Ein Jahr nach Verabschiedung:
Senatsbeschluss für bessere Arbeitsverträge im Mittelbau zeigt Erfolge [06.11.14]
Landesweit erste freiwillige Selbstverpflichtung einer Universität im Senat erneut bekräftigt / Landesrektoren wollen Modell der Universität Hohenheim als „Code of Conduct“ übernehmen
Es war die erste und lange Zeit einzige Selbstverpflichtung, mit der eine Universität in Baden-Württemberg beschloss, Schritte für längere Vertragslaufzeiten für ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter zu ergreifen. Eine aktuelle Auswertung zeigt: Ein gutes Jahr nach dem Experiment stehen die ersten Verbesserungen bereits fest. Der Senat der Universität Hohenheim bestätigte den Beschluss von 2013 deshalb als sogenannten „Code of Conduct“ erneut in seiner gestrigen Sitzung. Die anderen Landesuniversitäten wollen es ihm noch in diesem Jahr gleichtun.
„Unsere Analyse zeigt: Auch eine freiwillige Selbstverpflichtung zeigt Wirkung. Wir brauchen kein Gesetz, dass konkrete Vorgaben macht. Das wäre sogar kontraproduktiv“, so das Fazit des Universitätsrektors Prof. Dr. Stephan Dabbert.
Im Detail zeige die Analyse auch, dass die Universität vor allem dann lange Arbeitsverträge anbiete, wenn deren Finanzierung dauerhaft gesichert sei. „Eine bessere Grundfinanzierung und mehr Personalstellen lösen das Problem kurzer Arbeitsverträge besser, als jedes Gesetz das kann.“
In einigen Fällen seien kurze Verträge auch sinnvoll. Zum Beispiel um wenige Monate zwischen zwei Projekten zu überbrücken. Oder um Mitarbeitern mehr Zeit einzuräumen, um ein Forschungsprojekt abzuschließen. „Die einzige Alternative dazu wäre gar kein Vertrag und Arbeitslosigkeit“, so Prof. Dr. Dabbert.
Arbeitssituation der Nachwuchswissenschaftler spitzte sich über Jahre zu
An sich sind häufige Wechsel zwischen Arbeitsplätzen und kurze Vertragslaufzeiten bereits seit vielen Jahren die typischen Kennzeichen für den Karriere-Abschnitt eines Forschers zwischen Promotion und Professur.
Ein Grund dafür ist, dass viele Verträge über Drittmittel finanziert werden. Das sind Forschungsgelder, die an konkrete Projekte gebunden und befristet sind. Und die Abhängigkeit der Universitäten von diesen Geldern nimmt zu.
Doch die Entwicklungen der vergangenen Jahre schreckten sowohl Nachwuchswissenschaftler als auch Politiker auf. Demnach seien die Vertragslaufzeiten des sogenannten Mittelbaus in den vergangenen Zeiten immer kürzer geworden. Ein Trend, den die Universität Hohenheim mit eigener Statistik bestätigen konnte.
Universität Hohenheim steuert dem Trend bereits 2013 entgegen
Als einzige Universität Baden-Württembergs beschloss der Senat der Universität Hohenheim damals freiwillig, dem Trend gegenzusteuern. Mit ihrer „Mittelbaurichtlinie“ sah die Universität eine Mindest-Vertragsdauer von einem Jahr vor. Soweit die Stelle aus verlässlichen Haushaltsmitteln finanziert werde, sah sie sogar eine Regeldauer von drei Jahren vor. Ausnahmen sollte es in begründeten Fällen auch weiterhin geben.
Im Zuge des Hochschulfinanzierungspaktes erwartet die Landesregierung, dass die Hochschulen „Konzepte für gute Arbeitsverhältnisse und Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs erarbeiten und umsetzen.“
Im Anschluss daraufhin beschloss auch die Landesrektorenkonferenz, die Vorlage aus Hohenheim mit einem eigenen „Code of Conduct zu Vertragsverlängerungen und Vertragslaufzeiten für den Mittelbau“ aufzunehmen.
Dank Selbstverpflichtung stiegen Vertragslaufzeiten um 30 Prozent
Dass die vorgesehenen Maßnahmen Wirkung zeigen, belegte der Rektor der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Stephan Dabbert mit einer ersten Auswertung in der gestrigen Senatssitzung. So habe der Beschluss aus dem Herbst 2013 im ersten Halbjahr 2014 folgende Ergebnisse gebracht:
Insgesamt
• nahm die durchschnittliche Vertragslaufzeit um 31 % zu
(und beträgt damit jetzt 14 Monate)
• sank der Anteil der Verträge mit einer Laufzeit unter einem Jahr um 30 %
(beträgt damit aber immer noch 54 %)
Bei den öffentlich und dauerhaft finanzierten Planstellen
• nahm die durchschnittliche Vertragslaufzeit um 80 % zu
(und beträgt damit jetzt 21 Monate)
• sank der Anteil der Verträge mit einer Laufzeit unter einem Jahr um 54%!
(beträgt damit aber immer noch 48 %)
Bei den projektgebundenen Verträgen aus Drittmitteln
• nahm die Vertragslaufzeit um 8 % zu
(und beträgt damit jetzt 11 Monate)
• sank der Anteil der Verträge mit einer Laufzeit unter einem Jahr um 19 %
(beträgt damit aber immer noch 63 %)
Universität braucht Sicherheit, um Arbeitnehmern Sicherheit zu geben
„Mit etwas Goodwill und verbesserten Strukturen lässt sich die Arbeitssituation des Mittelbaus durch eine freiwillige Selbstverpflichtung verbessern“, so die Analyse des Rektors Prof. Dr. Dabbert. Die Analyse belege aber auch, wie stark die Universität von ihren Geldgebern abhängig sei.
„Die Zahlen zeigen, dass die Universität ihren Mitarbeitern vor allem da Sicherheit geben kann, wo sie selbst Sicherheit hat: Nämlich bei den Planstellen, die uns das Land dauerhaft zur Verfügung stellt“, so Prof. Dr. Dabbert.
Nicht jeder Kurzzeitvertrag ist tatsächlich auch problematisch
Gleichzeitig sei die Universität aber zunehmend darauf angewiesen, befristete Projektgelder für befristete Forschungsprojekte einzuwerben. „Auch wir haben diese Mittel auf gut 33 Millionen Euro gesteigert. In den Agrarwissenschaften sind wir sogar die erfolgreichste Universität in Sachen Drittmittelquote“, rechnet der Rektor vor.
Unter Wissenschaftlern gilt die Höhe der Drittmittel als Aushängeschild – denn der Wettbewerb um die Gelder sei hart und nur die jeweils Besten könnten sich durchsetzen. „Die Kehrseite der Medaille ist, dass langfristige Arbeitsverhältnisse so immer weniger möglich sind – es sei denn, das Land würde unsere Grundausstattung an Personal erhöhen.“
Deshalb warnte der Rektor davor, Kurzverträge pauschal als Zumutung anzusehen. Sehr oft käme es auf den Einzelfall an: „Wenn zwischen zwei Projekten einmal zwei Monate Leerzeit liegen, ist es sicher im Interesse eines Wissenschaftlers, einmal einen Zweimonatsvertrag zur Überbrückung zu bekommen.“
Senat bekräftig Selbstverpflichtung einstimmig
In seiner gestrigen Sitzung bestätigte der Senat der Universität Hohenheim deshalb seine freiwillige Mittelbaurichtlinie von 2013 mit einigen Modifikationen als „Code of Conduct zu Vertragsverlängerungen und Vertragslaufzeiten für den Mittelbau“.
Zu diesen Modifikationen gehört:
• Die Möglichkeit von Brückenverträgen zwischen zwei Projektverträgen im Sinne des obigen Beispiels .
• Die Bestimmung, dass Teilzeitverträge mit einem Umfang von weniger als 50 Prozent begründungspflichtig sind.
Die Zustimmung zum „Code of Conduct“ fiel einstimmig aus.
Text: Klebs