Nachhaltige Hanfbauweise:
Universität Hohenheim weiht „Raum der Stille“ ein [25.07.25]
Besonderer Ort dank besonderer Kooperation: Studierende der HFT Stuttgart gestalten nachhaltigen Rückzugsort für die Universität Hohenheim
Hanf beschäftigt Forschende der Universität Hohenheim in Stuttgart auf vielfältige Weise – und nun profitieren auch Studierende und Beschäftigte von einer ganz besonderen Nutzungsform: Anlässlich des Hanf- und Saflor-Feldtags der Landessaatzuchtanstalt weihte die Universität Hohenheim heute ihren neuen „Raum der Stille“ ein – nachhaltig errichtet mit Wänden aus Nutzhanf. Der Raum ist an das Büro für Gleichstellung und Diversität angegliedert und soll künftig als Ort der Ruhe und Erholung im hektischen Universitätsalltag dienen. Die architektonische Gestaltung und bauliche Umsetzung erfolgte in enger Zusammenarbeit mit Studierenden der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT Stuttgart).
Steckdosen und WLAN sucht man in diesem Raum vergebens. Die Einrichtung ist schlicht, das Tageslicht gedämpft. Wer eintritt, hält unweigerlich einen Moment inne: Was für ein Kontrast zum lebhaften Treiben vor der Mensa, zu den Vorlesungen im benachbarten Audimax oder zum Online-Meeting, das eben noch im Büro stattfand.
Einmal angekommen, schärfen sich die Sinne für die Besonderheiten des Raums: das angenehme Raumklima, die gute Schall- und Wärmedämmung, das sofort spürbare Wohlbefinden – all das ist kein Zufall. Es liegt an der besonderen Bauweise mit Nutzhanf: 100 Prozent schadstofffrei, 100 Prozent recyclingfähig.
Herzensprojekt nimmt Gestalt an
Über das Gesicht von Prof. Dr. Ute Mackenstedt huscht heute immer wieder ein Lächeln. Die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Hohenheim und ihre Mitarbeiterinnen im Büro für Gleichstellung und Diversität haben sich über zehn Jahre für das Projekt stark gemacht.
Dass der Raum heute feierlich eingeweiht werden kann, ist nicht zuletzt ihrem unermüdlichen Einsatz und der engen Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik Stuttgart zu verdanken. Ermöglicht wurde das Vorhaben auch durch die großzügige Unterstützung der Universitätsstiftung Hohenheim und des Universitätsbunds, ergänzt durch zentrale Mittel der Universität sowie des Büros für Gleichstellung und Diversität.
Das Ergebnis überzeugt: „Studierende und Beschäftigte der Universität Hohenheim werden sich hier wohlfühlen und die Ruhe finden, die wir im hektischen Universitätsalltag oft vermissen“, ist sich Prof. Dr. Mackenstedt sicher.
Ab dem kommenden Wintersemester steht der Raum der Stille allen Universitätsangehörigen offen. Organisatorisch und auch räumlich ist er dem Büro für Gleichstellung und Diversität in der Emil-Wolff-Straße 30 zugeordnet.
Ein Raum für alle – im Zeichen der Diversität
„Vielfalt und ein gutes Miteinander sind das große Potenzial unserer Universität“, erklärt Prof. Dr. Mackenstedt dazu. „Wissenschaft lebt von unterschiedlichen Perspektiven, vom Austausch vielfältiger Argumente und demokratischen Strukturen. Dafür bietet die Universität Hohenheim hervorragende Bedingungen.“
Tatsächlich ist die Campus-Gemeinschaft geprägt von Studierenden und Beschäftigten aus aller Welt: mit unterschiedlichen Kulturen, Religionen, sozialen Hintergründen und Fähigkeiten. Digital Natives der Generation Z treffen auf erfahrene Professor:innen, die ihre Forschung selbst über den Ruhestand hinaus fortsetzen. Auch in ihrer familiären und gesundheitlichen Situation, ihrer geschlechtlichen Identität oder darin, wen sie lieben, unterscheiden sich die Universitätsangehörigen.
„Diese Vielfalt ist eine Bereicherung – bringt aber auch unterschiedliche Bedürfnisse mit sich“, betont Prof. Dr. Mackenstedt. „Der neue Raum der Stille soll dazu beitragen, diesen besser gerecht zu werden. Als neutraler Ort ist er bewusst keiner Religion oder Weltanschauung zugeordnet. Alle Universitätsangehörigen sollen sich hier willkommen fühlen – sei es zur Entspannung und Erholung, zur Meditation oder zum stillen Gebet.“
Wände aus Hanf – gestaltet von Studierenden der HFT Stuttgart
Zur Wohlfühl-Atmosphäre des Raumes trägt entscheidend seine außergewöhnliche Gestaltung bei. Die Wände bestehen aus Hanfkalk – eine Mischung aus Hanfschäben, Kalk und Wasser. Das Gemisch wurde auf der Baustelle („in-situ“) verarbeitet, schichtweise in eine Schalung gefüllt und mechanisch verdichtet. Der Baustoff ist wärmedämmend, kreislauffähig, schwer entflammbar, schimmelresistent, unattraktiv für Schädlinge und schadstofffrei – ideal für wohngesunde und langlebige Innenräume. Neben den optischen Reizen des Materials führt die offenporige Oberfläche zu einer Verbesserung der Raumakustik.
Abgerundet wird das konzentrierte Raumerlebnis durch Sitzbänke aus Eiche und eine selbst gestaltete Leuchte. Vom Entwurf, über die Planung bis zur Umsetzung waren Studierende des Studiengangs Innenarchitektur der HFT Stuttgart beteiligt. Geleitet wurde das Projekt von Prof. Jens Betha, der von Sabine Wiesend während ihrer Zeit als Lehrbeauftragte an der HFT Stuttgart unterstützt wurde. Wiesend ist heute Professorin an der Technischen Hochschule Deggendorf.
Nutzhanf – der vergessene Tausendsassa
Ob als Superfood, Speiseöl, Heilpflanze, Faserlieferant oder nachhaltiger Baustoff: Hanf erlebt in den letzten Jahren eine Renaissance. Über Jahrhunderte hinweg wurde die vielseitige Kulturpflanze in Europa angebaut. Doch im 20. Jahrhundert ging ihre Nutzung aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen stark zurück – und damit auch die Verfügbarkeit von Saatgut und das praktische Anbauwissen.
Tatsächlich ist Nutzhanf anspruchsvoll: Die Pflanzen werden bis zu fünf Meter hoch, entziehen dem Boden viele Nährstoffe und können nur mit Spezialmaschinen geerntet werden. Auch die Züchtung ist komplex, denn je nach Einsatzbereich sind unterschiedliche Eigenschaften gefragt: etwa ein hoher Ölgehalt, viel Biomasse oder feine Fasern.
„Spezialisierte Zuchtprogramme sind jedoch aufwendig und kostenintensiv – und damit ein Risiko für privatwirtschaftliche Unternehmen. Die Landessaatzuchtanstalt übernimmt hier eine wichtige Rolle: Denn wir verfügen über das nötige wissenschaftliche Know-how, umfassende Kenntnisse entlang der gesamten Wertschöpfungskette, und über alle behördlichen Genehmigungen für den Zuchtprozess“, erläutert Dr. Patrick Thorwarth, Leiter der Landessaatzuchtanstalt an der Universität Hohenheim.
Beim Hanf- und Saflor-Feldtag gaben Forschende der Universität Hohenheim und ihre Partner heute Einblicke in aktuelle Praxisprojekte, die das enorme Zukunftspotenzial der traditionsreichen Kulturpflanze verdeutlichen. Ein idealer Rahmen somit auch für die Einweihung des neuen „Raums der Stille“: Dem ersten Raum auf dem Campus, der mit Hanfwänden veredelt wurde.

Über 10 Jahre stark gemacht: Prof. Dr. Ute Mackenstedt (3.v.r.), Dipl. oec. Rotraud Konca (5.v.r.), das Team des Büros für Gleichstellung und Diversität, Handwerker und Kanzlerin Dr. Katrin Scheffer der Uni Hohenheim freuen sich, dass der Raum nun endlich Wirklichkeit wurde. Möglich war das durch Studierende des Studiengangs Innenarchitektur der HFT Stuttgart unter der Leitung von Prof. Jens Betha (5.v.l.). Zur Einweihung war auch die Kanzlerin der HFT Stuttgart, Dr. Doreen Kirmse, anwesend (1.v.l.)
Bildquelle: Universität Hohenheim/Corinna Schmid
Text: Leonhardmair
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Ute Mackenstedt, Universität Hohenheim, Gleichstellungsbeauftragte,
+49 711 459 22275, mackenstedt@uni-hohenheim.de
Dr. Patrick Thorwarth, Universität Hohenheim, Leiter der Landessaatzuchtanstalt,
+49 711 459-22670, patrick.thorwarth@uni-hohenheim.de
Prof. Jens Betha, Hochschule für Technik Stuttgart,
jens.betha@hft-stuttgart.de