"Hier fühlte ich mich zum ersten Mal wie eine angehende Wissenschaftlerin"

Die mongolischen Rennmäuse kommen aus der Laborzucht der Universität Hohenheim. Für den Kurs wurden die alten Tiere ausgesucht und eingeschläfert.


Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen ersten Sezierkurs. Vor etwas mehr als fünf Jahren saß ich selbst im Kursraum und war irgendwie leicht aufgekratzt.

Dieser Kurs gab mir die Möglichkeit, all die faszinierenden Merkmale der Lebewesen zumindest ansatzweise selbst zu beobachten, anzufassen und so zu verstehen. Jetzt hieß es nicht mehr nur zuhören und darauf vertrauen, dass der Professor schon wissen wird, was er da sagt, sondern selbst Hand anlegen und nachschauen.

Ich denke, hier fühlte ich mich zum ersten Mal wie eine angehende Wissenschaftlerin.

Es konnten zahlreiche Tierordnungen bestaunt werden. Wir wiederholten die grundlegenden Charakteristika und lernten wichtige physiologische Funktionen kennen. Wer hätte gedacht, dass ein Regenwurm, der im Prinzip einen Hautmuskelschlauch mit Mund und After darstellt, ebenso verdaut und vergleichbare Organe besitzt wie eine Schabe, eine Forelle oder gar eine Maus?

Muster in der Komplexität der tierischen Organismen wurden sichtbar. Hier gab es Raum für das Erforschen des Stammbaums des Lebens. Die Nähe zum Dozenten und die Chance, alles zu fragen im Bezug auf die untersuchten Organismen, verschaffte uns einen tieferen Einblick in die tierische Seite der belebten Welt.

Die Faszination für die Zoologie ließ bei mir nicht nach. Ich wurde im Folgejahr HiWi in diesem Kurs und habe seither beinahe jedes Semester Sezierkurse für Biologie und früher Agrarbiologie betreut. Es macht mir unheimlich viel Spaß, dabei zu sein und vielleicht wenigstens ein bisschen der Begeisterung für dieses Teilgebiet mit den nächsten Semestern zu teilen.

In den letzten Jahren wurden zunehmend auch kritische Stimmen lauter, die den Nutzen oder die Notwendigkeit dieses Kurses in Frage stellen, und wir setzen uns damit auseinander. Doch ich hoffe, dass alle Kritiker kurz innehalten und sich vielleicht vor der Immatrikulation im Studiengang Biologie bewusst machen, was zu dieser wissenschaftlichen Disziplin dazugehört.

Speziell die Zoologie erforscht die Tierwelt, und dazu gehört auch die Funktionsweise der tierischen Körper.

Kein Chirurg lernt beim Anschauen von Grey´s Anatomy, wie ein Aneurisma geklippt wird, Auszubildende Mechaniker nehmem Autos auseinander und Zoologen lernen die tierische Anatomie nun einmal auch direkt kennen.

Ich liebe Tiere, und ich verspüre keinerlei Freude, wenn ich die Regenwürmer oder Schaben für den Kurs einschläfere. Eher das Gegenteil ist der Fall. Aber ich tue es, um den Studenten die gleiche Chance zum Erlernen der Anatomie zu geben, wie ich sie damals hatte.

Und nachdem ich erfahren konnte wieviel Aufwand und Organisation die Kursvorbereitung in Anspruch nimmt, würde ich sagen: Es ist nicht nur eine Chance, sondern ein Privileg, diesen Kurs besuchen zu können.

Bei den Tieren handelt es sich um Angelköder, Lebendfutter, Speisefische und männliche Küken, deren Kadaver einfach verschreddert würden. Die Dozenten füllen Anträge und Bestellungen aus. Es werden teils weite Strecken gefahren, um „Tierische Nebenprodukte“ abzuholen, und anschließend muss man sich dann vor den Studierenden für die Tötung der Tiere rechtfertigen.

Liebe Studenten, es ist gut dass ihr Moral und Prinzipen habt und diese auch äußert, aber denkt auch mal darüber nach, welche Wertvorstellungen euer Gegenüber mit euch teilen könnte.

Wir sind Zoologen, wir haben mindestens ebenso viel Respekt vor den Lebewesen, die wir erforschen, wie ihr. Deshalb versuchen wir, diesen Respekt und ein Verständnis für die Komplexität der belebten Welt auch mit diesem Kurs an euch weiterzugeben. Und der Liebe zur Biologie und den Tieren ist es auch geschuldet, dass wir versuchen, das Lebendfutter, die Angelköder und wirtschaftlich wertlosen Küken einem letzten wissenschaftlichen Zweck zu zuführen.

Wenn ihr die Situation von Tieren verbessern wollt, dann wendet euch an Tierzuchtbetriebe und Legehennenfabriken. Wenn ihr den Welthunger und die Überbevölkerung bekämpfen wollt, studiert Ernährungswissenschaften oder werdet Politiker.

Doch wenn ihr wirklich Biologen werden wollt...dann verliert niemals eure Neugier, bleibt objektiv, erforscht alles, was euch interessiert, und benutzt euren Kopf und eure Hände dazu.

Sabrina, Doktorandin




Die Beiträge beinhalten die persönlichen und individuellen Meinungen von Studierenden und Betreuern. Sie spiegeln nicht zwingend die Meinung der Universität Hohenheim wider.