„Wir müssen die großen Hebel nutzen.“  [20.08.25]

Kevin Schad, Alumnus der Universität Hohenheim

Ein Gespräch mit Kevin Schad, Projektleiter und Handlungsbevollmächtigter bei der Energieagentur Mittelbaden und Alumnus der Universität Hohenheim.

 

Wie motiviert man Menschen zu mehr Energieeffizienz im Alltag? Wie begegnet man politischem Gegenwind in der Klimaberatung? Und was bringt es, als Mieter den eigenen Stromverbrauch zu hinterfragen? Kevin Schad hat an der Uni Hohenheim Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie (B.Sc.) und Agribusiness (M.Sc.) studiert. Inzwischen arbeitet der Alumnus als Projektleiter und Handlungsbevollmächtigter bei der Energieagentur Mittelbaden. Dort berät er Kommunen, Unternehmen und Privatpersonen zu Energieeffizienz, Photovoltaik und Wärmewende – und das mit spürbarer Leidenschaft. Im Gespräch berichtet er über seine Studienzeit, seine Motivation und die Herausforderungen seines Arbeitsalltags.

Herr Schad, Sie arbeiten heute in der Energie- und Klimaschutzberatung. War Ihnen schon während Ihres Studiums klar, dass Sie in diese Richtung gehen möchten?

Während meines Masterstudiums habe ich ein Urlaubssemester eingelegt, um Praktika zu machen. Eines davon war bei der Karlsruher Energieagentur – und das war prägend. Nach diesem Praktikum war mir klar, in welchem Bereich ich später arbeiten wollte. Das hat mir bei der Orientierung sehr geholfen – und auch bei meiner Bewerbung später. Ich hatte dadurch schon ein bisschen Berufserfahrung, das hat sicherlich meine Chancen erhöht.

Gab es einen Schlüsselmoment, der Ihr Interesse an der Energiewende geweckt hat?

Ja, definitiv. Ich war während meines Studiums einen Monat in China unterwegs. Der Smog in Städten wie Peking war erschreckend. Eine Woche lang habe ich die Sonne nicht gesehen. Parallel dazu hatte ich Vorlesungen wie Agrarmeteorologie oder „Erneuerbare Energien“, in denen wir uns sehr intensiv mit Zukunftsszenarien beschäftigt haben. Das war für mich ein Wendepunkt. Ich wollte etwas verändern.

Sie beraten heute nicht nur Privatpersonen, sondern auch Kommunen und Unternehmen. Wie groß ist der Bedarf an Energieberatung?

Der Bedarf ist riesig – vor allem bei Bürgerinnen und Bürgern. Die Verunsicherung ist groß. Es kursieren viele widersprüchliche Informationen, gerade beim Thema Heizen. Hinzu kommt, dass die Politik sich oft stärker an Meinungsumfragen orientiert als am wissenschaftlichen Konsens. Das ist in unserer Arbeit teilweise sehr frustrierend.

Was macht den Beruf trotzdem lohnenswert?

Ich habe das Gefühl, an etwas Sinnvollem beteiligt zu sein. Wenn mir Menschen nach einem Vortrag schreiben, dass ich sie zum Nachdenken gebracht habe – das gibt mir unglaublich viel zurück. Außerdem arbeite ich mit Kolleginnen und Kollegen, die alle eine ähnliche intrinsische Motivation haben. Das schafft ein sehr wertschätzendes Arbeitsumfeld.

Welche Rolle spielt Energieeffizienz für Menschen, die zur Miete wohnen und wenig Einfluss auf die Haustechnik haben?

Auch als Mieter kann man viel tun. Allein ein bewusstes Heizverhalten macht einen Unterschied. Ein Grad weniger Raumtemperatur spart rund sechs Prozent Heizenergie. Dazu kommt der Stromverbrauch: Viele Haushalte zahlen jährlich über 100 Euro nur für Geräte im Stand-by-Betrieb. Mit einfachen Messgeräten aus dem Baumarkt kann man diesen Verbrauch aufdecken. Das sind Dinge, die wirklich jede und jeder selbst in der Hand hat.

Gibt es Missverständnisse, die Ihnen in der Beratung immer wieder begegnen?

Ja, ein zentrales Missverständnis ist, dass Energiesparen gleichbedeutend mit Komfortverzicht sei. Das stimmt so nicht. Es geht oft um bewusstes Verhalten und sinnvolle Technik – nicht um Askese. Ein weiteres Problem ist der Fokus auf Privathaushalte, während große Verbräuche in Industrie und Wirtschaft zu wenig thematisiert werden. Und drittens: Viele glauben, kleine Maßnahmen würden ausreichen. Aber wir brauchen zusätzlich die großen Hebel – Freiflächen-Photovoltaik, Windkraft, Wärmenetze.

Wie reagieren Sie auf Menschen, die sehr kritisch oder sogar ablehnend sind?

Ich versuche es immer zuerst mit Verständnis und Argumenten. Viele haben Sorgen, die nachvollziehbar sind. Aber wenn ich merke, dass jemand bewusst wissenschaftliche Fakten leugnet oder sogar diskriminierend wird – was leider gelegentlich passiert – dann beende ich das Gespräch auch mal. Wir müssen nicht jede Meinung akzeptieren, wenn sie auf Kosten anderer geht.

Welche einfachen Maßnahmen haben den größten Effekt im Alltag?

Wie gesagt: ein Grad weniger beim Heizen spart etwa sechs Prozent Energie. Auch der Warmwasserverbrauch ist ein großer Posten – kürzer duschen, Sparduschköpfe nutzen, weniger baden. Und bei der Anschaffung neuer Geräte sollte man nicht nur auf die Energieeffizienz achten, sondern auch alte Geräte konsequent ersetzen – nicht zusätzlich in die Garage stellen. Wichtig ist auch der Zeitpunkt des Verbrauchs: Strom aus Photovoltaik steht tagsüber zur Verfügung. Wer Geräte mittags laufen lässt, nutzt ihn sinnvoll.

Was würden Sie heutigen Hohenheimer Studierenden raten, die sich für Energie- oder Nachhaltigkeitsthemen interessieren?

Sucht euch Themen, die euch persönlich etwas bedeuten. Die Energiewende betrifft unsere Lebensgrundlage. Wer daran mitarbeitet, kann viel bewegen – und bekommt oft auch viel zurück. Gerade in der Beratung ist es erfüllend zu sehen, dass man anderen wirklich helfen kann. Und: Ein Praktikum kann Gold wert sein, um den eigenen Weg zu finden.

Und zu guter Letzt: Haben Sie einen ganz konkreten Tipp, den unsere Leserinnen und Leser sofort umsetzen können?

Ja: Jetzt gleich nach dem Lesen den Stromtarif prüfen – und auf Ökostrom wechseln. Oft kostet das nicht mehr und ist ein deutliches Zeichen an Politik und Gesellschaft: Wir wollen saubere Energie.

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