Ein Kaffee mit … dem Beauftragten für Exportkontrolle

Missbrauch von Forschung verhindern  [16.04.24]

Michael Branschädel ist der Beauftragte für Exportkontrolle an der Uni Hohenheim. Bild: Uni Hohenheim / Schmid

Das aktuelle Weltgeschehen, politische Vorgaben und rechtliche Schranken zwingen die Uni zur Vorsicht beim Teilen von Wissen, Geräten, Infrastruktur etc. Es gibt im Alltag mehr Berührungspunkte als man denkt. Zum Beispiel: „Was darf ich bei Dienstreisen mitführen?“, „Was darf ich mit internationalen Studierenden aus Ländern wie dem Iran teilen?“, „Was muss ich bei der Auswahl meiner Kooperationspartner beachten?“ Alles Aspekte, die der sogenannten Exportkontrolle unterliegen können. Der Online-Kurier sprach mit dem Beauftragten für Exportkontrolle an der Uni Hohenheim, Michael Branschädel.

 

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Herr Branschädel, seit Kurzem sind Sie der Beauftragte für Exportkontrolle in Hohenheim. Wahrscheinlich können die wenigsten etwas mit diesem Begriff anfangen und fragen sich, ob und falls ja, was sie damit zu tun haben. Könnten Sie das kurz erläutern?

Austausch und Weitergabe von Wissen sowie die Arbeit mit einer hochkarätigen Infrastruktur sind für die Uni Hohenheim wie für andere Universitäten von zentraler Bedeutung. Aber wissenschaftlicher Fortschritt kann auch für nationale und internationale Sicherheitsinteressen relevant sein. Ziel der deutschen und europäischen Exportkontrolle ist es, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, die unkontrollierte Weitergabe von Rüstungsgütern und die Nutzung von sensiblen Gütern zum Zweck von Menschenrechtsverletzungen oder terroristischen Aktivitäten zu verhindern.

Universität, Forschende und Verwaltung kommen in zahlreichen Tätigkeitsfeldern in Berührung mit diesen Regelungen. Dazu gehören insbesondere internationale Forschungskooperationen, der Austausch von wissenschaftlichem Gerät, Materialien und Software, die Zusammenarbeit mit internationalen Forschenden, die Einstellung von Personal aber auch die Mitnahme von Geräten, Software und Technologie auf Dienstreisen, Wissens- und Datentransfers sowie Veröffentlichungen. All diese Aktivitäten können unter bestimmten Voraussetzungen genehmigungspflichtig sein. Dies bedeutet, dass ein förmlicher Antrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu stellen ist.

F.I.T. Fortbildungen

„Exportkontrolle im Forschungsprojekt“

  • 7. Mai 2024 um 8:45 Uhr
  • 11. Juni 2024 um 8:45 Uhr

Offenes Zoom-Meeting am 16. Mai!

Was bedeutet das alles jetzt für Hohenheim?

Die Uni Hohenheim ist wie alle Unternehmen, Hochschulen etc. verpflichtet, durch interne Maßnahmen und Regelungen sicherzustellen, dass ihre Aktivitäten im Einklang mit den nationalen und internationalen Exportkontrollvorschriften stehen.

Dafür wurde ein innerbetriebliches Compliance Programm (ICP) aufgelegt und die Kanzlerin zur Ausfuhrverantwortlichen ernannt. Ein zentraler Baustein des ICP ist ein umfassendes Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebot. Wer im Arbeitsalltag Fragen hat, kann sich gerne an mich wenden. Außerdem bieten wir ab sofort über F.I.T. regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen an. Für das kommende Semester sind zunächst drei geplant. Das Angebot wird danach erweitert und an den Bedürfnissen des Campus ausgerichtet. Zusätzlich wird es in Kürze ein offenes Zoom-Meeting geben, bei dem die Kanzlerin, Frau Dr. Scheffer, und ich in das Thema einführen und jedem die Gelegenheit geben, sich mit dem Thema vertraut zu machen.

Grundsätzlich ist aber jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler selbst gefordert, darauf zu achten, dass im eigenen Umfeld die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden.


Das heißt: Die Forschenden haften persönlich?


Bei eigenen Fehlern kann das der Fall sein. Zu einer Haftung soll es natürlich nicht kommen. Die Universität stellt alle ihre Abläufe auf den Prüfstand, um eventuell vorhandene Defizite zu erkennen und zu beseitigen. Ziel sind einfache rechtssichere Abläufe und organisatorische Maßnahmen, um Fehler zu vermeiden. Wer die universitären Abläufe beachtet und bei Fragen das Informations- und Beratungsangebot in Anspruch nimmt, ist auf der sicheren Seite.

Das Thema sollte aber nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Seit einiger Zeit achten das BAFA und der Zoll verstärkt auf die Universitäten und führen auch Kontrollen durch. Verstöße gegen die exportkontrollrechtlichen Vorgaben können bei Personen mit hohen Geld- oder gar Freiheitsstrafen und bei Hochschulen mit hohen Geldbußen geahndet werden. Das zeigt, wie wichtig das Thema dem Gesetzgeber ist. Dazu kommt natürlich noch der entsprechende Reputationsverlust.


Jetzt werden viele die Freiheit der Wissenschaft bedroht sehen!

Keine Angst! Ziel der Exportkontrolle ist es ja nicht, die Freiheit von Wissenschaft und Forschung zu beschränken oder ihre Ergebnisse zu zensieren, sondern allein, deren Missbrauch zu verhindern. Die grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit entbindet nun mal nicht von der Einhaltung der Gesetze. Kritische Einzelfälle müssen erkannt werden, um nicht gegen geltendes Recht zu verstoßen. Aber selbst dann droht nicht automatisch ein Verbot. Das BAFA kennt die Interessen der Wissenschaft. Es geht mit Genehmigungsanträgen entsprechend verantwortungsvoll um.

Außerdem unterliegt nicht alles exportkontrollrechtlichen Beschränkungen. Die Weitergabe von Wissen, das allgemein zugänglich oder Ergebnis der wissenschaftlichen Grundlagenforschung ist, bedarf keiner Genehmigung. Dies gilt allerdings nur für Technologien (also auch Wissen), jedoch nicht für Software und Waren (Geräte, Prototypen, Proben etc.). Zur Frage, wann Grundlagenforschung vorliegt, gibt es eine klare Rechtsprechung, so dass sich die Abgrenzung im Alltag gut vornehmen lässt.

Kurz und gut: Die Exportkontrolle ist ein wichtiger Aspekt bei internationalen Forschungsaktivitäten und dem Austausch von Wissen und Technologie. Je nach Sachverhalt bezieht sie sich auf Güter, deren Verwendung, Länder oder Personen und Organisationen.


Klingt ganz schön kompliziert. Was ist denn darunter konkret zu verstehen?


Hauptsächlich geht um den verantwortungsvollen Umgang mit Gütern. Darunter werden Waren, Software und Technologie zusammengefasst. Der Begriff Technologie wiederum beinhaltet Wissen und damit Forschungsergebnisse.

Bei Waffen und militärischen Gütern wäre eine Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen selbstverständlich. Viel relevanter für unseren Alltag ist aber der Bereich der sogenannten Dual-Use-Güter, also der Güter, die sowohl für völlig harmlose als auch für militärische und andere kritische Zwecke verwendet werden können. Jedes Gut kann ein Dual-Use-Gut sein, weil auch die komplexeste Konstruktion einfachste Bestandteile enthält, die unter Umständen missbraucht werden können. Beispiele dafür sind Pumpen, Zentrifugen und Schrauben.

Es gibt eine Liste mit Gütern, deren Ausfuhr grundsätzlich genehmigungspflichtig ist. Bei nicht gelisteten Gütern ist wichtig, zu welchem Zweck und wo sie verwendet werden sollen. Hier muss man sich die Empfänger, also zum Beispiel die Kooperations- bzw. Vertragspartner und ihre Verwendungsabsichten genau ansehen.

Dann gibt es noch die sogenannte technischen Unterstützung, also alles im Zusammenhang mit Entwicklung, Herstellung, Reparatur, oder anderen technischen Dienstleistungen. Darunter kann unter Umständen auch schon die Beratung für Personen im Ausland bei der Durchführung einer neuen Methode per Telefon, E-Mail oder das Laden von Daten in eine Cloud fallen.

Hinzu kommen Embargos und Sanktionen gegen bestimmte Länder, Organisationen oder Einzelpersonen. Besonders prominente Beispiele für Länderembargos richten sich gegen Russland und den Iran. Die Beschränkungen für den Gütertransfer mit diesen Ländern müssen zusätzlich beachtet werden.


Wie setze ich das im Alltag um? Und ganz wichtig: Wo finde ich Hilfe?

Beim wichtigen Thema Ausfuhrkontrolle ist es zunächst wichtig, dass jede(r) selbst erkennt, wann etwas problematisch sein könnte. Schließlich haben wir keine zentrale Kontrollinstanz, der so etwas auffallen könnte. Um dafür zu sensibilisieren, biete ich die regelmäßigen Schulungen zu unterschiedlichen Schwerpunkten an.

Wenn eine Ausfuhr in Frage kommt, muss man erkennen, ob ein gelistetes Gut vorliegt oder ob der Empfänger das Gut für einen kritischen Zweck einsetzen möchte. Dazu gibt es im Intranet eine eigene Seite, auf der erläutert wird, wie diese Frage geklärt werden kann. Zusätzlich biete ich auch hier sehr gerne meine Unterstützung an.

Wenn eine Ausfuhrgenehmigung des BAFA notwendig ist, gehört die Vorbereitung zu meinen Aufgaben als Exportkontrollbeauftragter. Wegen der Bearbeitungszeit des BAFA sollte man sich möglichst frühzeitig an mich wenden.

Unabhängig davon ist Sensibilität für das Thema essenziell. Man sollte stets auf Ungereimtheiten achten. Anhaltspunkte können sein: Anfragen, die nichts mit dem Tätigkeitsgebiet des Empfängers zu tun haben, ungewöhnlich hohe Zahlungen oder Ungereimtheiten im Lebenslauf und Tätigkeitswünsche außerhalb des eigenen Ausbildungshintergrunds. Möchte zum Beispiel jemand, der Sprachen studiert hat, plötzlich Zugang zu technischen Laboren oder über Künstliche Intelligenz bei Robotern promovieren?


Sie sprachen auch von ganzen Einrichtungen und Ländern, die Sanktionen oder einem Embargo unterliegen? Worauf muss man da achten?

Exportkontrollen spielen beispielsweise auch dann eine Rolle, wenn wir darüber entscheiden, mit welchen Einrichtungen wir zusammenarbeiten. Bestehen Embargos gegen das Partnerland? Hat das konkrete Auswirkungen auf den Wissenschaftsbereich? Wird am Partnerinstitut Forschung zu militärischen oder vergleichbaren Zwecken durchgeführt? Das sind nur ein paar der Fragen, die wir uns bereits im Vorfeld einer Kooperation stellen müssen.

Sobald sich beispielsweise Bezüge zu Russland oder dem Iran ergeben, sollte man prüfen, ob das Vorhaben durch ein Embargo beschränkt wird und im Zweifelsfall zu mir kommen.

Sanktionierte Personen oder Organisationen dürfen keine Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen erhalten. Neben Stipendien kann das auch die Nutzungsmöglichkeit einer besonderen Forschungsinfrastruktur betreffen, wie beispielsweise der Zugang zu unseren Hochleistungsrechnern.

Das wird auch bei Drittmittelanträgen immer wichtiger. Beispielsweise ist aus Sicht der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bei internationalen Forschungskooperationen die informierte Einzelfallprüfung und -abwägung unumgänglich. Hierzu hat die DFG eigene Empfehlungen formuliert.


Gibt es sonst noch Dinge, die beachtet werden müssen?

Auf internationaler Ebene ist zudem das US (Re-)Exportrecht mit seinem extraterritorialen Geltungsanspruch zu beachten. Dafür gibt es eine spezielle Liste, in der aufgeführt ist, was darunterfällt. So kann es zum Beispiel sein, dass einem iranischen Wissenschaftler kein Zugang zu einem Gerät gewährt werden darf, das in den USA hergestellt worden ist. Oder dieses Gerät darf nicht ins Ausland transportiert werden.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei dieser anspruchsvollen Aufgabe! Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Stuhlemmer

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