Schwergewichte der Forschung

Afrikanische Kleinbauern: Mechanisierung für höheres Einkommen  [18.10.16]

Hacken, pflügen, Unkraut jäten: Landwirtschaft ist in vielen afrikanischen Ländern noch harte Handarbeit. Ein Einsatz von Maschinen könnte Arbeitsbelastungen reduzieren und landwirtschaftliche Einkommen erheblich steigern, meinen Wissenschaftler der Uni Hohenheim. Sie testen Ideen, wie Kleinbauern in Sambia über Lohnunternehmer Zugang zu Traktoren erhalten können – und welche sozialen Folgen das mit sich bringt.

Traktorfahrer mit Lehrling in Sambia | Bildquelle: Universität Hohenheim / Regina Birner


Afrikanische Kleinbauern sind bei der Feldarbeit in der Regel auf ihre Muskelkraft angewiesen: Etwa 80 Prozent der Landwirte in Afrika bestellen laut Angaben der Welternährungsorganisation FAO ihre Felder nur mit Handarbeit ohne die Hilfe von Zugtieren oder Traktoren.

Daher können sie nur kleine Flächen bewirtschaften, die Erträge sind gering. Die Folge: „Landwirtschaftliche Einkommen sind niedrig, und gerade junge Menschen finden Landwirtschaft kaum attraktiv und wandern ab“, erklärt Prof. Dr. Regina Birner, Agrarexpertin an der Uni Hohenheim. Gerade zu den kritischen Zeiten seien oft zu wenige Hände zum Anpacken da. Diesen saisonalen Arbeitskräftemangel und seine Folgen könnte Mechanisierung ausgleichen.

„In den 1960er-Jahren gab es bereits Versuche, die Feldarbeit zu mechanisieren. Doch mangels Training oder Ersatzteile kamen die Traktoren kaum zum Einsatz“, resümiert Projektleiterin Birner die Fehler der Vergangenheit. „Wir wollen das heute besser machen und untersuchen, welche Voraussetzungen für eine Mechanisierung gegeben sein müssen und welche gesellschaftlichen Folgen zu erwarten sind.“

Zwei ihrer Master-Studenten sind dafür momentan in Sambia. Die Arbeit ist in ein größeres Vorhabens des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) eingebunden, das in Hohenheim drei Teilprojekte mit insgesamt 650.000 Euro fördert. Das Gesamtprojekt zählt damit hier zu den Schwergewichten der Forschung.


Institutionen vermitteln Kenntnisse und Fähigkeiten


Die Idee des Projekts besteht darin, dass Kleinbauern die Traktoren nicht selbst anschaffen, sondern über Lohnunternehmer beanspruchen können. „Um das erfolgreich umzusetzen, stellt sich zum Beispiel die Frage der nötigen Ausbildung“, erklärt Thomas Daum, Doktorand in dem Projekt.

„Die Bauern müssen lernen, wie man die Maschinen am besten einsetzt, in Stand hält und wie die Arbeiten bodenschonend durchgeführt werden. Für solche Schulungen müssen Institutionen etabliert werden“, erklärt Daum.


Vergleichende historische Studie zeigt Möglichkeiten auf


Um hier einen geeigneten Weg zu finden, hilft ein Blick in die Vergangenheit. „Auch die Industrieländer waren nicht immer auf dem Stand von heute – in den 1920er Jahren galt Deutschland im Hinblick auf die Mechanisierung der Landwirtschaft als sehr rückständig“, meint Daum. „Deutschland und die USA haben unterschiedliche Wege gefunden um die Kenntnisse und Fähigkeiten zu fördern, die für eine Mechanisierung nötig sind“, berichtet Daum.

„Bei uns hat man die DEULA-Schulen eingerichtet, die vor Ort die Landwirte weitergebildet haben. Und in den USA wurde ein Gesetz eingeführt, nach dem die Kenntnisse in den Schulen vermittelt werden sollten.“ Auch Ersatzteile, Kraftstoffe und die Zollpolitik seien wesentliche Faktoren gewesen: „Die Probleme sind also nicht auf Entwicklungsländer beschränkt. Und sie sind lösbar.“


Bezahl-Service in Kooperation mit John Deere


Bei dem Modell, das die Forscher nun in Sambia untersuchen, kaufen aufstrebende Farmer die Traktoren und bieten Kleinbauern die Leistungen als Bezahl-Service an. Der Landtechnik-Hersteller John Deere unterstützt dieses Modell unter anderem in Sambia und Kenia.

Die Forscher wollen verstehen, wie sich ein solches Modell ökonomisch, sozial und ökologisch auf die teilnehmenden Haushalte und die restliche Dorfgemeinschaft auswirkt. Eine andere zentrale Frage ist die Finanzierung der Maschinen und des Services sowie die Rolle des Herstellers und der Banken dabei.

„Wir führen eine quantitative Analyse durch. Unsere Master-Studenten haben dazu 250 Haushalte mit Hilfe von Tablet-Computern befragt. Außerdem führen wir qualitative Gespräche mit Fokusgruppen, um die sozialen Konsequenzen ermitteln zu können“, erklärt Daum das Vorgehen.


Einflüsse auf die Arbeitsteilung


Besonders im Fokus der Wissenschaftler steht die Arbeitsteilung innerhalb der Haushalte. „Männer pflügen, Frauen jäten Unkraut – das ist die klassische Aufteilung in den Familien“, berichtet Daum. „Die Männer-Tätigkeit wird oft zuerst mechanisiert – und nun stellt sich uns die Frage, wie die Männer die frei gewordenen Zeit nutzen. Suchen sie eine Tätigkeit außerhalb der Landwirtschaft? Ändert sich die Arbeitsbelastung der Frauen? Wie wirkt sich dies alles auf die Ernährung und Erziehung der Kinder aus?“

Schwergewichte der Forschung

31,2 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Hohenheimer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaflter 2015 für Forschung und Lehre. Die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ präsentiert herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen Volumen von mindestens 250.000 Euro bei den Experimental- bzw. 125.000 Euro bei den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften.


Um Antworten auf diese Fragen zu finden, planen die Forscher eine Zeitnutzungsstudie, bei der die weiblichen und männlichen Haushaltsmitglieder über eine Smartphone App angeben, mit welchen Tätigkeiten sie gerade beschäftigt sind. Um auch Analphabeten die Teilnahme zu ermöglichen, funktioniert die App mit Illustrationen der Tätigkeiten. Die App haben Studenten der Hochschule der Medien in Stuttgart entwickelt.


Ärmste Kleinbauern nutzen den Traktor-Service nicht

Einige erste Trends können die Wissenschaftler bereits aus den bisherigen Arbeiten erkennen. „Wir wissen bereits, dass die Kleinbauern den Landtechnik-Service tatsächlich nutzen. Allerdings werden die Ärmsten von ihnen nicht erreicht. Für diese Haushalte müssen andere Lösungen gefunden werden, möglicherweise über die Zugtiernutzung“, legt Daum dar.

„Der Aufwand, ein solches System zu organisieren, hat sich als relativ groß erwiesen. Da könnten Entwicklungsorganisationen künftig helfen Privatsektor und Nutzer zusammenzubringen“, schlägt Daum vor. „Ob sich aber negative Auswirkungen auf die Arbeitsverfügbarkeit und Landverfügbarkeit ergeben, das muss die Arbeit in den nächsten Monaten erst zeigen.“


Projekt Grüne Innovationszentren in Afrika

Das Projekt „Grüne Innovationszentren in Afrika“ hat das BMZ im Rahmen seiner Sonderinitiative „EINEWELT ohne Hunger“ ins Leben gerufen. Ziel ist es Innovationszentren aufzubauen, in denen Schulung, Beratung und Forschung gebündelt sind. Die Umsetzung vor Ort erfolgt durch die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Die Initiative wird von wissenschaftlicher Forschung begleitet, die das BMZ mit insgesamt sechs Millionen Euro fördert. Rund die Hälfte des Betrages erhalten die afrikanischen Partner. In Deutschland sind neben der Uni Hohenheim die Uni Bonn mit dem Zentrum für Entwicklungsforschung (federführend) und die TU München beteiligt.

Die Arbeiten in Hohenheim werden mit rund 650.000 Euro unterstützt. Sie starteten am 1.3.2015 und laufen bis zum 28.2.2018. Beteiligt sind das Fachgebiet Sozialer und institutioneller Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung (Regina Birner), die Fachgebiete Agrartechnik in den Tropen und Subtropen (Joachim Müller und Karlheinz Köller) sowie das Fachgebiet Tierernährung und Weidewirtschaft in den Tropen und Subtropen (Uta Dickhöfer).

Text: Dorothea Elsner

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