalent. Julia Müller, die sich sehr ausführlich und differenziert mit der Biographie von Fritz von Graevenitz beschäftigt hat, nennt unter anderem folgende Gründe für seine tätige Zusammenarbeit mit dem NS-Regime:

  • Eine für die Zeit und vor allem beim Adel nicht unübliche Ablehnung der Weimarer Republik und der Demokratie
  • Karriereorientierten Opportunismus  
  • Eine apolitische, auf den künstlerisch-ästhetischen Bereich fokussierte Haltung
  • Biographische Erfahrungen während Kaiserzeit und Erstem Weltkrieg (Zitat Graevenitz: „[…] mit dem ersten Krieg stieß man ‚vom Land ab‘, wo man damals noch war, um nie mehr festen Boden unter den Füssen zu bekommen.“)

1930 trat Fritz von Graevenitz zunächst dem „Stahlhelm“, einem Bund ehemaliger Frontsoldaten des Ersten Weltkrieges bei. Diese paramilitärisch organisierte und antidemokratische Vereinigung bezeichnete er auch später noch als „herzerquickend reaktionär“.

1937 wurde er zum Professor und 1938 vom württembergischen Staatspräsidenten und Kultminister Christian Mergenthaler zum Direktor der Stuttgarter Akademie der Künste ernannt – ein deutliches Zeichen dafür, dass er von den Nationalsozialisten als loyal eingestuft wurde. Die Akademie leitete er „größtenteils im Sinne des NS-Kulturprogramms.“

Unter den Nationalsozialisten stellte Fritz von Graevenitz regelmäßig auf der Großen Deutschen Kunstausstellung in München aus und fertigte unter anderem eine Portrait-büste von Adolf Hitler und des 2-jährigen Heß-Sohnes. Er stand außerdem mit rund 1000 weiteren Künstlern auf der so genannten „Liste der Gottbegnadeten“. Diese Künstler waren aufgrund ihrer vom NS-Regime als überragend eingestuften künstlerischen Bedeutung ab August/September 1944 vom Frontdienst befreit. Auf persönliche Anordnung Hitlers erhielt Fritz von Graevenitz im Januar 1944 das „Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse“.

Anfang 1945 wurde von Graevenitz offenbar durch Reichsstatthalter Wilhelm Murr ein Redeverbot erteilt. Er galt ihm als politisch unzuverlässig und wurde von seinen Aufgaben an der Akademie weitestgehend entbunden. Hintergrund waren vermutlich seine fehlende Parteimitgliedschaft und kritische Nachfragen nach der T4 Aktion in Grafeneck.

Bemerkenswert ist, dass Fritz von Graevenitz nie Mitglied in der NSDAP war und auch nicht in den NS-Dozentenbund eintrat. Dies galt zwar auch für weitere Künstler, die im Nationalsozialismus Erfolg hatten. Doch spätestens mit der Übernahme in den Staatsdienst hätte die Mitgliedschaft eigentlich obligatorisch sein müssen. Möglicherweise waren es freundschaftliche und verwandtschaftliche Bande mit hohen Würdenträgern des Regimes oder seine Stellung als ehemaliger Frontsoldat, welche ihm seine Karriere trotz fehlender Parteimitgliedschaft ermöglichten.

Auch dank dieser fehlenden Mitgliedschaft wurde er von der Spruchkammer Leonberg nach dem Krieg als unbelastet eingestuft, 1946 allerdings dennoch von seinem Amt als Direktor der Staatlichen Akademie der Künste entbunden. Bis in die 1950er Jahre hinein schuf er weitere Kunstwerke für den öffentlichen Raum, u.a. eine Büste des 1944 von den Nationalsozialisten hingerichteten Eugen Bolz. 1957 wurde er zum Ehrenbürger Gerlingens ernannt, wo er 1959 starb.

Insgesamt scheint Fritz von Graevenitz kein durch und durch überzeugter Nationalsozialist gewesen zu sein. Wohl aber sympathisierte er mit einigen grundlegenden Aspekten der nationalsozialistischen Politik, wobei es ihm vor allem um den Wunsch gegangen zu sein scheint, die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg auszugleichen. In seiner Schrift „Kunst und Soldatentum“ schreibt er:

„Genialer Führerwille schweißt heute Volk und Staat zur politischen Einheit. Wir leben wieder in heroischer Zeit.“

Nicht zuletzt profitierte Fritz von Graevenitz in seiner Stellung als Künstler vom nationalsozialistischen Kunstverständnis und erlebte gegenüber der Weimarer Zeit eine Aufwertung seiner Arbeiten.

Dass er seine Stellung an der Stuttgarter Akademie der Künste je genutzt hat, um Kollegen oder Schüler aktiv im Sinne der NSDAP zu beeinflussen ist ebenso wenig belegt wie ein klares Schuldbekenntnis oder eine offen kritische Auseinandersetzung mit seiner Rolle während des Nationalsozialismus, den er als erfolgreicher Künstler und Lehrer zumindest zu stützen half.

Entstehungsgeschichte der Hohenheimer Skulptur

Bereits 1916 gab es in Hohenheim das Vorhaben, ein Mahnmal für die Soldaten des Ersten Weltkrieges zu errichten. Dieses wurde aufgrund der noch laufenden Kriegshandlungen zunächst verschoben und in den 1920er Jahren erneut aufgegriffen. Vorgesehen war dem Zeitgeist entsprechend eine nackte, männliche Statue aus rötlichem Terrakotta, die jedoch nicht realisiert wurde. Im Mai 1922 wurden stattdessen zwei bronzene Ehrentafeln mit folgender Inschrift angefertigt: „Aus Hohenheim zogen in den Weltkrieg und starben den Heldentod 1914 – 1918 … Ehre und Dank ihrem Andenken“.

Knapp zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde dann Fritz von Graevenitz von der Universität Hohenheim beauftragt, ein „Gefallenendenkmal“ zu entwerfen. Dabei handelte es sich um eine der ersten konkreten Anfragen von offizieller Seite an von Graevenitz zur Erstellung eines Ehrenmals nach dem Krieg.

Graevenitz sichtete die Akten aus den 1920er Jahren und schlug dann einen Jüngling (Inschrift: „Den Lebenden zum Vermächtnis“) mit Opferschale (Inschrift: „Den Opfern des Zweiten Weltkriegs“) vor. Am 7. November 1955 entschied der Hohenheimer Senat jedoch, die Jünglingsskulptur ohne Opferschale in Auftrag zu geben und sie zwischen den Tafeln für die im Ersten Weltkrieg umgekommenen Soldaten aufzustellen.

Allerdings schuf Fritz von Graevenitz die Jünglingsskulptur nicht neu, sondern griff dafür auf eine Vorlage von 1940 zurück, welche er wohl nach Vorbild seines Neffen, Carl Friedrich von Weizsäcker, entworfen hatte, der für ihn „den menschlichen Idealtypus eines jungen Mannes“ verkörperte.

Diese Bronzefigur war erstmals 1940 auf der Großen Deutschen Kunstausstellung in München und dann auf der Reichsausstellung junger Kunst in Salzburg 1942 gezeigt worden. Ein Jahr später wurde ein Abguß des Jünglings an die Reichsuniversität Posen verkauft und dort im Hauptgebäude ausgestellt. Die Reichsuniversität Posen galt als NS-Musteruniversität.

Für das Denkmal in Hohenheim wandelte von Graevenitz diese ursprüngliche Vorlage nur leicht ab: die Muskeln sind etwas weniger ausgeprägt und das Schwert etwas tiefer gesenkt.

Deutungsgeschichte der Skulptur

Interessant ist nun, wie die Skulptur bei ihrer Entstehung in den 1940er Jahren und später bei der Aufstellung in Hohenheim gedeutet wurde.

Deutungen während der NS-Zeit

Gemäß der NS-Ideologie sollte die Kunst „das Ideal einer deutschen Volksgemeinschaft widerspiegeln.“ Entsprechend stand der Jüngling 1942 in Salzburg als „Ehrenwache“ an die im laufenden Krieg „gefallenen“ Soldaten und galt 1943 in Posen als die „Verkörperung deutschen Wesens, deutscher tatbereiter Jugend“. Von ihm sollte „eine stete Mahnung an die Studentenschaft ausgehen […], sich immer für das Reich einzusetzen.

Insgesamt gehörten der „Kult um die Toten“ und damit verbunden Heldentum, Opferbereitschaft und Gehorsam zu den „Kernelementen“ der nationalsozialistischen Ideologie. Sie halfen bis zur Niederlage der deutschen Wehrmacht bei Stalingrad und zum Teil noch darüber hinaus, das Regime der Nationalsozialisten zu stützen. Mit der Schaffung seines Jünglings beteiligte sich Fritz von Graevenitz also aktiv an der nationalsozialistischen Propaganda. Der Kurator der Reichsuniversität Posen schreibt 1944 entsprechend von den „außerordentlichen Kräften“, welche von der Skulptur für die „geistige Pionierarbeit“ im Osten ausgehen würden.

Relevant für die Deutung der Skulptur durch den Bildhauer selbst sind unter anderem Aussagen von Fritz von Graevenitz, die er in 1940 in seiner Schrift“ Kunst und Soldatentum“ macht. Darin bezeichnet er Künstler als „Waffenschmiede“ und weiter:

So stehen beide – Künstler und Soldat – in letzter Verantwortung vor dem Volk: zu trotzen Wirrnis und Gefahr, Kämpfer zu sein um das schwerste Gut der Erde: Freiheit. […] Über den Gräbern von Langemarck ersteht heute Großdeutschland.“

Aufschlussreich ist auch speziell ein Zitat über die Darstellung des menschlichen Körpers:

„Es scheiden nie deutlicher die Geister sich und die Zeiten, als in der Gestaltung des menschlichen Körpers. Weil er des Geistes ist, drum überwindet der griechische Jüngling feindliche Urgewalten wie spielend und ohne Kampf.“

Im Jahr 1940 verfasste Fritz von Graevenitz zudem ein Gedicht zu seiner Jünglingsskulptur, welches sehr gut verdeutlicht, wie er selbst das Kunstwerk interpretierte:

Mitten aus flammender Nacht,
Weithin dröhnender, wilder Gewitter,
Nahet ein gottgesandter, heiliger Held,
Hell wie ein junger Stern, der seine Siegesbahn, strahlend beginnt.
In seines Schreitens, schwingender Kraft,
Jauchzen Gesänge, sieghafter Macht.
Schau, wie im Widerschein fallender Sterne,
Leuchtet sein Angesicht,
In eines Lächelns, verschwiegenem Licht,
Und einer Gottheit Traum, zukunftsschwer,
Lagert sanft sich um der Augen,
Kampfgeweihtes heiliges Meer."

Die Worte ähneln stark seiner Beschreibung des am 2. September 1939 beim Angriff auf Polen getöteten Heinrich Freiherr von Weizsäcker, den er als „vom Geist umfangenen Auserwählten“ beschreibt, der klar und zielbewusst seinem Regiment vorausstürmte. Auch macht Fritz von Graevenitz aus seiner Bewunderung für die anfänglichen Erfolge der Wehrmacht keinen Hehl, wenn er über die von der Westfront heimkehrenden jungen Männer schreibt:

„Gespannt, straff – herrlich seid ihr Jünglinge, die ihr über Stunden Mann geworden seid!“

Mit der Schaffung seiner Jünglingsskulptur goss der Bildhauer schließlich all diese Attribute in Bronze.

Deutung in den 1950er Jahren

Es stellt sich nun die Frage, inwiefern diese Hintergründe 1954 eine Rolle bei der Auftragsvergabe spielten und wie das Denkmal von Hohenheimer Seite aus eingeordnet wurde.

In den Quellen finden sich leider nur wenige Aussagen darüber, warum 1954 gerade Fritz von Graevenitz mit der Erstellung eines „Gefallenendenkmals“ beauftragt wurde. Vieles muss hier wohl in mündlichen Gesprächen entschieden worden sein. In seiner Einweihungsrede gibt Rektor Rademacher an, dass Graevenitz als Offizier und Schwerverwundeter des Ersten Weltkrieges der Thematik nahestand.

Möglich ist weiter, dass persönliche Verbindungen über das Königin Olga Regiment eine Rolle gespielt haben und Graevenitz seine alten Kontakte aus der Kriegs- und Vorkriegszeit zugutekamen oder aber andersherum seine fehlende Parteimitgliedschaft und die Tatsache, dass er von der Spruchkammer in Leonberg als unbelastet eingestuft und mit der Schaffung der Bolz-Büste für den Landtag beauftragt wurde, für ihn sprachen.

Sicher wissen wir, dass Rektor Rademacher durch von Graevenitz selbst über die Ursprünge des Jünglings informiert war, sich aber dennoch für dessen Aufstellung in Hohenheim aussprach.

Fritz von Graevenitz selbst stellte es nun so dar, dass er den Jüngling immer schon als „Gegensatz zur Haltung der Partei“ verstanden habe. Sein Jüngling sei „Geistkämpfer“ im „michaelischen Sinne“. Der Heilige Michael gilt als Seelenbegleiter der Toten, aber auch als Schutzpatron Deutschlands und Patron der Soldaten.

Tatsächlich sind deutliche Unterschiede zu Skulpturen anderer NS-Künstler wie beispielsweise Arno Breker zu erkennen. So hält der Graevenitz’sche Jüngling auch in seiner ursprünglichen Form sein Schwert nicht erhoben, seine Muskeln sind weniger ausgeprägt als bei Breker.

Gleichzeitig war Fritz von Graevenitz 1954 die Hinwendung des Jünglings „mahnend und kündend“ an die Lebenden mehr denn an die Toten ein besonderes Anliegen. Er plädierte daher gegenüber dem Senat für eine polare Lösung aus Opferschale (den Toten) und Skulptur (den Lebenden).

Insgesamt kommt man jedoch nicht umhin anzuerkennen, dass es sich bei dem Jüngling um eine Skulptur handelt, welche nicht nur im Einklang mit dem nationalsozialistischen Kunstverständnis entstand, sondern explizit für die Präsentation in der nationalsozialistischen Kunstszene entworfen wurde, in der sie außerdem großen Anklang fand. Das muss auch dem Hohenheimer Senat und Rektor Rademacher bewusst gewesen sein.

Dessen Rede zur Einweihung der Skulptur 1955 liest sich denn auch weniger als kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Verantwortung als Gesellschaft oder Hochschule denn als anhaltendes Bekenntnis zu Nationalismus und militärischer Opferbereitschaft.

Kritische Stellen, an denen er von der „Vermessenheit und Hypris“ spricht, welche Deutschland „tief gestürzt“ hätten oder daran appelliert, die Jünglingsskulptur als Mahnung zur „Achtung von Menschentum und Menschenwürde“ zu verstehen, bleiben die Ausnahme. Vielmehr greift auch Rademacher die bereits 1940 geprägte Vorstellung des „Geistkämpfers“ auf:

„Sie zeigt einen edlen Körper, beherrscht durch den Geist. […] Kein Volk wird sich die Freiheit erhalten, nach seiner eigenen Art zu leben, wenn es nicht bereit ist, für die Freiheit und die wahren Werte des menschlichen Lebens jedes Opfer zu bringen.“

Dass diese Werte sich für ihn von denen des Nationalsozialismus nicht groß unterschieden, wird dann im Folgenden deutlich:

 „Vaterland, Freiheit, Ehre, Treue und Opferwille sind und bleiben echte Werte.“

Letztlich war die Skulptur für den Hohenheimer Rektor Symbol der „Dankesschuld der Lebenden“, Vermächtnis dessen „was unser Volk erstrebt, verschuldet und erlitten hat“, und sollte den Studenten „Erinnerung an den tragischen Opfertod ihrer Brüder und Väter.“

Dazu gehörte auch, dass Rademacher das künftige Gedenken explizit nur auf die Gefallenen, Vermissten und Verlorenen des eigenen „Volkes“ bezog.

Umgang mit der Skulptur heute

Der Hohenheimer Senat entschied 2023, die Skulptur als zeithistorisches Dokument an ihrem jetzigen Aufstellungsort zu belassen, aber durch weitere Informationen zu ergänzen. Wir verstehen die Skulptur heute als Anstoß, sich mit der Bedeutung von historischer Schuld und den Kontinuitäten und Brüchen unserer Geschichte aktiv auseinanderzusetzen.

Zusammenfassung: Der Künstler und das Kunstwerk

 

 

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