Bienen-Parasit:
Forscher entdecken Wirkstoff gegen Varroa-Milbe  [12.01.18]

Lithiumchlorid verspricht Durchbruch im Kampf gegen gefährlichen Bienen-Parasiten / Veröffentlichung in international renommierter Fachzeitschrift „Scientific Report“

Hoffnung für Imker: Erstmals gelang es Forschern der Universität Hohenheim in Stuttgart ein potentielles Medikament zu entwickeln, das befallene Bienenstöcke mit geringem Arbeitsaufwand über die Fütterung von der gefürchteten Varroa-Milbe befreien kann. Die Varroa-Milbe zählt weltweit zu den gefährlichsten Feinden der Bienen: innerhalb von ein bis drei Jahren kann sie ein Bienenvolk komplett ausrotten. Bislang mussten Imker befallene Bienenstöcke mit aggressiven organischen Säuren oder chemisch hergestellten Milbenbekämpfungsmitteln behandeln, die Resistenzprobleme und Rückstände verursachen. Bei der vielversprechenden Substanz handelt es sich um leicht verfügbares Lithiumchlorid. Nach über 25 Jahren Forschung steht damit erstmals ein neuer Wirkstoff im weltweiten Kampf gegen die Varroa-Milbe zur Verfügung, der völlig anders wirkt als bisherige Mittel. Derzeit laufen bereits Gespräche mit Unternehmen mit dem Ziel einer Produktentwicklung und Zulassung. Ihre ersten Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler in der heutigen Online-Ausgabe der Zeitschrift „Scientific Report“, www.nature.com/articles/s41598-017-19137-5.


Ein günstiger, einfach anzuwendender Wirkstoff gegen die gefährliche Milbe, der nach dem aktuellen Kenntnisstand der Forscher keine gefährlichen Nebenwirkungen für Bienen, Imker oder Verbraucher hat und in der Natur reichlich vorkommt: Das versprechen die Ergebnisse des Forschungsprojektes. Mit Lithiumchlorid hat das Forscherteam einen Wirkstoff für ein solches Medikament gefunden, der leicht zu beschaffen und zu verabreichen ist. Auch für eine Ablagerung im Honig gibt es bislang keine Anzeichen.

Dr. Peter Rosenkranz, Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde, erklärt die Vorteile des Wirkstoffs: „Lithiumchlorid kann man Bienen in Zuckerwasser aufgelöst füttern. Bei unseren Versuchen haben bereits geringe Mengen der Salzlösung ausgereicht, um innerhalb weniger Tage die auf den Bienen aufsitzenden Milben abzutöten – ohne Nebenwirkungen für die Bienen.“

Auch die Verfügbarkeit spricht für den Wirkstoff: Die weltweiten Vorräte des Leichtmetalls Lithium werden auf über 40 Millionen Tonnen geschätzt, als Lithiumchlorid-Salz findet es sich in Salzlaugen, Salzseen und Heilquellen, und das zum Teil in erstaunlich hoher Konzentration. Das leicht in Wasser lösbare Salz wird unter anderem als Trocknungsmittel und Enteiserlösung verwendet. In der Humanmedizin kommt es seit Mitte des 20. Jahrhunderts als Antidepressivum zum Einsatz.

Bevor der Wirkstoff nun als Medikament für Bienen auf den Markt kommen kann, sind dennoch weitere Tests nötig, um die beste Dosierung zu bestimmen und Nebenwirkungen für Bienen und Anwender sowie das Risiko von Rückständen auszuschließen. Dazu sei man aktuell mit Unternehmen im Gespräch, die diese Entwicklung weiterführen wollen.


Entdeckt durch Zufall

Eigentlich hatte das Team um Dr. Rosenkranz einen viel komplexeren Ansatz verfolgt: „Gemeinsam mit dem Biotechnologie-Startup SiTOOLs Biotech haben wir versucht nach dem RNA-Interferenz-Verfahren, kurz RNAi-Verfahren, gezielt bestimmte Gene auszuschalten. Dieses Verfahren erhielt 2006 den Nobelpreis für Medizin und ist seitdem weltweit zur Bekämpfung von Krankheiten in Anwendung.“

Die Idee: RNA-Bruchstücke werden an die Biene gefüttert und dann von der Varroa-Milbe beim Blutsaugen aufgenommen. In der Milbe schalten die Bruchstücke gezielt lebenswichtige Gene des Parasiten aus. „Für die Bienen sind diese RNA-Bruchstücke ungefährlich, da sie ausschließlich mit varroaspezifischen Genen interagieren. Bei der Varroa-Milbe jedoch werden zentrale Stoffwechselprozesse gestört und die Milbe schließlich abgetötet“, so Dr. Rosenkranz.

Der Ansatz zeigt Erfolg, doch dann bemerkten die Wissenschaftler etwas Seltsames: „Bei Kontrollexperimenten konnten wir auch mit unspezifischen RNA-Bruchstücken, die weder bei den Bienen noch bei den Milben ein genetisches Ziel finden sollten, die Milben abtöten“, berichtet Dr. Rosenkranz. „Etwas in unserer „Genmischung“ bekam den Milben nicht, während die Bienen keinen Schaden nahmen.“

Fast zwei Jahre dauerte es, bis das Lithiumchlorid als die geheime Wunderwaffe gegen den Parasiten gefunden war. Die Forscher hatten die Chemikalie als Hilfsmittel bei der Isolierung der RNA-Bruchstücke verwendet, mit deren Hilfe die Gene im Bienenkörper ausgeschaltet werden.

Eine folgenreiche Entdeckung, denn die RNAi-Methode würde zwar wohl funktionieren, wäre allerdings teuer und aufwendig. „Lithiumchlorid hingegen ist einfach herzustellen, relativ preiswert, und unkompliziert zu lagern.“

Hintergrund: Projekt BeePax


Die Ergebnisse der Arbeit entstanden im Rahmen des Projektes BeePax der Firma SiTOOLs und der Universität Hohenheim auf Initiative von Dr. Stefan Hannus von SiTOOLs. Die Entdeckung von Lithium als Mittel zur Milbenbekämpfung war das Ergebnis gemeinsam durchgeführter Experimente und die erfolgreiche Verknüpfung von Expertisen im Bereich Molekularbiologie und Bienenkunde.

Gefördert wurde das Projekt mit einer Fördersumme von 303.800 Euro über eine Laufzeit von zwei Jahren von der Bayerischen Forschungsstiftung. Die Stiftung fördert zukunftsträchtige Schlüsseltechnologien. Im Mittelpunkt stehen dabei nach Angaben der Stiftung die enge Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft und der damit verbundene Wissenstransfer.

Gefördert durch die Bayerische Forschungsstiftung.

Gefördert durch die Bayerische Forschungsstiftung.

Varroa-Milben auf Jungbiene | Bildquelle:  Universität Hohenheim / Bettina Ziegelmann

Varroa-Milben auf Jungbiene
Bildquelle: Universität Hohenheim / Bettina Ziegelmann

Text: Barsch / Klebs

Kontakt für Medien:

PD Dr. rer. nat. Peter Rosenkranz, Universität Hohenheim, Landesanstalt für Bienenkunde
T 0711 459 22661, E peter.rosenkranz@uni-hohenheim.de

Dr. rer. nat Bettina Ziegelmann, Universität Hohenheim, Landesanstalt für Bienenkunde
T 0711 459 23975, E bettina.ziegelmann@uni-hohenheim.de


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