Radikale Reform:
Rektor will alle Potentiale des Hochschulfinanzierungsvertrags nutzen [02.04.15]
Universität Hohenheim ordnet Ressourcenströme neu. „Wir wollen die Vorteile des Hochschulfinanzierungsvertrages an alle Universitätsangehörige weitergeben“
Weniger Bürokratie, mehr Arbeitskraft und Dauerstellen für Daueraufgaben sind die Ziele einer radikalen Reform aller Finanzströme an der Universität Hohenheim: „Das Land hat uns mit dem Hochschulfinanzierungsvertrag eine einmalige Chance eröffnet. Diese Vorteile wollen wir nutzen und an alle Universitätsangehörige weitergeben“, so das Ziel von Prof. Dr. Stephan Dabbert, Rektor der Universität Hohenheim. Senat und Universitätsrat stellten sich hinter die Pläne des Rektors.
„Hochschulfinanzierungsvertrag“ (kurz: HoFV) – so nennt sich die Vereinbarung, die das Land und seine Hochschulen am 9. Januar 2015 feierlich unterzeichneten. Sie regelt, wie viel Geld die Landeshochschulen zu welchen Bedingungen bis ins Jahr 2020 erhalten.
Besonders wertvoll darin sind drei Neuerungen, die es der Universität erlauben, ihre Finanzströme radikal umzubauen:
• Vereinfachte Vorschriften des Landes: Bislang erhielt die Universität Hohenheim einen Teil ihrer Finanzen über eine Reihe von Sonderprogrammen (Ausbauprogramm 2012, Masterprogramm 2016, Qualitätssicherungsmittel). Jedes Programm hatte eigene Regeln für Verwendung und Verwaltung. Nun sollen sie schrittweise in den Grundhaushalt überführt werden, über den die Universität frei verfügen kann.
Einschätzung des Rektors: „Das spart Zeit, Geld, Verwaltungsarbeit und setzt Arbeitskraft für unsere eigentlichen Aufgaben frei.“
• Mehr unbefristetes Personal: Bislang hatten das Land, technische Entwicklungen und neue Gesetze immer wieder neue Aufgaben geschaffen. Das Personal dazu durfte die Universität Hohenheim aber nur befristet einstellen. Der HoFV erlaubt der Universität nun, in beträchtlichem Umfang diese Daueraufgaben auch mit Stellen zu unterlegen. Die Mitarbeiter auf diesen Stellen können unbefristet beschäftigt werden.
Einschätzung des Rektors: „Eine solche Chance haben die Universitäten seit einigen Jahrzehnten nicht bekommen.“
• 2,49 Mio Euro für Kosten von Energie und Energiespar-Contracting: Bislang musste die Universität Hohenheim die steigenden Energiekosten aus dem Etat für Forschung und Lehre bezahlen. Als erste Landesuniversität investierte sie deshalb in Energiesparmaßnahmen (sog. Contracting) und verpflichtete einen preisgünstigen Öko-Strom-Anbieter. Die Kostensteigerungen für Energiebewirtschaftung seit 1997 sollen ihr künftig in Höhe von 2,49 Mio. Euro/Jahr ausgeglichen werden.
Einschätzung des Rektors: „Dieses frische Geld ist die finanzielle Basis, auf der unsere gesamte Reform letztlich fußt.“
„Land und Wissenschaftsministerin korrigieren dramatische Fehlentwicklung“
Laut Rektor Prof. Dr. Dabbert seien es diese Vertragsteile, die die Universität nun wieder zukunftsfähig machen.
„Das ganze System der Ressourcenausstattung krankte in den vergangenen Jahren zunehmend an Webfehlern, die die Universitäten in eine Sackgasse führten“, so die Einschätzung des Rektors. „Es ist der hohe politische Verdienst der Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, dass sie diese in einem mutigen Schritt ausgeglichen hat.“
Das Rektorat will diese Vorteile nutzen und die verwickelten Finanzströme in Hohenheim vereinfachen. Im Kern lauten die Ziele des Rektors:
• Bürokratie abbauen, Ressourcen für Fakultäten und Lehrstühle erhöhen,
• Dauerstellen für Daueraufgaben schaffen.
Ziel 1: Bürokratie abbauen und Ressourcen erhöhen
Wie auch die Uni selbst sollen Lehrstühle, Fakultäten und andere Einrichtungen künftig alle Gelder des Rektorates in einer einzigen Grundzuweisung bekommen – und das schon im Januar. Dafür entfallen Anträge, Berichte und Gremiensitzungen, um Geld aus den früheren Sondertöpfen zu verteilen.
Außerdem streicht das Rektorat die Stellensperre: Bislang mussten alle Stellen in der Verwaltung und den Fakultäten bei jedem Mitarbeiterwechsel einige Wochen bis Monate unbesetzt bleiben. Die eingesparten Lohnkosten flossen auf ein zentrales Sparbuch, um anderswo wieder Leute einzustellen. Künftig soll jede Stelle sofort besetzt werden können, so dass keine Lücken entstehen und kein Wissen verloren geht.
„Die Stellensperre gehört zu den schlimmsten Auswüchsen der Mangelverwaltung der vergangenen 15 Jahre“, urteilt Prof. Dr. Dabbert. Durch die Stellensperre hätten Fakultäten und Verwaltung jährlich fast 2 Mio. Euro an Lohnkosten einsparen müssen.
Eine Summe, die sich auch direkt in Arbeitskraft umrechnen lässt: „2 Millionen Euro pro Jahr entspricht rund 40 Vollzeit-Mitarbeitern, deren Arbeitskraft den Lehrstühlen, Fakultäten und der Verwaltung nun wieder zur Verfügung stehen.“
Anstelle der Qualitätssicherungsmittel plant das Rektorat eine spezielle Zuweisung für die Lehre. Auch diese Zuweisung soll mit der Grundausstattung direkt im Januar an Lehrstühle, Fakultäten und entsprechende Einrichtungen gehen.
Zusätzlich will das Rektorat die Fachgebiete aus den Ausbauprogrammen 2012 und 2016 in reguläre Lehrstühle umwandeln. Bisher haben diese Professuren nur ein festes Budget, das trotz steigender Lohn-Kosten über die Jahre gleich bleibt, um Mitarbeiter für Forschung und Lehre, in Sekretariaten und Laboren – befristet – einzustellen. Künftig sollen auch diese Professuren eine reguläre Grundzuweisung erhalten.
Auch an den 2012-Lehrstühlen sollen die Daueraufgaben im wissenschaftsunterstützenden Bereich grundsätzlich durch unbefristete Mitarbeiter erledigt werden. Diese Änderung sei zwar laut Vertrag aber erst 2020 möglich. In Hohenheim soll es jedoch eine Zwischenlösung geben, die das grundsätzliche Befristungsproblem bei den nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern an 2012-Lehrstühlen löst und bei den Lehrstuhlinhabern für Planungssicherheit sorgt.
Ziel 2: Dauerstellen für Daueraufgaben schaffen
Ob neue Vorschriften in Arbeitsschutz, Datenschutz, steigende Studierendenzahlen, zusätzliche Personalräte oder inzwischen schon selbstverständliche technische Entwicklungen, wie das Internet: All diese Aufgaben benötigen Menschen, die sie umsetzen. Im Stellenplan des Landes waren diese Mitarbeiter jedoch bislang nicht vorgesehen.
Allerdings erlaubte das Land den Universitäten bislang nicht, neue Mitarbeiter auf Dauer dafür einzustellen. Die Folge: Auch an der Universität Hohenheim werden viele wichtige Daueraufgaben von Mitarbeitern mit befristeten Arbeitsverträgen erledigt. Betroffen sind laut Rektor vor allem nichtwissenschaftliche Stellen an Fakultäten und Lehrstühlen, der Verwaltung, der Universitätsbibliothek, der EDV oder den wissenschaftlichen Zentren.
„Das Land hat die Universitäten über Jahre hinweg in eine Ecke hineinmanövriert. Zu Ende gedacht wären wir schließlich vor der Entscheidung gestanden, ob wir das Internet abstellen oder Unterlagen für ausländische Studierende nicht mehr übersetzen, weil das inzwischen Daueraufgaben geworden sind, die wir nicht mehr befristet vergeben dürfen“, so der Rektor.
In diesem Jahr erlaubt es das Land einmalig, einen Großteil der Qualitätssicherungsmittel (QSM) in neue, unbefristete Stellen umzuwandeln. Da die QSM-Mittel jedoch speziell für die Lehre vorgesehen waren, will das Rektorat diesen Schritt durch die spezielle Zuweisung für die Lehre ausgleichen (s.o.).
Auf diese Weise sollen insgesamt 67,5 neue Stellen entstehen. In vielen Fällen bedeute das jedoch keinen Zuwachs an Arbeitskraft. Denn meistens handele es sich dabei um Mitarbeiter, die andernfalls die Universität in Kürze verlassen müssten.
Ein weiterer Teil der Reform: Der Großteil der neuen Stellen soll für Mitarbeiter in Verwaltung und Technik entstehen. Denn hier bestehe der größte Druck, befristete Beschäftigungsverhältnisse in Dauerstellen umzuwandeln. Im Gegenzug erhalten Fakultäten und Institute mehr Geld zur freien Verfügung.
„Dabei handelt es sich um ein spezielles Problem im nichtwissenschaftlichen Bereich“, begründet der Rektor. „Ein wichtiger Teil der Beschäftigten im wissenschaftlichen Bereich sind Doktoranden und andere Nachwuchswissenschaftler. Ihre Beschäftigung dient also der Qualifizierung. Hier wollen wir gezielt befristet beschäftigen, damit der Nachwuchs immer eine Chance hat“. Dennoch bestehe auch hier noch Handlungsbedarf (s.u.)
Insgesamt sind 75 % der neuen Stellen dafür vorgesehen, Befristungsprobleme in Verwaltung und Technik zu lösen. Die restlichen 25 % fließen in den wissenschaftlichen Dienst: „Hier wollen wir auch einige neue Akzente setzen, zum Beispiel bei unseren neuen wissenschaftlichen Zentren.“
Handlungsbedarf bei Arbeitsverträgen für wissenschaftliche Mitarbeiter
Arbeitsverträge von wissenschaftlichen Mitarbeitern sind ein Thema, das inzwischen bundesweit sehr hitzig diskutiert wird. So hat sich u.a. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka dafür ausgesprochen, längere Mindestdauern bei Zeitverträgen der Universitäten einzuführen.
Auch an der Universität Hohenheim wird dieses Thema derzeit intensiv diskutiert. Vor eineinhalb Jahren hatte der Senat deshalb eine Mittelbau-Richtlinie beschlossen und vergangenen Herbst als „Code of Conduct für wissenschaftliche Beschäftigte“ bekräftigt. Kern der Regelung ist eine freiwillige Selbstverpflichtung auf:
• Mindestvertragsdauer von einem Jahr bei Finanzierung aus Projektgeldern
(bzw. in der Regel drei Jahre bei Finanzierung aus verlässlichen Haushaltsmitteln), Ausnahmen sind in begründeten Fällen möglich,
• Begründungspflicht für Teilzeitverträge mit weniger als 50 %,
• Kürzere Brückenverträge zur Überbrückung von zwei Projektverträgen.
Tatsächlich würden Arbeitsverträge für wissenschaftliche Mitarbeiter wahrscheinlich immer in einem Spannungsfeld liegen, urteilt Prof. Dr. Dabbert. Den Beschäftigten sollen sie möglichst viel Verlässlichkeit geben. Gleichzeitig müssen sich die Verträge den Projekten anpassen. Manchmal seien sogar Kurzzeit-Verträge wünschenswert, um eine Forschungsarbeit abzuschließen.
„Unser damaliger Kompromiss erschien uns allen pragmatisch und umsetzbar – er entspricht allerdings nicht all den Vorgaben des Hochschulfinanzierungsvertrages und auch nicht den Signalen aus Berlin“, so der Rektor.
Sobald die neuen Vorgaben durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz absehbar seien, wolle sich die Universität dem Thema erneut annehmen. „Fest steht jedoch, dass wir unseren Beschluss noch einmal überarbeiten müssen.“
Gleichzeitig appellierte der Rektor an die öffentlichen Drittmittelgeber, alle Projekte künftig mit einer Laufzeit zu bewilligen, die den politischen Vorgaben über die Vertragsdauer für Doktoranden und Postdocs mindestens entspreche.
Text: Klebs