Erinnerungspunkte auf dem Campus

Als Ergebnis des Projektes zur Aufarbeitung der NS-Zeit und ihrer Folgen halten virtuelle und reale Erinnerungspunkte die Bezüge zur Zeit des Nationalsozialismus wach.

Gräber von Isabella Sikoska und Peter Ralintschenko

Gras war gewachsen über den Gebeinen von Isabella Sikorska (1888 bis 1945) und Peter Ralintschenko (1894 bis 1945), die während der NS-Diktatur als Zwangsarbeiter nach Hohenheim verschleppt wurden.

Isabella Sikorska war während des Warschauer Aufstands von 1944 verhaftet und ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert worden. Bei ihrer Ankunft in Hohenheim muss sie sich in einem erschreckenden Gesundheitszustand befunden haben: Sie starb bereits wenige Tage später. Die Sterbeurkunde nennt als Todesursache „Herzmuskelschwäche, Pneumonie“.

Peter Ralintschenko kam ein Jahr nach seiner Ankunft in Hohenheim bei einem tödlichen Unfall ums Leben. Der Unfall ereignete sich im Februar 1945 im Tierzuchtinstitut. Informationen über die näheren Umstände seines Todes ließen sich in den Archiven nicht finden.

Beerdigt wurden Sikorska und Ralintschenko ohne jede Kennzeichnung der Gräber auf dem Universitätsfriedhof. Danach gerieten ihre Gräber in Vergessenheit.

Erst bei der Durchsicht alter Unterlagen entdeckte Historikerin Dr. Anja Waller im Rahmen des „Projekt zur Aufarbeitung der NS-Zeit und ihrer Folgen“ die Gräber. Seit einer Gedenkfeier am 12.11.2018 kennzeichnen zwei Granit-Würfel mit den Initialen der Toten ihre Ruhestätte.

Ort: Universitätsfriedhof

Skulptur zum Gedenken an Zwangsarbeiter

„Ihr Namen sollen uns Mahnung sein“. So fordert es die Skulptur in Gedenken an Isabella Sikorska (1888 bis 1945) und Peter Ralintschenko (1894 bis 1945), die stellvertretend für alle Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter stehen, die während der NS-Diktatur nach Hohenheim verschleppt wurden.

Aus Archiven bekannt sind mindestens 242 Menschen, die ab 1940 unter Zwang auf Versuchsfeldern, in Instituten oder als Hausmädchen ausgebeutet wurden.

Seit dem 12. November 2018 weist eine Skulptur am Eingang des Universitäts-Friedhofes auf das Schicksal der Zwangsarbeiter hin. Die Gräber selbst von Sikorska und Ralintschenko kennzeichnen zwei schlichte Würfel aus gleichem Material mit den Initialen der Toten.

Ort: Universitätsfriedhof

Hinweis auf NS-Verstrickungen Hohenheimer Rektoren

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten und die Gleichschaltung der Hochschulen erfolgte in Hohenheim ohne nennenswerten Widerstand.

Während des Krieges beteiligten sich Professoren und Dozenten direkt an Um- und Ansiedelung in besetzten Gebieten oder am Diebstahl wissenschaftlichen Materials. In der Nachkriegszeit wurden eigenen Taten jahrzehntelang verdrängt.
Dies lässt sich auch an manchen Biographien der Rektoren festmachen. Manche wussten von den Verhältnissen zu profitieren. Andere erlebten Nachteile. Auch das Verdrängen gipfelte noch in den 1960er Jahren mit der Wahl eines ehemaligen SS-Funktionärs zum Rektor.

Seit 12. November 2018 weist ein Schild unter der Fotogalerie aller Direktoren, Rektoren und Präsidenten der Universität Hohenheim auf diesen Umstand hin. Eine virtuelle Ergänzung listet biographische Details der sechs Rektoren von 1933 bis 1945 sowie die von sechs ausgewählte Vorgänger und Nachfolger mit entsprechenden Bezügen zum Nationalsozialismus.

Ort: Tannenzapfenzimmer vor der Aula, Schloss Hohenheim, Mittelbau, 1. Obergeschoss

Hinweis am Porträt des Rektors und SS-Funktionärs Günther Franz

Auffällig ist auch, wie schnell die Hochschule die Vergangenheit noch im Jahr des Kriegsendes verdrängte. Bereits im Dezember 1945 wurde der Lehrbetrieb wiederaufgenommen. Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit blieb über Jahrzehnte aus.

Dieses Verdrängen gipfelte schließlich in der Personalie von Prof. Dr. Günther Franz. Als bekennender Nationalsozialist war der Agrarwissenschaftler 1933 der NSDAP und SA beigetreten. Bei der SS hatte er 1944 den Rang eines Obersturmführers inne. In der „Gegnerforschung“ des Reichssicherheitshauptamtes war er als wissenschaftlicher Koordinator tätig.

Nach Kriegsende bemühte sich der bekennende Nationalsozialist um den Widereinstieg in die Wissenschaft. Dies gelang ihm spät, dafür jedoch umso erfolgreicher mit der Berufung auf den Lehrstuhl für Agrargeschichte 1957 in Hohenheim. So habe Prof. Dr. Franz die Agrargeschichtsforschung bis Anfang der 70er Jahre geprägt.
Von 1963 bis 1967 war der ehemalige SS-Funktionär sogar als Rektor tätig. 1968 verfasste er die Festschrift zum 150. Jubiläum der Universität.

Seit 12. November 2018 weist ein Schild unter dem Rektoren-Porträt in Öl auf die nationalsozialistische Vergangenheit des späteren Rektors hin. Eine virtuelle Ergänzung listet biographische Details der sechs Rektoren von 1933 bis 1945 sowie die von sechs ausgewählte Vorgänger und Nachfolger mit entsprechenden Bezügen zum Nationalsozialismus.

Ort: Gang zum Grünen Saal, Schloss Hohenheim, Mittelbau, 1. Obergeschoss

Lage der Erinnerungspunkte