1946 bis 1999

Wiedereröffnung, Erweiterung und Universitätsstatus

Fachliche und bauliche Erweiterungen prägen die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in Hohenheim. 1968 erhält die Hochschule den Status einer Universität.

1946: Die Schließung und Wiedereröffnung der Hochschule

Auf Anordnung der Siegermächte wird die Universität zunächst geschlossen, bereits im Januar 1946 aber offiziell wiedereröffnet.

Bereits im Dezember 1945 kann der Lehrbetrieb in Hohenheim wiederaufgenommen werden. Mit der Wiedereröffnung am 3. Januar 1946 wird auch die Verfassung von 1922 wieder in Kraft gesetzt. Bis zum 1. Dezember 1946 werden 21 Professoren und Dozenten von der Militärregierung entlassen.  Durch eine Jugendamnestie vom August 1946 wird ein Großteil der Hohenheimer Studierenden entlastet und kann an die Hochschule zurückkehren. Ein wirklicher Neuanfang und eine intensive Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus bleiben aus.

1955: Enthüllung eines Denkmals für die Kriegstoten des Zweiten Weltkrieges

Auf Entscheidung des Hohenheimer Senates wird im Foyer des Schlosses ein Denkmal für die Kriegstoten des Zweiten Weltkrieges enthüllt.

Die Skulptur „Der Jüngling“ entstammt der Hand des Stuttgarter Bildhauers Fritz von Graevenitz. Dieser unterhielt bis 1945 aktive Verbindungen zum NS-Regime. Auch die Entstehungsgeschichte der Skulptur ist eng mit dem Nationalsozialismus verbunden. Der Hohenheimer Senat entschied 2023, die Skulptur als zeithistorisches Dokument an ihrem jetzigen Aufstellungsort zu belassen, aber durch weitere Informationen zu ergänzen.

1957: Die Hohenheimer Gutswirtschaft

Die Hohenheimer Gutswirtschaft wird in drei Versuchsbetriebe geteilt und unter der Oberleitung des Instituts für Landwirtschaftliche Betriebslehre gesondert geleitet.

Somit wird die ehemalige Reinertragswirtschaft zusammen mit den seit Anfang des 20. Jahrhunderts eingerichteten Versuchsbetrieben (die Versuchsgüter Eckartsweier, Heidfeldhof, Ihinger Hof, Oberer und Unterer Lindenhof, Hof Enzmad, Schuhmacherhof) in landwirtschaftliche Laboratorien umgewandelt.

1960-87: Schlosssanierung

Anfang der 1960er Jahren beginnt eine groß angelegte Restaurierung der Schlossanlagen

Die früheren Prunkträume sind zu Professorenwohnungen geworden, die Dächer für Kamine durchschlagen und Teile des Schlosses sind baufällig. Allein derDenkmalschutz verhindert in den 1960er Jahren den Abriss des Schlosses. 1960-1975 werden die Flügelbauten um die äußeren Höfe erneuert, 1967-1987 das Schloss-Hauptgebäude. Dort werden die Prunksäle restauriert und für Feierlichkeiten genutzt. Welche Schlossabschnitte alt und neu sind, lässt sich anhand der Dächer feststellen: Die ursprünglichen Bauherren verwendeten Ziegel für die Dächer. Für die Rekonstruktion finden Schieferschindeln Verwendung.

1963: Schatten der NS-Zeit

NS-Agrarhistoriker und SS-Hauptsturmführer Günther Franz gelingt die Berufung nach Hohenheim mit späterer Wahl zum Rektor.

Während des Nationalsozialismus ist Franz bekennender Nationalsozialist und Mitglied von SA, später SS. In seinen agrarhistorischen Schriften propagiert er das „Dritte Reich“ als wahr gewordene Utopie der Bauern aus den Bauernkriegen, deren Ziel es gewesen sei „die wirtschaftliche Macht der Juden“ zu „beseitigen“.

In den 1940ern Jahren engagiert er sich an zentraler Stelle in der NS-Gegnerforschung, die sich unter seinem Zutun zunehmend der sog. „Lösung der Judenfrage“ zuwendet.

Mit Kriegsende verliert Franz seine Professur, die er zuletzt an der „Reichsuniversität Straßburg“ innehatte. 1957 gelingt ihm ein wissenschaftliches Comeback auf dem neu geschaffenen Lehrstuhl für Agrargeschichte in Hohenheim. Von 1963-67 leitet er die Hochschule sogar als Rektor.

Die bekannteste Abhandlung über Günther Franz stammt von Wolfgang Behringer („Bauern-Franz und Rasen-Günther“ in Winfried, Schulze, Otto G. Oexle: Deutsche Historiker im Nationalsozialismus. Frankfurt a.M. 1999).

In ihrem Forschungsprojekt Hohenheim und der Nationalsozialismus und der Publikation „Erschreckend einwandfrei" untersuchte die Historikerin Dr. Anja Waller von 2015 bis 2018, wie sich die Hochschule Hohenheim generell gegenüber belasteten Wissenschaftlern aus der NS-Zeit verhielt – und wie sie mit Personen umging, die Hohenheim in den 1930er Jahren zu Unrecht verlassen mussten.

1964: Zwei Fakultäten

Zwei Fakultäten werden eingerichtet: eine naturwissenschaftliche und eine agrarwissenschaftliche.

In den 50er Jahren ist die in allen Gebieten eingetretene wissenschaftliche Spezialisierung so weit entwickelt, dass an einen Ausbau der Hochschule über den Rahmen der reinen Agrarwissenschaft hinaus gedacht werden kann. Im Jahre 1964 eröffnet sich die Möglichkeit, die biologische Ausbildung zu erweitern. Noch in demselben Jahr werden zwei Fakultäten eingerichtet, eine naturwissenschaftliche und eine agrarwissenschaftliche. Dies macht besonders im naturwissenschaftlichen Bereich die Schaffung mehrerer neuer Lehrstühle notwendig. Von Kriegsende bis 1964 kann die Zahl der Lehrstühle mehr als verdoppelt werden.

1967: Die dritte Fakultät

Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät wird als dritte und letzte Fakultät eingerichtet.

Entwickelt hat sie sich aus den angewandten Wirtschaftswissenschaften in der Agrarwissenschaftlichen Fakultät heraus. Heute ist sie mit über vierzig Fachgebietendie größte der drei Fakultäten der Universität Hohenheim.

Gleichzeitig bringt das Hochschulgesetz grundlegende Änderungen mit sich: Es setzt die Verfassung von 1922 außer Kraft. An die Stelle des jährlich aus dem Kreis der ordentlichen Professoren gewählten Rektors tritt ein auf 8 Jahre vom Großen Senat gewählter Präsident. Gremien der Universität sind fortan: Großer Senat (Wahl- und Kontrollorgan, Entscheidungen über Änderungen der Grundordnung), Verwaltungsrat (Wirtschafts- und Personalangelegenheiten) und Senat (Allzuständigkeit).

1968: Die Universität Hohenheim

Die Landwirtschaftliche Hochschule Hohenheim erhält im Jahr ihres 150-jährigen Jubiläums den Namen „Universität Hohenheim (Landwirtschaftliche Hochschule)“.

Nachdem die Wirtschaftswissenschaften und die Naturwissenschaften als eigene Fakultäten angegliedert sind, erhält die Landwirtschaftliche Hochschule Hohenheim den Namen „Universität Hohenheim (Landwirtschaftliche Hochschule)“. Der Klammerzusatz ist durch das Universitätsgesetz inzwischen entfallen.

1973: Bau des Biologiegebäudes

Die Universität Hohenheim erweitert ihren Campus um das Biologiegebäude mit Instituts- und Laborflächen und einem vorgelagerten Hörsaalbereich.

Seit den 1990er Jahren wird das Gebäude fortlaufend saniert und an neue gesetzliche Brandschutzstandards angepasst. Der vierte und vorerst letzte Sanierungsabschnitt beginnt 2014 und wird 2017 abgeschlossen. Weitere Bauentwicklungen: Vier Kavaliershäuser für die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (1987), das Technikum für die Lebensmitteltechnologie (1989), der Fruwirthbau für die Pflanzenzüchtung und die Landessaatzuchtanstalt (1991), das Verfügungsgebäude für Drittmittelforschung und Nachwuchswissenschaftler (1993), das Euroforum für Veranstaltungen (1994), das Ökologiezentrum für die Naturwissenschaften (1996), ein neues Laborzentrum in der Garbenstraße (2009) und einen neuen, großen Hörsaal, das Otto Rettenmaier Audimax (2016), das Phytotechnikum als neues Forschungsgewächshaus der Universität (2020). Seit 2021 entsteht auf dem Campus zudem ein neues Zentrum für Tierwissenschaften.

1976: Eröffnung der Thomas Müntzer Scheuer für Studierende

Die ehemalige Öhmd-Scheuer wird zur Thomas Müntzer Scheuer und damit zum Lehr-, Kultur- und Kommunikationstreffpunkt für Studierende der Universität.

Fast 40 Jahre verwaltet das Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim die Scheuer, seit 2016 wird sie nach jahrelangen Streitigkeiten, Diskussionen und Demonstrationen seitens der Studierenden von der Verfassten Studierendenschaft der Universität Hohenheim verwaltet. Benannt ist die Scheuer nach dem Sozialrevolutionär und Theologen Thomas Müntzer (1489 -1525).

Mehr über die Geschichte Hohenheims der Jahre:

1100 - 1799 | 1800 - 1932 | 1933 - 1945 | 1946 - 1999 | seit 2000

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