Pressekonferenz:
Forschungsprojekt beleuchtet Klimawandel und Folgen in Deutschland [02.12.11]
Wissenschaftliches Neuland: Integrierter Forschungsansatz der Universität Hohenheim soll detaillierte Prognosen und Hilfen für Entscheider liefern;
Pressekonferenz am 09.12.2011, 10:00 Uhr, Schloss Hohenheim, Grüner Saal, 70599 Stuttgart
Lokal handeln: Während die Weltgemeinschaft auf der Klimakonferenz in Durban um politische Lösungen ringt, untersucht ein Forschernetzwerk der Universität Hohenheim welche konkrete Auswirkungen der Klimawandel im Detail und vor Ort haben wird und welche Anpassungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft vielversprechend sind. Wissenschaftlich betreten sie Neuland: Denn erstmals bezieht die Forschung auch den handelnden Menschen und die sich ändernde Landnutzung mit ein. Ihr Ziel: Prognosen von bisher unerreichter Genauigkeit – und konkrete Handlungsoptionen für Entscheider auf Betriebs- und Landkreisebene bis zur EU. Dabei kooperiert die Universität Hohenheim mit dem Helmholz-Zentrum München. Die Pressekonferenz gibt Einblick in die laufende Arbeit.
Bisher basieren Computermodelle für Klima-Prognosen vor allem auf Physik. Doch die Wirklichkeit ist komplexer, meint Prof. Dr. Thilo Streck, Sprecher des Verbundprojektes „Regionaler Klimawandel“ am Life Science Center der Universität Hohenheim: „Fünfzig Prozent der Fläche in Deutschland werden landwirtschaftlich genutzt. Und für das regionale Klima macht es tatsächlich einen Unterschied, ob dort zartgrüne Keimlinge, leuchtend gelber Raps oder abgeerntete Stoppelfelder überwiegen. Denn Pflanzenart und –farbe haben einen enormen Einfluss auf Wärmeverteilung, Verdunstung und damit auf das regionale Klima.“
In den bisherigen Modellen würden solche Effekte jedoch vernachlässigt. Mit dem Ergebnis, dass regionale Prognosen bisher meist noch daneben liegen.
Ebenfalls vernachlässigt: der Faktor Mensch. „Gerade Landwirte werden sich auf den Klimawandel einstellen“, erklärt Agrarökonom Prof. Dr. Thomas Berger. „Mögliche Szenarien wären, dass sie bei starker Trockenheit Mais oder vielleicht Hirse statt Weizen anbauen. Wenn das großflächig geschieht, hat das wieder einen Einfluss auf das Klima, der bislang unberücksichtigt bleibt.“
Einmaliger Forschungsansatz
In einem neuen Forschungsansatz vereinen deshalb Wissenschaftler aus ganz unterschiedlichen Disziplinen ihr Expertenwissen. Ihr Ziel: den regionalen Klimawandel genauer vorherzusagen und Entscheidern verschiedene Handlungsoptionen zu zeigen.
Im ersten Schritt ist die Arbeitsgruppe um den Meteorologen Prof. Dr. Volker Wulfmeyer dabei, die Klimamodelle selbst zu verbessern: „Die regionalen Klimamodelle müssen eine viel höhere Auflösung bekommen. Außerdem müssen die komplexen Wechselwirkungen zwischen der Landoberfläche, den Wolken und dem Niederschlag besser verstanden und im Computermodell berücksichtigt werden.“, so der Meteorologe.
Das Ergebnis kombinieren die Forscher um Prof. Dr. Streck mit spezieller Software, die das Pflanzenwachstum simuliert: „Wir koppeln die Meteorologie mit dem Pflanzenwachstum. Uns interessiert etwa, wie sich die Wachstumsphasen der Pflanzen und der Pflanzenertrag ändern, wie sich die Verdunstung ändert und wie diese Änderung wieder das Klima verändert.“
Als dritten Schritt ergänzen die Ökonomen um Prof. Dr. Berger Physik und Biologie um den Faktor Mensch: „Ein Klimamodell ohne Politik und Markt kann nicht funktionieren. Wir schauen uns genau an, wie Landwirte auf verschiedene Szenarien reagieren, welche Auswirkungen das hat und welche Stellschrauben es für die Politik gibt.“
Eine Besonderheit ist die Arbeitsgruppe um den Pflanzenökologen Prof. Dr. Andreas Fangmeier. In seinen Klimakammern, Gewächshäusern und speziellen Versuchsfeldern herrscht heute schon das Klima, wie es in Jahrzehnten sein könnte. Ihn interessiert, wie sich die Qualität unserer Nahrung von morgen verändert: „Wärme, Niederschlag und der CO2-Gehalt der Luft – das alles hat Auswirkungen auf die Inhaltsstoffe von Pflanzen.“ Weshalb es sein könnte, dass sich mit dem Klimawandel auch Küche und Essverhalten ändern.
Messstationen im Kraichgau und auf der Schwäbischen Alb
Für ihre Forschung bauten die Wissenschaftler eine Reihe von Messstationen in zwei Versuchsgebieten in Baden-Württemberg auf. Dabei wählten sie zwei Extreme: den Kraichgau als klimatisch günstigen Standort mit guten Böden. Und die Schwäbische Alb mit ihrem rauen Klima und dem kargen Untergrund.
Die Methoden, die sie dort entwickeln, sollen aber weltweit einsetzbar sein. „Unser mittelfristiges Ziel ist es, Aussagen für ganz Europa zu machen. Aber mit unseren Werkzeugen ließe sich dann auch der regionale Klimawandel in Afrika, Asien oder Amerika genauer vorhersagen“, so Prof. Dr. Streck.
Auf der Pressekonferenz am 9. Dezember 2011 stehen Ihnen die genannten Wissenschaftler für Ihre Fragen zur Verfügung.
Text: Klebs
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Thilo Streck, Universität Hohenheim, Fachgebiet Biogeophysik, Tel.: 0711/459-22796, E.Mail: thilo.streck@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Thomas Berger, Universität Hohenheim, Fachgebiet Ökonomik der Landnutzung in den Tropen und Subtropen, Tel.: 0711/459-24116, E-Mail: i490d@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Volker Wulfmeyer, Universität Hohenheim, Institut für Physik und Meteorologie, Tel.: 0711/459-22150, E-Mail: volker.wulfmeyer@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Andreas Fangmeier, Universität Hohenheim, Fachgebiet Pflanzenökologie mit Ökotoxikologie, Tel.: 0711/459-22189, E-Mail: andreas.fangmeier@uni-hohenheim.de