Wenn Forschung fliegt: Wie aus Unkrautdaten ein Start-up wurde  [03.11.25]

Dr. Robin Mink ist Alumnus der Universität Hohenheim

Aus der Forschung an der Universität Hohenheim ist ein preisgekröntes Agrar-Start-up hervorgegangen: SAM-DIMENSION. Die Gründer Dr. Robin Mink und Dr. Alexander Linn, beide Alumni der Universität, wurden jüngst mit dem Stuttgarter Innovationspreis ausgezeichnet. Mit ihren KI-basierten Drohnenkameras ermöglichen sie es, Unkräuter millimetergenau zu erkennen und den Einsatz von Herbiziden um bis zu 90 Prozent zu reduzieren. Im Interview spricht Dr. Mink über den Weg von der Promotion zur Unternehmensgründung – und darüber, warum Hightech und Landwirtschaft längst zusammengehören.

 

Wie ist die Idee von “Sam-Dimension” entstanden?

Die Idee entwickelte sich in Teilen aus unseren Forschungsarbeiten an der Universität Hohenheim. Ich habe mich in meiner Promotion mit Fernerkundung beschäftigt, Alexander mit KI-Algorithmen für Klassifikationen im Feld. Aus dieser Kombination – also Bilder aus der Luft zu erfassen und sie automatisiert auszuwerten – entstand schließlich das Produkt, das wir heute anbieten: Spot-Spray-Maps, die zeigen, wo Pflanzenschutzmittel wirklich ausgebracht werden müssen.

War Ihnen damals schon klar, dass daraus vielleicht ein Unternehmen werden könnte?

Nein, dieser Weg hat sich zu Beginn noch nicht ganz klar abgezeichnet. Der Gedanke kam erst gegen Ende der Promotion. Wir haben 2018 an einem sogenannten Venture Weekend teilgenommen – einer Art Hackathon an der Uni. Da ging es zunächst mehr um Interesse und Ausprobieren. Aber aus diesem Wochenende heraus ist schnell eine Dynamik entstanden. Über das EXIST-Gründerstipendium sind wir dann tiefer eingestiegen, und so hat das Ganze richtig Fahrt aufgenommen.

Können Sie das Kernprinzip Ihrer Technologie beschreiben?

Im Kern geht es darum, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln präziser zu machen. Schon vor dem EU Green Deal war klar: Wir müssen Herbizide reduzieren – aber es fehlte an Präzisionstechnik, um das gezielt zu tun. Genau da setzen wir an. Unsere Drohnenkamera fliegt über das Feld, erfasst Bilder mit einer Bodenauflösung von bis zu 1,6 Millimetern, erkennt die Unkräuter und erstellt daraus eine Spot-Spray Map. So wird nur dort gespritzt, wo es wirklich nötig ist – das spart bis zu 90 Prozent Herbizide und schont gleichzeitig die Kulturpflanzen.    

Wie kam es zur technischen Umsetzung?

Am Anfang war das sehr handwerklich. Wir haben uns einfache Sony-Kameras aus dem Unibestand ausgeliehen, sie auf einen Schubkarren montiert und damit Flächen abgefahren, um Trainingsdaten zu sammeln. Später hingen die Kameras an einer selbstgebauten Drohne. Irgendwann wurde klar: Wenn das wirtschaftlich funktionieren soll, brauchen wir mehr Kameras und eine Auswertung direkt während des Flugs. Heute besteht unsere „SAM-CAM AI“ aus mehreren Sensoren und einem eingebauten Grafikprozessor, der die Daten sofort verarbeitet. So schaffen wir rund 60 bis 70 Hektar pro Stunde – bei voller Präzision.

Wie wichtig war das Zusammenspiel von Agrarwissenschaft und KI für den Erfolg?

Das war zentral. Alexander (Linn, der Co-Gründer, Anm. d. Red.) und ich, wir kommen beide von einem landwirtschafltichen Betrieb. Insbesondere während meiner Doktorarbeit beschäftigte ich mich viel mit der Fernerkundung von Unkraut. Alexander bringt die KI-Expertise aus seiner wissenschaftlichen Arbeit mit. Ohne dieses Zusammenspiel hätten wir das nicht geschafft. KI allein hilft wenig, wenn man nicht versteht, was da auf dem Feld passiert. Und umgekehrt bringt Agrarwissen nichts, wenn man die Algorithmen nicht richtig aufsetzt. Wir merken das auch jetzt: Wenn Informatiker ohne Agrarhintergrund dazukommen, müssen sie das Denken der Landwirtschaft erst lernen. Das ist eine eigene Welt.

Sie wurden mehrfach ausgezeichnet – zuletzt mit dem Stuttgarter Innovationspreis in der Kategorie “Start-Up”. Über welche Auszeichnung haben Sie sich besonders gefreut?

Der Innovationspreis “Moderne Landwirtschaft” war für uns bestimmt der wichtigste, weil er von der Praxis kommt. Die Jury bestand aus Leuten aus der Agrartechnik und Landwirtschaft, die genau wissen, wovon sie sprechen. Die Begründung war: Hier wurde etwas entwickelt, das ein reales Problem löst und die mit bestehender Technik eingesetzt werden kann. Das war für uns die schönste Bestätigung – und auch für unsere Kunden ein starkes Signal. Die Ehrung beim Stuttgarter Innovationspreis hat mich natürlich als Stuttgarter auch sehr gefreut, aber für die Firma war der Innovationspreis der entscheidendere Schritt.

Wie sehen Sie die Rolle von KI in der Landwirtschaft insgesamt?

Ich würde sagen: KI ist längst da, auch wenn das vielen gar nicht bewusst ist. Sie ist kein Zauberwerk, sondern im Grunde eine sehr datenhungrige Form von Statistik – aber sie funktioniert dort, wo klassische Methoden an ihre Grenzen stoßen. In der Landwirtschaft haben wir unglaublich viele Einflussfaktoren: Wetter, Boden, Nährstoffe, Pflanzenzustand. KI kann darin Muster erkennen, die wir als Menschen nicht mehr sehen. Wichtig ist, dass solche Technologien auch in Deutschland entwickelt und betrieben werden – sonst geben wir die Kontrolle über unsere Daten ab.

Was würden Sie heutigen Promovierenden oder Studierenden mitgeben, die über eine Gründung nachdenken?

Man muss lernen, sich zu fokussieren. In der Wissenschaft kann man sich erlauben, viele Fragen gleichzeitig zu verfolgen – im Unternehmertum geht das nicht. Dort zählt, dass etwas funktioniert und verkauft werden kann. Das war für mich der schwierigste Wechsel: von der wissenschaftlichen Neugier hin zum Denken in Produkten. Aber es ist auch befriedigend, wenn man sieht, dass die eigene Forschung tatsächlich Anwendung findet.

Wenn Sie heute durch den Hohenheimer Campus gehen – was denken Sie dann?

Ich bin oft dort, auch weil wir mehrere Studierende aus Hohenheim beschäftigen. Es ist faszinierend, wie schnell sich die Uni verändert. Ich war lange in der Fachschaft aktiv und sehe jetzt, dass schon wieder ganz neue Generationen da sind. Das zeigt, wie viel Dynamik in so einer Institution steckt. Und ich freue mich, dass manche Dinge trotzdem bleiben – zum Beispiel das Musizieren an Weihnachten, das wir damals in der Fachschaft ins Leben gerufen haben. Dass das heute noch weitergeführt wird, finde ich großartig.  

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