Hohes Marktpotential:
Forscher glauben an glanzvolles Comeback des Urkorns Emmer  [13.03.14]

Nach 500 Jahren Nischendasein: Studie der Universität Hohenheim belegt gute Erträge und Zuchtpotential des Urgetreides / Tipps für Anbau und Verarbeitung

Vergangenen Winter war das Saatgut bereits vergriffen und für die aktuelle Sommeraussaat gibt es keine passende Sorte: Urgetreide wie Emmer erfreuen sich bei Verbrauchern wachsender Beliebtheit. Landwirte, Müller, Bäcker und andere Lebensmittelproduzenten tun sich mit dem fast vergessenen Getreide noch etwas schwer. Doch eine neue Studie der Universität Hohenheim belegt: Mit den richtigen Sorten ist der Anbau des Urkorns nicht schwieriger, als der von alten Dinkelsorten. Auch der Ertrag ist vergleichbar. Und für die Herstellung neuer Emmer-Backwaren von Brot bis Nudeln hat die Arbeitsgruppe um Dr. Friedrich Longin von der Landessaatzuchtanstalt eine Reihe von Tipps erarbeitet. Im Bündnis mit Landwirten, Müllern und Produzenten will der Wissenschaftler dem Urkorn zum Comeback verhelfen: „Nach unseren Erkenntnissen hat Emmer ein sehr hohes Zucht- und Marktpotential“. Nach 500 Jahren Vergessenheit ist die Zeit reif für ein Comeback des Methusalems unter den Getreidearten. Kurzfassung der Studie, Fotos und Rohdaten unter www.uni-hohenheim.de/presse

Bis ins Mittelalter gehörten alte Arten wie Emmer und Einkorn zu den wichtigsten Getreidearten Europas. Dann verdrängten Dinkel und Weizen das Urgetreide von den Feldern. Ein Grund, vor allem Weizen liefert höhere Erträge. Außerdem ist er leichter zu verarbeiten: Bei Emmer – aber auch bei Dinkel – ist das Korn von einer Hülle fest umschlossen, was dem Müller einen zusätzlichen Arbeitsschritt abverlangt.

Dafür schätzen Verbraucher den höheren Anteil von Mineralstoffen und anderen Inhaltsstoffen von Emmer im Vergleich zu Weizen. Hinzu kommen ein kräftiger, nussiger Geschmack und das Flair eines sehr urtümlichen Produkts. Aus Emmer lässt sich ein dunkles, würziges Bier brauen.

 

Spitzensorten des Urkorn Emmer bringen ähnlichen Ertrag wie Dinkel

In einem großen Feldversuch hat Dr. Friedrich Longin nun einige Vorurteile gegen das Urgetreide als Mythen entlarvt. Dazu baute seine Arbeitsgruppe über 40 verschiedene Emmersorten an sieben Standorten an. Vier der Felder ließ er nach Regeln des Biolandbaus bewirtschaften. Die anderen drei nach Methoden der konventionellen, extensiven Landwirtschaft.

Einige Ergebnisse:

Vergleichbarer Ertrag: Zwei Sorten (RAMSES und dem HEUHOLZER KOLBEN) liefern die gleichen Erträge, wie der Klassiker unter den Dinkelsorten (Oberkulmer Rotkorn). „Der Durchschnittsertrag aller getesteten Emmer-Sorten lag bei 42 dt pro Hektar. Die Spitzensorten brachten es auf über 55 dt pro Hektar – was dem Ertrag der Dinkelsorte Oberkulmer Rotkorn entspricht.“

Vergleichbarer Anbau: Auch die Anforderungen für den Anbau gleichen ziemlich exakt den Anbauanforderungen der Dinkelsorte „Oberkulmer Rotkorn“. Typisch für diese Getreidearten sind ein hoher Wuchs von gut 140 cm. „Oberste Priorität im Emmeranbau ist die Erhaltung der Standfestigkeit, etwa durch geringe Düngung, späteren Fruchtfolgeplatz, Nutzen von Halmverkürzern und andere Maßnahmen.“

Vergleichbare Krankheitsanfälligkeit: Auch hier gleicht die Anfälligkeit des Emmers der des Dinkels. „In unserem Versuch kam es in einigen Fällen zu Blattflecken. Aus längerer Erfahrung mit Emmer kennen wir außerdem eine dem Dinkel ähnelnde Anfälligkeit gegenüber Mehltau und Braunrost.“

Das Fazit von Dr. Longin: „Der Landwirt sollte Emmer genauso anbauen wie die Dinkelsorte Oberkulmer Rotkorn, dann wird es ziemlich sicher klappen.“

 

Zuchtpotential des Urkorn Emmer noch lange nicht ausgereizt

„Die Sorten aus unserem Versuch gehen alle auf irgendwelche sehr alte, historische Körner zurück. Dabei haben wir hauptsächlich Sorten entdeckt, die entweder kurz und ertragsschwach oder lang und ertragsstark sind. Die ideale Kombination – kurze Halme mit hohem Ertrag – liegt noch nicht vor.“

Hier könnte die Züchtung ansetzen. „Unsere Versuche zeigen ein sehr hohes Potential für neue Kreuzungen.“ Allerdings sind auch die kurzen Sorten mit 120 cm Halmlänge vergleichsweise hoch. „Wir werden deshalb fortfahren, immer weitere alte Emmerherkünfte im Feld zu testen in der Hoffnung noch kürzere zu finden.“

 

Einzelne Körner. Bild: T. Miedaner

Einzelne Körner. Bild: T. Miedaner

Urkorn Emmer kämpft noch mit Vorurteilen

Bis dahin müssen Dr. Longin und seine Verbündeten jedoch auch Überzeugungsarbeit leisten. Denn trotz steigendem Interesse bei den Verbrauchern herrschen bei Landwirten, Müllern und Lebensmittelproduzenten noch althergebrachte Vorurteile gegen das Urkorn.

Ein Grund dafür sieht Dr. Longin darin, dass es bislang schwierig ist, gutes Saatgut zu bekommen. „Ein emsiger Landwirt kann zwar an so einigen Ecken Körner irgendwelcher Emmerherkünfte bekommen. Diese sind jedoch meist nicht vom Saatgutprofi ausgesucht und produziert. Meist sind es sogar Mischungen verschiedener Sorten.“

Ergebnis sei oft eine zweifelhafte Verarbeitungsqualität. „Die Folge ist Unzufriedenheit beim Müller oder Verarbeiter, der dann die Art Emmer schnell komplett fallen lässt.“

 

Urkorn Emmer als interessante Alternative für Brot und Nudeln

Neben den Feldversuchen laufen derzeit noch genaue Untersuchungen zur Backqualität und –verhalten. Einige Tipps kann Dr. Longin jedoch jetzt schon geben.

„Dinkel braucht eine geringere Teigtemperatur. Wichtig ist außerdem, den Teig nicht zu kneten, sondern nur zu Mischen.“ Auch der Einsatz von Ascorbinsäure oder Acerolakirschsaftpulver helfe viel.

„Ein Mischbrot mit Roggen oder Dinkel sollte fast immer gehen. Durch seine enge Verwandtschaft zu Hartweizen, sind Emmerkörner gerne etwas härter und glasiger – das macht sie also auch zu einer attraktiven Alternative für die Nudelindustrie.“

Für Dr. Longin steht fest: „Emmer hat das Potential, vom Liebhaberobjekt zu einer echten Marktalternative zu werden“. Da er dem Dinkel so ähnlich sei, biete sich als Start eine enge Zusammenarbeit zwischen Dinkelfachmännern in Landwirtschaft, Müllerei und Verarbeitung an.

 

Urkorn Emmer: Infotag am 8. Juli und Informationsplattform im Internet

Für Interessierte bieten Dr. Longin und Mitarbeiter mehrere Möglichkeiten zur Information und Beteiligung:

Eine Internetplattform zum Kennenlernen und Informationsaustausch in dem sozialen Netzwerk Xing ermöglicht es allen Interessierten, sich kostenfrei registrieren, ihr eigenes Profil anlegen und mit Kollegen über Emmer, Einkorn und Dinkel zu fachsimpeln. Link: www.xing.com/go/group/90365.e2bae8/9015434

Eine Kurzzusammenfassung des Feldversuches befindet sich auf der Homepage der Landessaatzuchtanstalt unter www.uni-hohenheim.de/presse/

Ein Informationstag am 8. Juli in Stuttgart-Hohenheim bietet praktische Information durch Vorträgen, Feldführungen und Produktvorstellungen.

Text: Klebs

Kontakt für Medien:

Dr. Friedrich Longin, Universität Hohenheim, Landessaatzuchtanstalt, Tel.: 0711/459-23846, E-Mail: Friedrich.Longin@uni-hohenheim.de


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