Jahresbericht des Rektors:
„Die Universität darf sich auf ihren Erfolgen nicht ausruhen“  [01.10.08]

Raumnot, Stellenmangel und sinkendes Budget hemmen weitere Entwicklung / Rektor mahnt mehr Service für Studierende an
 
Vollständiger Jahresbericht unter www.uni-hohenheim.de/presse

Das Wachstum des vergangenen Jahres habe der Universität Hohenheim einen kräftigen Schub verliehen – gleichzeitig aber auf mehreren Feldern Handlungsbedarf gezeigt, so das Resümee von Rektor Prof. Dr. Hans-Peter Liebig bei der heutigen öffentlichen Präsentation des Jahresberichts 2007. Neben der hohen Beliebtheit unter Studierenden habe sich vor allem die Forschung gut aufgestellt. Ausbaubedarf bestünde vor allem bei Service, Internationalisierung und Nachwuchsförderung. Hemmschuh bei der Entwicklung sei die Ausstattung durch das Land: „Raummangel, geringe Stellenzahl und ein real gesunkenes Budget, das uns zwingt, von der Substanz zu leben, machen es zu einer ganz besonderen Herausforderung, in einem Wettbewerb zu bestehen, der in allen Bereichen deutlich an Schärfe gewinnt.“

Die Erfolge wollen genannt sein: Das vergangene Jahr habe die Zahl der Studienanfangenden auf ein Niveau geführt, das doppelt so hoch liege, wie die Zahl der Studienanfänger zehn Jahre davor. Und trotz aller Raumprobleme habe die Universität mit dem Neubau der Lebensmitteltechnologie und der Biogasanlage zwei große Bauprojekte gestartet, die vor allem die Forschung in zwei wichtigen Bereichen nach vorne katapultiere.

„Zurzeit läuft unser Einschreibungsverfahren noch auf Hochtouren. Deshalb liegen uns die aktuellen Studierendenzahlen zum Wintersemester noch nicht vor. Der Rückblick zeigt uns jedoch einen Wachstumstrend, der seit zehn Jahren nach oben zeigt – selbst wenn die Anfängerzahlen im einzelnen Jahr einmal nach oben oder unten schwanken“, so der Rektor. Konkret hätten im vergangenen Jahr 1.717 Studierende ein Studium in Hohenheim begonnen, was die Uni auf 6.681 Studierende wachsen ließ. 855 Studienanfänger und 5.023 Studierende seien es vor zehn Jahren gewesen.

Entsprechend arbeite die Universität daran, ihr Angebot auszuweiten: „Dank dem Ausbauprogramm Hochschule 2012 haben wir im vergangenen Jahr fünf neue Professuren eingerichtet. Aktuell warten wir auf den Kabinettsbeschluss zur zweiten Tranche des Programms, die Hohenheim vier weitere Lehrstühle bescheren könnte. Insgesamt könnte die Universität bis ins Jahr 2012 so bis zu 15 Lehrstühle hinzugewinnen, um die Zahl der Studierenden um insgesamt rund 1.000 zu steigern“, sagte Prof. Dr. Hans-Peter Liebig.

Derzeit liefen allerdings noch die Berufungsverfahren, um die ersten der neuen Lehrstühle zu besetzen. In drei von fünf Berufungsverfahren stehe die Hochschulleitung zurzeit kurz vor dem Abschluss.

„Bis ins Jahr 2012 erwarten wir jährlich steigende Abiturientenzahlen, die an die Hochschulen drängen. Eine Generation, der sich gleichzeitig hervorragende Jobchancen bieten, da Wirtschaftsvertreter uns gegenüber in allen Gesprächen einen absoluten Mangel an Führungskräften betonen“, sagte der Rektor. Die Länge der Berufungsverfahren zeige aber auch, dass die Hochschulen Zeit brauchten, um ihre Kapazitäten aufzubauen.

 

Konkurrenz um Mitarbeiter nimmt zu

Ein Grund dafür sei die zunehmend harte Konkurrenz um gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf allen Ebenen: „Wir erleben das nicht nur bei Professoren, unter denen eine neue, sehr flexible Generation herangewachsen ist: In allen Bereichen ist der Konkurrenzkampf um gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Wirtschaft, aber auch zwischen den Hochschulen wesentlich härter geworden.“

Eine Konkurrenz, in der Rektor Prof. Dr. Hans-Peter Liebig die Hochschulen allerdings schlecht ausgestattet sieht: „Trotz wachsender Aufgaben stagniert die Zahl der Mitarbeiterstellen, die uns das Land zur Verfügung stellt.“ Inzwischen gebe es mehr wissenschaftliche Mitarbeiter, die die Universität projektweise über Drittmittel finanziere, als dauerhaft Angestellte. „Um Drittmittelprojekte einzuwerben, braucht die Universität allerdings einen festen Sockel als Dauerstellen, die Kontinuität ermöglichen“, sagte der Rektor.

 

Raumnot hemmt die weitere Entwicklung

Einen ähnlichen Hemmschuh stelle die Raumausstattung dar: „Im vergangenen Jahr haben wir begonnen, uns verstärkt nach Mieträumen umzusehen. Inzwischen haben wir die ersten Büroflächen im Wollgrasweg angemietet, weitere Mieträume in Campusnähe sollen folgen.“ Gelöst sei das Raumproblem damit allerdings noch nicht: „Auch wenn wir alle künftigen Professuren unterbringen, fehlt uns jeder Puffer, um bei den Drittmittelprojekten wirklich etwas zu bewegen – ganz abgesehen von unserem dringend benötigten großen Hörsaal, der 800 bis 1.000 Zuhörer fasst.“

Um die Mangelverwaltung zu professionalisieren, habe die Universität seither in Raumerfassung und -management investiert. „Dank neuer Software und spezieller Mitarbeiter verfügen wir jetzt über ein besseres Planungsinstrument, mit dem wir auch den Druck auf die Ministerien erhöhen können.“

 

Real sinkendes Budget lässt kaum gestalterische Spielräume

Besonderes Manko sei das real sinkende Basisbudget, mit dem das Land seine Hochschulen ausstatte: „Hier leben wir von der Substanz.“ In den vergangenen zehn Jahren habe das Land lediglich die Lohnkosten angepasst, in allen anderen Bereichen lägen die Budget-Steigerungen unter der Inflationsrate.

Real sei die öffentliche Ausstattung damit um 40 Prozent gesunken – eine Summe, die nicht einmal mehr werterhaltende Investitionen erlaube. „Gleichzeitig müssen die Hochschulen in einem internationalen Wettbewerb bestehen, in dem Universitäten wie beispielsweise die ETH Zürich eine zehn Mal höhere Grundausstattung haben.“

Da über 90 Prozent des Basisbudgets benötigt würden, um Fixkosten zu bestreiten, blieben der Hochschulleitung kaum disponible Mittel, um wirklich gestalterische Akzente zu setzen. „Die Freiräume sind denkbar gering – und werden noch geringer, wenn es nicht gelingt, im Bereich Energie und Gebäudebewirtschaftung noch effizienter zu arbeiten.“

 

Studiengebühren unverzichtbar – doch auch die Wirtschaft sollte sich stärker engagieren

Für die Universität bedeute die mangelhafte Finanzierung, dass sie zunehmend auf andere Quellen angewiesen sei. Dazu gehörten Drittmittel, die heute ein Viertel der Hochschulfinanzierung ausmachten, aber auch Studiengebühren, die bei der Finanzierung einer guten Lehre inzwischen nicht mehr wegzudenken seien.

„Bei manchen zentralen Einrichtungen wie zum Beispiel der Universitätsbibliothek geht ohne Studiengebühren fast nichts mehr“, meinte der Rektor. „Sollten dies Mittel – etwa wie in Hessen – aufgrund politischer Entscheidungen plötzlich wieder wegbrechen, läge es in der Pflicht des Landes, hier für Ersatz zu sorgen.“

Gleichzeitig appellierte der Rektor an die Wirtschaft, ihr Engagement auf ein ähnliches Niveau wie das der Studierenden zu steigern: „Da Absolventen und Unternehmen gleichermaßen von einer guten Ausbildung profitieren, ist es nicht einzusehen, warum sich die Wirtschaft nicht in gleicher Höhe an der Lehre beteiligen sollte, wie es die Studierenden mit Studiengebühren tun.“

 

Gelungene Forschung: Großprojekt erhöht die internationale Sichtbarkeit

Als positives Beispiel für Wirtschaftsengagement nannte der Rektor die Hohenheimer Stiftungslehrstühle, bei denen externe Sponsoren eine Professur finanzieren. „Im vorliegenden Jahresbericht finden sie hier je eine Stiftungsprofessur in den Fakultäten Agrarwissenschaften sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Aktuell hat sich diese Zahl noch in diesem Jahr um zwei weitere Agrar-Professuren auf vier verdoppelt.

Generell könne die Universität Hohenheim das zurückliegende Jahr auch im Bereich Forschung zu den besseren zählen: Mit dem Großforschungsprojekt COPS habe das Institut für Physik und Meteorologie die weltweit größte meteorologische Messkampagne jenseits der Polargebiete des Jahrzehntes koordiniert und damit die internationale Sichtbarkeit der Universität deutlich erhöht.

„Bei den Drittmitteln erkennen wir trotz leichter Schwankungen einen generellen Aufwärtstrend.“ Wichtige Basis dafür seien die fünf Wissenschaftlichen Zentren, die große Forschungsprojekte über Fächer- und Einrichtungsgrenzen möglich machten. „Hier haben wir die Struktur in den vergangenen Jahren ausgeweitet, so dass wir jetzt in eine Phase der Konsolidierung kommen, in denen etablierte Zentren wie das Tropenzentrum ihre Aktivitäten in andere Regionen ausweiten, jüngere Zentren wie das für Gender und Ernährung oder das Forschungszentrum Innovation und Dienstleistung ihre Forschungsprogramme ausbauen.“

 

Mehr Service für Studierende

Verbesserungsbedarf sieht der Rektor vor allem in den Bereichen Studierenden-Service, Nachwuchsförderung und Internationalisierung. „Unsere gesamte Ausbauplanung fußt auf der bislang ungebrochenen Attraktivität der Universität Hohenheim für Studierende. Ein Plus, das wir nicht durch einen Abfall der Lehr- und Betreuungsqualität gefährden dürfen“, warnte Prof. Dr. Liebig.

Als ein positives Beispiel nannte der Rektor das Projekt „Service-Versprechen“ des Lehrstuhls für Marketing, der sich mit zehn Garantien zu einer überdurchschnittlichen Studierendenbetreuung verpflichtet hatte. „Im laufenden Jahr werden wir in der Universität mit einem umfassenden Qualitätsmanagement beginnen, das neben Lehre auch Forschung und den Service-Bereich umfasst. Initiativen wie die Service-Versprechen sind wertvolle Ideen, die den Gedanken verdienen, weiter ausgedehnt zu werden.“

 

Graduiertenkollegs: Verbesserte Nachwuchsförderung im Aufbau

Auch in der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses habe die Universität Hohenheim das Potenzial, besser zu werden. „Seit der Jahrtausendwende erleben wir einen leichten Rückgang an Promotionen, den wir durch weitere Graduierten- oder Promotionskollegs auffangen müssen.“

Besonderheit unter den bestehenden Angeboten sei das deutsch-chinesische Graduiertenkolleg zur nachhaltigen Landwirtschaft in China und das Promotionskolleg Globalisierung und Beschäftigung, während das Graduiertenkolleg zur Vermeidung klimarelevanter Gase mit dem vergangenen Jahr ausgelaufen sei.

„Aktuell gibt es neue Planungen in der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Im Bereich Agrarwissenschaften könnte sich in den kommenden Jahren ein Gemeinschaftsprojekt mit der japanischen Kyushu-Universität in Fukuoka anbahnen“, blickte Prof. Dr. Liebig in die Zukunft.

 

Internationale Vernetzung intensiviert sich mit Israel und Osteuropa

Ihre internationalen Netzwerke wolle die Universität weiterhin sehr gezielt ausbauen: Schwerpunkte in unmittelbarer Zukunft würden neben Japan auch Israel und Osteuropa sein: „Unsere Israel-Kontakte wollen wir diesen Herbst bei einem gemeinsamen Landesbesuch mit Ministerpräsident Oettinger weiter festigen. Zu Osteuropa verfügt die Universität traditionell hervorragende Kontakte durch das Osteuropazentrum. Während hier der Schwerpunkt in der Vergangenheit vor allem auf Lehrexport lag, befindet sich die Zusammenarbeit inzwischen auf einem Niveau, das es erlaubt, zunehmend in Forschungsprojekte einzusteigen.“

Bei den Studierenden falle dagegen auf, dass die internationale Mobilität der einzelnen Fakultäten unterschiedlich stark ausgeprägt sei: „Hier sollten wir auf ein höheres und ausgeglicheneres Level kommen“, meinte der Rektor.

 

Weit fortgeschritten: Vernetzung in der Region

Vor der eigenen Haustür sei die Vernetzung dagegen erfreulich weit fortgeschritten. „Die Exzellenzinitiative hat uns gezeigt, dass vor allem Hochschulen erfolgreich waren, die ihre Forschung in Netzwerken betrieben“, erläuterte der Rektor. Vergangenes Jahr habe die Universität Hohenheim verschiedene bilaterale Kooperationsverträge deshalb durch eine neue Universitätsallianz mit Stuttgart, Tübingen und Ulm ersetzt.

Zweites Standbein in der Region sei die Hochschulregion Tübingen-Hohenheim, an der neben den genannten Universitäten auch vier Fachhochschulen teilnehmen: „Von solchen Kooperationen profitiert nicht nur die Forschung: Neben diversen Lehrkooperationen beschloss die Hochschulregion für 2008 einen gemeinsamen Studierendenausweis. Daneben spielen wir mit dem Gedanken eines gemeinsamen Studienganges zu den Themen Energie und Umwelt über Hochschularten hinweg.“

 

Angebote vor Ort: Lokalbevölkerung soll stärker profitieren

Stärker von der Universität Hohenheim profitieren sollen auch die direkten Anwohner. „Zurzeit laufen vermehrt Gespräche mit dem Stadtbezirksmarketing von Plieningen und Birkach, um der Lokalbevölkerung zum Beispiel unser Kultur- und Sportangebot besser zugänglich zu machen.“

Das Interesse an einer verstärkten Einbindung der Universität in die Lebenswelt vor Ort sei dabei beiderseitig, betonte Prof. Dr. Liebig: „Für die umliegenden Stadtteile hat Hohenheim mit seinem Kulturprogramm und seinen prachtvollen Anlagen viel zu bieten. Gleichzeitig sind wir hochgradig auf Akzeptanz und Wohlwollen der Bevölkerung angewiesen – nicht zuletzt, wenn wir weiter wachsen wollen. Denn das bedeutet, dass wir zunehmend auch auf privat vermieteten Wohnraum für unsere Studierenden angewiesen sind.“

 

Text: Klebs


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