Sezieren in der Zoologie

Biologie-Studierende bloggen  [28.11.17]

Viele Biologie-Studierenden schwanken zwischen Überwindung und Neugier, wenn sie das erste Mal dazu aufgefordert sind, einen toten Regenwurm oder eine Küchenschabe zu sezieren. Gleichzeitig spielen auch ethische Fragen für sie eine Rolle. Welche Gedanken den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Hohenheimer Zoologie-Kurs „Bau und Funktion der Tiere“ durch den Kopf gehen, verraten sie in einem neuen Blog.


Im Pflicht-Kurs „Bau und Funktion der Tiere“ geht es darum, das Grundwissen über verschiedenen Tierklassen zu vertiefen. Studierende der Biologie und der Agrarbiologie sezieren und präparieren dabei in Einzel- oder Gruppenarbeit tote Tiere vom Regenwurm bis zur Maus.

Dabei werden u.a. Schaben aus dem Futtermittelbedarf, Regebogenforellen von einem Fischhändler oder männliche Küken aus einer Legehennenzucht verwendet. Frösche und Mäuse stammen aus der Hohenheimer Laborzucht. Hierbei werden alte und kranke Tiere ausgewählt. Da diese nur in einer beschränkten Zahl verfügbar sind, werden sie ggfs. durch die Kursleitung und Hilfswissenschaftler präpariert.

Debatte: Wie notwendig sind Tiere in der Lehre?

Könnten Abbildungen, Modelle oder Videos solche Lehreinheiten mit Tieren ersetzen?

Es gibt Stimmen, die diese Position vertreten: Im Sommer startete beispielsweise PETA gemeinsam mit der Sängerin Vanessa Mai eine Kampagne gegen Sezierkurse an Universitäten. Mit Schock-Motiven unter dem Motto „Ich sterb‘ für dich“ fordert die Organisation, grundsätzlich keine toten Tiere für die Lehre zu verwenden.

Auch Hohenheimer Bachelor-Studierende der Biologie machen sich über diese Frage Gedanken, und finden dabei jeweils individuellen Antworten. Die Uni selbst kommt zu dem Schluss, dass der Präparations-Kurs ein grundlegendes Lehr-Format ist, das für eine gute Ausbildung der Studierenden unverzichtbar ist.

In anderen Bereichen der Lehre hat die Uni Hohenheim Tierversuche hingegen reduziert oder vollständig abgeschafft: Beispielsweise wurde ein klassischer Froschschenkel-Versuch in der Physiologie durch eine Computer-Simulation ersetzt. Für Blutanalysen in der Lehre verwendet man in Hohenheim heute abgelaufene Humanblutkonserven aus Blutdatenbanken anstatt Blut von Tieren zu entnehmen.

Neuer Zoologie-Blog

Was die teilnehmenden Studierende selbst über den Zoologie-Kurs denken, was sie beim Sezieren empfinden und welchen Lern-Effekt sie daraus ziehen, berichten sie in diesem Semester erstmals in Form eines Blogs.

Alle Studierenden beteiligen sich daran im Verlauf des Semesters mit eigenen Kurz-Beiträgen, die jeweils nach den einzelnen Kurs-Einheiten veröffentlicht werden. Am Ende des Kurses sind ein gemeinsamer Rückblick und eine Ethik-Diskussion geplant.

Versuchstiere an der Uni Hohenheim

Hohenheim meldete 2016 insgesamt 6.070 Tiere, an denen ein Tierversuch abgeschlossen wurde. Häufigste Versuchstiere waren Hühner (3.971) gefolgt von Mäusen (1.730), Schweinen (152), Rindern (89), Fröschen (47) Ratten (31) und Ziegen (6).

In 81 % Fällen waren es Tierversuche mit geringem Schweregrad (z.B. Entnahme von Blutproben). 4 % wiesen einen mittleren Schweregrad auf (z.B. ein Huhn mehrere Tage im Einzelkäfig zu halten, um Exkremente zu sammeln). 15 % wurden als sog. „Tierversuch ohne Wiederherstellung der Lebensfunktion“ klassifiziert (z.B. Tötung von Tieren, um Organe oder Gewebe wie Muskeln, Nerven oder Verdauungsorgane zu entnehmen).

Das Blog-Projekt ist Teil einer Informations- und Transparenz-Initiative der Uni Hohenheim. Zu finden ist der Blog auf einer neuen Info-Seite, die über verschiedene Aspekte des Themas „Tierversuche in Hohenheim“ informiert. Hintergrund der Initiative sind die neuen Leitlinien für die Tierversuche, die sich die Uni Hohenheim selbst gegeben hat.

Hintergrund Tierversuche: Neue Tierställe geplant

Eine deutlich größere Rolle als in der Lehre spielen Tierversuche in der Forschung der Uni Hohenheim, denn die Forschungsschwerpunkte „Bioökonomie“ und „Globale Ernährungssicherung“ umfassen auch Tierproduktion und tierische Produkte. Auch der Forschungsschwerpunkt Gesundheitswissenschaften ist derzeit noch auf die Forschung an Tieren angewiesen.

Um die Bedingungen für die Tierhaltung und für die Forschung zu verbessern sind im kommenden Jahr zwei Bauprojekte geplant: Neue Versuchsstallungen für Geflügel (1.400 m²) und Schweine (520 m²) sollen neusten Standards genügen und mehrere Altgebäude auf dem Unteren Lindenhof in Eningen ersetzen. Die Neubauten wurden vergangene Woche vom Land bewilligt. Die Baukosten in Höhe 8,1 Mio. € werden über das Hochschulbauprogramm „Perspektive 2020“ finanziert.

Zu den Forschungsarbeiten der Uni Hohenheim im Bereich Schweine/Geflügel gehören u.a. Fragen zu Tierernährung, Tierzucht, Ansprüchen und Wohlergehen von Tieren in der Tierhaltung inklusive Spezialfragen wie das Vermeiden von Federpicken bei Hühnern, der Renaissance des Zweinutzungshuhns oder Alternativen zur schmerzhaften Ferkelkastration.

Eine besondere Bedeutung hat die neue Infrastruktur für die DFG-Forschergruppe P FOWL (FOR 2601). In ihr betreiben Tierwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler Grundlagenforschung zur Phosphorverwertung und der Bedeutung von Phosphor für Tiergesundheit und Verhalten – ein Forschungsthema das angesichts von weltweit verknappenden Phosphorvorräten an Brisanz gewinnt. Die Deutsche Forschungsgesellschaft fördert die Arbeit der Forschergruppe 3 Jahre lang mit rund 2 Mio. €.

Text: Leonhardmair

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