Glücksspielsüchtige kosten Deutschland 326 Millionen Euro [05.09.11]
Studie der Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim beziffert erstmals Folgekosten nach WHO-Richtlinien
Arbeitslosigkeit, sozialer Abstieg und der Weg durch Therapien und Behörden: Eine Studie der Universität Hohenheim schätzt die Folgekosten der Glücksspielsucht in Deutschland für 2008 auf 326 Millionen Euro. Allein 225 Millionen davon verursachen Geldspielautomaten, Lotterien dagegen kaum mehr als 3 Millionen Euro. Prof. Dr. Tilman Becker von der Forschungsstelle Glücksspiel erhob die Zahlen erstmals nach den Standards der World Health Organisation (WHO). Glücksspielsucht bildet aber nur einen kleinen Bruchteil der sozialen Kosten: Beim Tabak- und Alkoholkonsum entstehen der deutschen Gesellschaft jährlich Milliardenkosten.Die Studie „Soziale Kosten des Glücksspiels“ legt die erste Schätzung der finanziellen Folgen der Glücksspielsucht in Deutschland nach WHO-Standards vor. Der Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Tilman Becker unterscheidet darin drei Gruppen von problematischen und pathologischen Spielern.
„Das sind die pathologischen Spieler, die sich in stationäre Behandlung begeben, die pathologischen Spieler, die sich einer ambulanten Behandlung unterziehen, und die problematischen und pathologischen Spieler in der Bevölkerung, die sich nicht behandeln lassen.“
Die Anzahl der pathologischen Spieler, die sich im Jahr 2008 wegen ihres Glücksspielproblems in stationäre bzw. ambulante Behandlung begeben haben, wird auf Grund der Suchthilfestatistik auf 1100 bzw. 7300 Klienten geschätzt. Weiterhin wird in den Berechnungen auf Grund der vorliegenden epidemiologischen Studien von insgesamt 238 500 stark problematischen und pathologischen Spielern in Deutschland ausgegangen.
152 Mio. Euro für Krankenbehandlung, Beschaffungskriminalität und die Gerichte
Die sozialen Kosten des Glücksspiels für Deutschland für das Jahr 2008 von insgesamt 326 Mio. Euro. unterteilt Prof. Becker in direkte und indirekte Kosten: „Die direkten Kosten betragen 152 Mio. Euro und die indirekten Kosten 174 Mio. Euro.“
Direkte Kosten entstehen für die stationäre (17 Mio. Euro) und ambulante Behandlung (24 Mio. Euro) von pathologischen Glücksspielern, durch Beschaffungskriminalität (30 Mio. Euro) sowie 18 Mio. Euro für Kosten der Gerichte und der Strafverfolgung.
Dazu kommen Verwaltungskosten für die Arbeitslosigkeit von 12 Mio. Euro, Kosten für Ehescheidungen von 16 Mio. Euro, Kosten für Spielerschutz (26 Mio. Euro) und für Präventionsforschung (9 Mio. Euro). Die Kosten der Schuldnerberatung liegen bei deutlich weniger als einer Million Euro.
Arbeitplatzverlust und Fehlzeiten kosten 174 Mio. Euro
Bei den indirekten Kosten von 174 Mio. Euro schlägt der spielbedingte Verlust des Arbeitsplatzes mit 85 Mio. Euro zu Buche. Dazu verursachen krankheitsbedingte Fehlzeiten Kosten von 75 Mio. Euro und eine verringerte Arbeitsproduktivität pathologischer Glücksspieler Kosten von 14 Mio. Euro.
Die indirekten Kosten könnten, je nach den gewählten Annahmen und dem gewählten methodischen Ansatz, aber auch weniger oder mehr betragen.
Geldspielautomaten verursachen höchste Kosten
Prof. Dr. Becker fächert in seiner Studie die Kosten auch nach der Art des Glücksspiels auf. Das Spielen an Geldspielautomaten verursacht nach seiner Schätzung dabei die höchsten sozialen Folgekosten für die Gesellschaft: 225 Mio. Euro im Jahr.
Weit dahinter liegen die anderen Formen des Glücksspiels. Glücksspielautomaten in Spielbanken führen zu sozialen Folgekosten von 36 Mio. Euro im Jahr. Bei Casinospielen sind es knapp 31 Mio. Euro. Dabei sind Umsätze bei den terrestrischen Spielbanken und in den Internetcasinos sowie von Pokerspielen mit eingerechnet.
In derselben Höhe liegen die Sportwetten mit knapp 30 Mio. Euro.
Lotterien besitzen geringsten Suchtfaktor
Das Schlusslicht bilden die Lotterien. Prof. Dr. Becker: „Sie verursachen soziale Kosten von etwas mehr als drei Mio. Euro.“ Das sind knapp ein Prozent der geschätzten Gesamtfolgekosten der Glücksspielsucht.
Die sozialen Kosten des Glücksspiels sind allerdings nur ein ganz kleiner Bruchteil der sozialen Kosten, die der Gesellschaft durch den Tabak- und Alkoholkonsum entstehen. Diese liegen entsprechend den Schätzungen anderer Autoren bei 20 bis 50 Milliarden Euro beim Tabakkonsum bzw. bei 20 bis 30 Milliarden Euro beim Alkoholkonsum.
Text: Töpfer / Klebs
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Tilman Becker, Universität Hohenheim, Forschungsstelle Glücksspiel, Tel.: 0711 459-22599, E-Mail: tilman.becker@uni-hohenheim.de (NICHT ZUR VERÖFFENTLICHUNG)