„Ich wollte schon immer Chefin sein!“ [26.06.25]

Edith Wolf, Alumna der Universität Hohenheim
Ein Gespräch mit Edith Wolf, Alumna der Universität Hohenheim und
Vorständin der Vector Stiftung
Einst in einem kleinen Dorf am Arlberg aufgewachsen, ist Edith Wolf heute Vorständin der Vector Stiftung und Alumna der Universität Hohenheim. Sie engagiert sich seit vielen Jahren für Bildung, gesellschaftliche Teilhabe und ein starkes Netzwerk unter Stiftungen in der Region. Im Interview spricht sie über ihren Weg von der Vorarlberger Bergwelt, der sie ursprünglich entstammt, in die Welt der strategischen Philanthropie – und warum sie sich ein „Homecoming“ für ihre Alma Mater wünscht.
Frau Wolf, Sie sagen über sich selbst: „Ich wollte schon immer Chefin sein.“ Wann war Ihnen das klar?
Schon sehr früh. Ich komme aus einem winzigen Dorf in den Bergen, aber bei uns zuhause waren es auch immer die Frauen, die etwas zu sagen hatten. Ich bin mit 18 Geschwistern und Cousinen aufgewachsen und ich wusste immer: Ich will meinen eigenen Weg gehen – selbstständig sein, unabhängig.
Wie ging dieser Weg dann los?
Nach dem Abitur bin ich erst einmal zwei Jahre nach Spanien gegangen. Ich habe in Barcelona an der Uni für die Buchhaltung gearbeitet, auf Spanisch natürlich. Später war ich auch längere Zeit in Argentinien. Ich habe den Dialekt dort sofort aufgesogen, denn Sprachen liegen mir sehr. Argentinisches Spanisch ist ein ausgeprägter Dialekt. Ich habe den Klang aufgenommen, aber später wieder verloren. Ich passe mich sprachlich schnell an. Auch mein Österreichisch hört man heute kaum noch – es kommt erst zurück, wenn ich in Österreich bin.
Sie haben sich für ein Studium in Hohenheim entschieden, und nicht in Ihrer Wunschstadt Stuttgart?
Ich hätte sehr gerne auch an der Universität Stuttgart studiert, allerdings habe ich mir damals den technischen Schwerpunkt nicht zugetraut. Im Rückblick ärgere ich mich manchmal ein bisschen über mich selbst – gerade wenn ich sehe, wie wenige Frauen sich für MINT-Fächer entscheiden.
Was denken Sie: Warum ist das so?
Ich glaube nicht, dass es an den Fähigkeiten liegt. Im Studium sind die Frauen mindestens gleichauf, oft sogar besser. Aber in den Führungsetagen verschwinden sie. Das frustriert mich – und deshalb setze ich mich heute dafür ein, dass junge Frauen sich in diesen Bereichen mehr zutrauen. Die Vector Stiftung engagiert sich zum Beispiel im Projekt „Lernwerkstatt Weilimdorf – eine Schule für Geflüchtete ohne Schulerfahrung“, zusammen mit sieben weiteren Stiftungen, die das Herz am richtigen Fleck haben. Wir wollen auch Kinder und Jugendliche erreichen, die sonst weniger Chancen haben.
Wie erinnern Sie sich an Ihre Studienzeit in Hohenheim?
Sehr gern! Ich habe von 1992 bis 1997 Diplom-Wirtschaftswissenschaften studiert. Beeindruckt haben mich vor allem zwei Professoren: Helmut Kuhnle, der war sehr wirtschaftsnah, ein echter Managertyp, der die Studierenden mit Geschichten aus der Unternehmenswelt gepackt hat. Und Professor Schuler in der Wirtschaftspsychologie – ein Österreicher wie ich. Bei ihm habe ich die Vertiefung gewählt, weil ich eigentlich in Richtung Personal und Organisation wollte.Ach, und nicht zu vergessen: die Mensa! Fantastisch war die. Besonders das Salatbuffet – das war wirklich ein Highlight.
Wie ging es nach dem Studium weiter?
Ich bin ins Debis Systemhaus, eine ehemalige Tochter der debis AG und Daimler-Benz AG eingestiegen und war dort zwölf Jahre lang im IT-Einkauf tätig – international, mit einem sehr umfassenden Einkaufsvolumen. Durch eine Akquisition war die Hauptzentrale aber danach in Bonn. Mir war klar: Wenn ich in die obere Führungsetage gehen will, muss ich irgendwann ins Zentrum des Unternehmens. Für meine Familie und mich war aber klar, dass wir in der Region Stuttgart bleiben möchten. Deshalb habe ich mich umorientiert und bin auf diesem Weg erst einmal zur Robert Bosch Stiftung gekommen.
Wie war dieser Wechsel in die Welt der Philanthropie für Sie?
Ich erinnere mich noch genau an die Anzeige in der FAZ – sie hat mich sofort angesprochen. Ich habe in der Stiftung die gemeinnützige Arbeit kennengelernt, und ich war wirklich begeistert.Dort habe ich die Rochus und Beatrice Mummert-Stiftung geleitet, ein Stipendienprogramm für Südosteuropa. Endlich hatte ich das, was ich wollte: Internationalität, Völkerverständigung, sowie die Arbeit mit jungen Menschen, bei der ich sehen kann, wie sie die Welt positiv gestalten.
Was bedeutet Ihnen Philanthropie?
Philanthropie heißt für mich: Etwas zurückgeben. Aber nicht beliebig – es geht mir um Wirkung. Geld soll gezielt eingesetzt werden und in der Gesellschaft etwas spürbar verändern. Ich halte nichts von der sog. Checkheft-Philanthropie nach dem Motto: es wird schon irgendwie nützlich sein. Philanthropie muss immer strategisch sein.
Welche Schwerpunkte setzt die Vector Stiftung?
Wir sind eine unternehmensverbundene Stiftung und fördern im Bereich Forschung, Bildung und Soziales Engagement. Wir konzentrieren uns im Bereich Forschung auf Themen, bei denen wir etwas bewegen können, im Bildungsbereich besonders bei MINT-Projekten.
Sie haben 2017 dazu beigetragen, das Stiftungsnetzwerk Region Stuttgart neu aufzustellen. Was war Ihre Motivation?
Also auf das Stiftungsnetzwerk bin ich heute so richtig stolz. Das hat sich in den letzten Jahren so gut weiter entwickelt und sprüht vor Ideen und Aktivitäten. Das Netzwerk bietet hervorragende Möglichkeiten der Vernetzung und Zusammenarbeit in der Region. Unsere erste Entscheidung war es damals, eine feste Stelle einzurichten. Denn wenn man ein Netzwerk aufbauen will, muss man das ernsthaft betreiben – nicht nebenbei. Wir waren mit dem Netzwerk übrigens auch schon in Hohenheim zu Gast – das war ein ganz toller Tag.
Sie haben zwei Kinder – wie haben Sie Familie und Karriere vereinbart?
Für mich war immer klar, dass ich beruflich engagiert bin. Mein Mann und ich haben beide Vollzeit gearbeitet. Wir hatten eine Tagesmutter, so hat es funktioniert. Ich würde sagen, mein Mann hat vielleicht sogar etwas mehr Betreuung übernommen als ich.
Und was wünschen Sie sich für Ihre Alma Mater, die Universität Hohenheim?
Ich freue mich dann besonders, wenn meine Universität erfolgreich ist. Ich wünsche mir, dass der wirtschaftswissenschaftliche Bereich noch stärker wird. Der Dies Academicus ist ein großartiges Format.Was mir noch fehlt, ist ein echtes Homecoming-Gefühl: ein Ort oder Anlass, bei dem alle zusammenkommen, wie bei einem Klassentreffen. Vielleicht ein Abendessen in einem der schönen Räume des Campus oder in den Hohenheimer Gärten – das wäre doch etwas!
Weiterführende Links und Informationen
Vector Stiftung: JOBLINGE basecamp
Vector Stiftung fördert 15 zukunftsträchtige MINT-Projekte
Vector Stiftung: Jetzt bewerben: Nachwuchsgruppenleitung >>MINT für die Umwelt<<
Stiftungsnetzwerk Region Stuttgart e. V.
Bürgerstiftung Stuttgart