Zoologie-Blog

Darum ging’s: Chitin statt Schale  [21.11.17]

So, endlich wieder im Ländle! Und ich muss sagen, ich habe mich auf das nächste Thema im Kurs gefreut: Crustacea, also die Kurstentiere. Kein Problem, dachte ich mir. Blöd nur, dass getauscht wurde und stattdessen die Insecta (Insekten) dran waren – und damit auch die Schaben.

Die argentinischen Waldschaben sind handelsübliche Futterschaben. Sie werden vor Kursbeginn getötet.


Zugegeben, ich bin ziemlich gut gelaunt, als ich den Kurs betrete. Krustentiere… Das kennt man, jeder hat zumindest schon einmal Scampi gesehen und die meisten auch schon gegessen. Natürlich sind wir in keinem Restaurant, aber meine möglichen Berührungsängste sind zu diesem Zeitpunkt quasi nicht vorhanden.

Dementsprechend bin ich dann aber etwas überrascht, als mir gesagt wird, dass heute nicht die Crustacea, sondern die Insecta dran sind.

Mein erster Gedanke? „Oh“. Kurz und knapp einfach nur „Oh“. Erst sehr viel später folgt diesem ein „Schaben? Muss das sein?“

Anders als die Kurse zuvor hat sich ziemlich schnell herauskristallisiert, dass die Studis sezieren werden. Nichts ist vorher präpariert, alles soll selbst gemacht und damit erfahren. Das Besteck wird ausgepackt, Schalen mit bereits toten Schaben werden ausgeteilt. Ja, das ist schnell klar.

Ich habe prinzipiell keine Ängste vor den meisten Tieren, bin da eigentlich ziemlich resistent. Dennoch… Es sind Schaben. Ich mag keine Ängste haben, Ekel aber auf jeden Fall. Meine Begeisterung hält sich deshalb am Anfang auch wirklich in sehr bescheidenen Grenzen.

Zusammen mit unserer Kursleiterin für diesen Tag haben wir uns wie immer erst einmal mit der Theorie befasst: wie ist die Schabe aufgebaut, wie sind ihre Gliedmaße aufgeteilt, wie heißen die einzelnen Gliedmaße oder wie nennt man die Schneidewerkzeuge.

Erst danach geht‘s ans Sezieren.

Ich erwische mich dabei, wie ich einmal tief durchatme, ehe ich die Schabe von mir und meinem Partner wenigstens kurz einmal in die Hand nehme. Obwohl wir Handschuhe tragen, kann man die glatte Struktur des Chitin-Panzers spüren. Ich drehe die Schabe in meiner Hand, drücke, untersuche, ziehe die Flügel aus einander, betrachte alles.

Und je mehr Zeit vergeht, je mehr ich selbst nachschaue, desto mehr verfliegt meine Scheu vor diesem Tier. Unter dem Mikroskop betrachten wir die Augen und die Beine, beschriften die Zeichnung eines Kopfes und müssen selbst zum Stift greifen, um ein Bein zu zeichnen.

Genau dieses Zeichnen war am Ende wohl überraschenderweise mein persönlich unbeliebtester Punkt der Stunde, da ich wirklich keine sehr gute Zeichnerin bin.

Das Sezieren an sich war nicht ganz einfach - etwas so Kleines und vor allem Glattes zu sezieren fiel meinem Partner zumindest nicht leicht - aber unheimlich interessant. Ich kann zwar nicht sagen, dass ich mir je Gedanken über das Innere einer Schabe gemacht hätte, aber über vieles war ich tatsächlich verwundert.

Einige von uns, die ein weibliches Exemplar hatten, konnten beispielsweise sogenannte Eipakete herausholen und genauer untersuchen – Fingernagelgroße, rechteckige Gebilde, die ein bisschen klebrig wirken, wie Wachs. Am meisten „schockiert“ hat mich aber ehrlich gesagt das ganze Fett im Inneren des Schaben-Körpers. Müsste ich das Gesehene zusammenfassen, würde ich wohl sagen: „Eine Schabe besteht im Inneren aus einem Herz-Kreislaufsystem, dass die Organe umspült, Darm, Kropf – und sonst aus jeder Menge Fett.“

Die zwei Stunden verfliegen quasi, und am Ende hatten wir nicht nur zu zweit eine Schabe bis ins Detail untersucht. Die Hiwis bringen auch noch lebendige Schaben mit, sogenannte Madagaskar-Fauchschaben. Den Namen haben sie, weil sie wirklich fauchen, wie eines der Tiere uns mehrmals eindrucksvoll beweist.

Nun kann man es jedoch nicht mit dem Fauchen einer Katze vergleichen. Das Fauchgeräusch entsteht, weil sie beim Zusammenpressen ihres Hinterleibst Luft durch die Atemlöcher im Körper (sogenannte Tracheen) ausstoßen. Der Grund, warum sie fauchen, ist jedoch zu vergleichen: irgendetwas passt ihnen nicht. Also lieber mal im Vorfeld fauchen, dann wissen gleich alle, was für harte Brocken sie sind.

Zu diesem Zeitpunkt haben viele ihre anfänglichen Ekel – und die hatten einige besessen – fast vollkommen vergessen. Die Meisten wollte die Tiere sogar selbst auf dem Arm haben.

Für mich war es ein durchaus ereignisreicher Kurstag, mit zu Beginn mehr Tiefen als Höhen. Und ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass ich ihn am Ende so positiv gelaunt verlassen habe. Nicht unbedingt hungrig - das hat noch einige Stunden gedauert - aber keine Ekelgefühle mehr.

Ich weiß, dass es viele im Kurs anders sehen, nicht nur einmal war ein Würggeräusch zu hören.

Ich kann also nur für mich sprechen. Und darum kann ich auch sagen, dass ich bei der nächsten Schabe, die ich sehe, wohl nicht einmal mehr mit der Wimper zucken, sondern sie vielleicht einfach nur interessiert beobachten werde.

Mein Blickwinkel auf diese Tiere hat sich auf jeden Fall geändert.

Corinna Schmid, Abteilung Hochschulkommunikation

*Die Reportage entstand im Wintersemester 2016/17 und entsprich den aktuellen Kursinhalten.

Die Beiträge beinhalten die persönlichen und individuellen Meinungen von Studierenden und Betreuern. Sie spiegeln nicht zwingend die Meinung der Universität Hohenheim wider.

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