Zoologie-Blog

Darum ging's: Tag 11 - An dem ich mir Geflügel vornehme und dabei am Boden bleibe  []

Jetzt hat es mich doch erwischt: Bei meinen bisherigen beiden Vertretungseinsätzen bin ich noch mit dem Mikroskopieren vorgefertigter Präparate davongekommen und hatte herzlich wenig Mitleid mit den verschiedenen parasitären Würmern. Heute heißt es für mich: Zähne zusammen beißen und durch. Und das Tier, das vor mir landen wird, ist auch ein gern gesehenes Motiv auf Postkarten und Tierkalendern: Ein kleines gelbes Hähnchenküken.

Die bereits toten, männlichen Küken stammen aus einer Legehennen-Zucht.


Wie immer nähern wir uns der Materie theoretisch: Mit einem Ausflug zu den Vorfahren der Vögel, der Kindheitserinnerungen wach werden lässt – den Dinosauriern.

Dass das Federvieh von heute mit den Riesenechsen verwandt ist, scheint schwer vorstellbar. Doch der reptilienartig geschuppte Straußenfuß, der zu Beginn des Kurses durch den Raum gereicht wird, beweist eindeutig das Gegenteil. Verblüffend, aber doch Wissen, das ich dank Jurassic Park und Naturkundemuseen schon hatte.

Neu hingegen ist für mich, was wir beim Betrachten verschiedener Vogelskelette lernen: Das Knie des Vogels ist gar nicht sein Knie! Jedenfalls nicht das Gelenk, das sichtbar ist, wenn Flamingos anmutig das Bein anziehen. Das ist nämlich das sogenannte Intertorsal- oder Laufgelenk. Das eigentliche Knie des Vogels sitzt weiter oben und ist meistens unter Federn verborgen – man lernt doch nie aus!

Dann geht es jedoch an die Praxis. Zum Glück teilen sich immer zwei oder drei Personen eines der männlichen Eintagsküken, die aus einem Legehennenbetrieb geliefert wurden. Meine Partnerin an der Sezierschale greift mutig zum Sezierbesteck, aber auch sie zögert beim Anblick des toten Vögelchens vor uns. Es ist eben doch sehr klein, sehr flauschig mit seinem gelben Flaum – und wäre es lebendig, wäre es ohne Zweifel auch unsagbar süß.

Meine Partnerin beginnt mit dem fragwürdigen Vergnügen, das Tier vor uns von Haut und Daunen zu befreien. Das geht erschreckend einfach mit dem sogenannten „Chipstütenprinzip“:  einfach zu den Seiten hin – vorsichtig! – aufreißen.
Sobald die inneren Organe des Kükens entblößt vor uns liegen, wird die Aufgabe etwas einfacher. Methodisch arbeiten wir uns durch die verschiedenen Schichten: Muskeln, Leberlappen, Herz, Lunge und Nieren im Brustkorb; Magen und Darm mitsamt Dottersack in der unteren Körperhälfte.

Probleme bereiten mir in diesem Moment meine Skrupel sowie der mitleiderregende Anblick der kleinen Kreatur vor mir - auch wenn ich nur Beobachterin bin. Der Blick auf die einzeln freigelegten Organe, so morbide er auch sein mag, ist eben auch faszinierend. Und von der Konsistenz her erinnert das ganze letzten Endes an ein Stück Hühnchenfilet – damit hatte selbst ich schon zu tun.

Trotzdem schaue ich gerne nur zu, als ein paar besonders Mutige noch das Gehirn ihres Kükens freilegen und sich Augen und Sehnerv genauer anschauen. Dazu muss die Haut von hinten nach vorn über den Schädel gezogen, dann das Großhirn nach hinten gebogen werden. Ich halte mich da lieber ans Fotografieren...

„War es nun so schlimm?“ frage ich mich hinterher. Die erstaunliche Antwort: Nein. Mir ist weder schlecht geworden, noch bin ich in Ohnmacht gefallen.

Das ging allerdings nur, weil ich das Bild des zerbrechlichen kleinen Vögelchens aus meinem Kopf verdrängte und mich auf die Einzelteile konzentrierte, auf Organe und Muskeln und Körperfunktionen. Und weil ich mir schnell verbat, den Begriff „Vogelbaby“ auch nur zu denken.

Dorothee Barsch, Abteilung Hochschulkommunikation

*Die Reportage entstand im Wintersemester 2016/17 und entsprich den aktuellen Kursinhalten.

Die Beiträge beinhalten die persönlichen und individuellen Meinungen von Studierenden und Betreuern. Sie spiegeln nicht zwingend die Meinung der Universität Hohenheim wider.

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