Pflanzaktion:
Neue Agroforst-Versuchsfläche für Lehre und Forschung  [05.12.25]

Studierende, Forschende und Beschäftigte helfen ehrenamtlich mit, das Thema Agroforst an der Universität Hohenheim voranzutreiben.

Startschuss für ein langfristiges Projekt: Zwei Tage lang verwandeln Freiwillige ein Feld am Meiereihof der Universität Hohenheim in Stuttgart in eine neue Agroforst-Versuchsfläche. Für den ersten Baum – eine Esskastanie – fasst auch die Fakultätsleitung mit an. Die Fläche ergänzt den bestehenden Agroforst-Standort und schafft ideale Voraussetzungen für praxisnahe Forschung und Lehre. Agroforstsysteme erleben derzeit einen Boom, da sie das Potenzial haben, landwirtschaftliche Produktion an den Klimawandel anzupassen und gleichzeitig Biodiversität zu fördern.


Rund 30 Freiwillige, ausgerüstet mit Gummistiefeln und Spaten, stapfen über ein noch leeres Feld. In ihrer Hand: junge Bäume und Sträucher – 150 Esskastanien, Apfelbäume und Haselnüsse. Sie sollen in den nächsten zwei Tagen auf dem Meiereihof der Universität Hohenheim ihr neues Zuhause finden.

Die Pflanzaktion mit Studierenden und Beschäftigten, initiiert von der Koordinationsstelle Agroforstsystem-Forschung (kAFo), schafft eine neue Agroforst-Versuchsfläche. Diese Anbaumethode erlebt derzeit eine Renaissance: In Zeiten von Klimawandel und Artenschwund ist Resilienz gefragt, und die Kombination von Bäumen mit Ackerbau, Sonderkulturen oder Weidewirtschaft kann Landnutzungs-Systeme widerstandsfähiger machen.

„Insgesamt pflanzen wir auf rund sechs Hektar Versuchsfläche sechs Baumreihen im Abstand von 30 Metern“, erläutert Michael Cormann, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der kAFo. „Es gibt vier Varianten mit je drei Wiederholungen, wobei in dreien unterschiedliche Frucht- und Nussgehölze gepflanzt werden, eine Variante wird zum Vergleich ohne Bäume angelegt“ ergänzt sein Kollege Olef Koch.


Vernetzung und Wissenstransfer

Beim ersten Baum gibt es tatkräftige Unterstützung aus der Leitung der Fakultät Agrarwissenschaften: Dekan Ralf Vögele setzt die erste Esskastanie an ihren neuen Platz. „Nicht nur in Hohenheim ist das Thema Agroforst von zunehmender Bedeutung, in der Forschung ebenso wie in der Lehre“, hebt er hervor. „Die Koordinationsstelle ist ein gelungenes Beispiel für Vernetzung und Kooperation, unter anderem mit der Universität Freiburg. Deren Schwerpunkt im Bereich Forst- und Umweltwissenschaften ergänzt sich perfekt mit unserer agrar- und ernährungswissenschaftlichen Expertise.“

Auch Michael von Winning von der Eva Mayr-Stihl Stiftung freut sich: „Die Versuchsfläche ist ein bleibendes Erbe der kAFo, das diese der Universität Hohenheim hinterlässt – neben einer ganzen Reihe von Forschungsprojekten, die mit Hilfe der kAFo eingeworben wurden, und neuen Ansätzen in der Lehre.“ Die Stiftung hat die kAFo seit Februar 2023 mit 260.000 Euro gefördert. Seitdem hat diese weitere Drittmittel in Höhe von über 1.800.000 Euro für die Universität Hohenheim eingeworben.


Campus-nahe Fläche ermöglicht Ausbau der Lehre zu Agroforst

Ein großer Vorteil der neuen Fläche ist die Campus-Nähe, besonders für die Lehre. Ein Lehrmodul im Master-Studium, „Agroforstsysteme Mitteleuropas“, gibt es bereits seit zwei Jahren. „Es ist immer voll belegt“, berichtet Cormann.

Nun soll die Lehre in diesem Bereich weiter ausgebaut werden – von Angeboten für Abschlussarbeiten bis hin zu studentischen Forschungsprojekten. „Mit der neuen Fläche erfahren die Studierenden nicht nur, wie Agroforst aussehen kann, sie fühlen auch den Unterschied zum freien Feld. Sie können Biodiversitätsuntersuchungen durchführen und das Anwachsen der Bäume begleiten. Methodische Kenntnisse lassen sich auch auf der jungen Fläche praktisch vertiefen.“


Neue Agroforst-Versuchsfläche ergänzt bestehende Fläche am Ihinger Hof

Die neue Fläche ist eine langfristige Investition, erste Effekte der Baumreihen auf die Ackerstreifen erwartet Olef Koch erst in 5-10 Jahren. „Wir haben im vergangenen Jahr einen wahren Schatz am Standort Ihinger Hof unserer Versuchsstation Agrarwissenschaften entdeckt: Dort schlummerte eine der ältesten Agroforst-Versuchsflächen Deutschlands im Dornröschenschlaf. Die Flächen waren in Vergessenheit geraten, doch routinemäßig weiter beprobt worden – 17 Jahre lang. Diese Daten sind für uns nun von enormem Wert.“

Forschende wie Sven Marhan, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Bodenbiologie an der Universität Hohenheim, nutzen diese Daten – und freuen sich gleichzeitig über die neuen Möglichkeiten. „Die bestehende Fläche am Ihinger Hof eignet sich hervorragend für Bestandsaufnahmen, doch es gibt keine Rückstellproben. Jetzt können wir die aktuelle Entwicklung einer Neupflanzung über die Zeit verfolgen.“

Marhan untersucht unter anderem die Auswirkungen auf den Humusgehalt des Bodens und die Biodiversität. Und in der Tat sprechen bei der alten Agroforst-Fläche die Langzeiteffekte für sich: „In den Agroforst-Streifen hat sich die Zahl der Regenwürmer und die mikrobielle Bodenmasse seit 2008 mehr als verdoppelt. Und wir beobachten tendenziell mehr Laufkäfer in den Gehölzstreifen.“

Ähnlich positive Auswirkungen zeigen sich bei den klimarelevanten Gasen: „Durch den höheren Humus-Gehalt wurden rund 31,5 Tonnen klimarelevantes Kohlendioxid im Boden gebunden. Der Gehölzstreifen wird nicht gedüngt, weshalb er weniger Lachgas emittiert. Und die Methan-Aufnahme ist ebenfalls höher in diesem Bereich.“


Vielversprechende erste Ergebnisse – und hoher Forschungsbedarf

All diese ersten Ergebnisse sind vielversprechend. „Doch die Forschung muss zum Thema Agroforst noch viele Fragen beantworten“, gibt Cormann zu bedenken. Neben den Gasemissionen und Fragen der Biodiversität geht es zum Beispiel auch um Auswirkungen auf das Mikroklima, um Wind- und Bodenerosion oder den Einfluss auf Schadorganismen.

Und als Sahnehäubchen kommen noch die ganz besonderen Forschungsfragen dazu: „Eine der Gehölz-Kombinationen pflanzen wir nicht bei der Pflanzaktion, sondern erst im nächsten Jahr“, verrät Cormann. „Denn die kombinierte Variante mit Esskastanie und Hasel werden wir vorab erst noch mit Trüffel beimpfen.“


HINTERGRUND: Koordinationsstelle Agroforst-Systemforschung

Die Koordinationsstelle Agroforstsystem-Forschung (kAFo) an der Universität Hohenheim ist ein Netzwerk von Forschungseinrichtungen und Akteuren aus der Praxis rund um das Thema Agroforstsysteme in Südwestdeutschland. Seit dem Frühjahr 2023 identifiziert sie Hemmnisse bei deren Etablierung und Wissenslücken. Sie übersetzt diese in Forschungsfragen, die eine Grundlage für zukünftige Forschungskooperationen darstellen. Mit der Universität Freiburg verbindet sie ein Memorandum of Unterstanding, das die enge Zusammenarbeit im Bereich Agroforst besiegelte. Die Koordinierungsstelle wird durch die Eva Mayr-Stihl-Stiftung bis April 2026 gefördert.

Mehr Infos
Koordinationsstelle Agroforst-Systemforschung: https://kafo.uni-hohenheim.de

Prof. Dr. Ralf Vögele, Dekan der Fakultät Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim und Michael Cormann von der Hohenheimer Koordinationsstelle Agroforst mit dem ersten Baum der neuen Agroforst-Versuchsanlage. Bildquelle: Universität Hohenheim

Prof. Dr. Ralf Vögele, Dekan der Fakultät Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim und Michael Cormann von der Hohenheimer Koordinationsstelle Agroforst mit dem ersten Baum der neuen Agroforst-Versuchsanlage. Bildquelle: Universität Hohenheim

Studierende der Universität Hohenheim bei der Baumpflanzung mit Michael Cormann von der Koordinationsstelle Agroforst der Universität Hohenheim. Bildquelle: Universität Hohenheim

Studierende der Universität Hohenheim bei der Baumpflanzung mit Michael Cormann von der Koordinationsstelle Agroforst der Universität Hohenheim. Bildquelle: Universität Hohenheim

Bereit, hier Wurzeln zu schlagen: Studierende und Mitarbeiter der Universität Hohenheim pflanzen eine Edelkastanie für die neue Agroforst-Versuchsanlage. Bildquelle: Universität Hohenheim

Bereit, hier Wurzeln zu schlagen: Studierende und Mitarbeiter der Universität Hohenheim pflanzen eine Edelkastanie für die neue Agroforst-Versuchsanlage. Bildquelle: Universität Hohenheim

Text: Elsner

Kontakt für Medien:

Michael Cormann, Koordinationsstelle Agroforst-Systemforschung, Universität Hohenheim
0711 459 23947, michael.cormann@uni-hohenheim.de


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