Berufseinstieg

Praktika: Herausforderung Mindestlohn  [24.10.14]

Wer ab 2015 ein längeres, freiwilliges Praktikum absolviert, hat Anspruch auf Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde. Klingt gut. Doch: Eine solche Stelle muss man erstmal finden. Problematisch: Nicht alle Studierenden haben die gleiche Ausgangssituation. Denn Pflichtpraktika sind vom Mindestlohn ausgenommen. Freiwillig verzichten ist dagegen nicht möglich.

 

„Zurzeit läuft es bei der Praktikumssuche für viele Hohenheimer Studierende gar nicht rund“, weiß Ulrich Krieger vom Praktikantenamt  der Uni Hohenheim. „Bei uns suchen immer wieder Studierende Rat, denen ein bereits in Aussicht gestelltes Praktikum geplatzt ist. Viele andere finden erst gar keines.“

Grund für den Wirbel: Ab dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde. Darunter fallen auch alle freiwilligen Praktika, die länger als 3 Monate dauern.

Viele Unternehmen setzen 6-monatige Praktika voraus


Eigentlich ermutigt das Team des Praktikantenamtes und auch des CareerCenters die Studierenden, ein längeres Praktikum zu absolvieren, um einschlägige Erfahrungen für den Berufseinstieg zu sammeln. Auch wenn es nicht als offizieller Teil des Studiums mit ECTS-Punkten angerechnet werden kann.

„Viele Unternehmen suchen Praktikanten für 6 Monate. Vor allem, wenn die Aufgaben und Projekte anspruchsvoller sind“, erklärt Krieger. „Ein längeres Praktikum wird heute außerdem oft für den Berufseinstieg vorausgesetzt. Nicht selten wird dies ausdrücklich als Einstellungsvoraussetzung angegeben.“

Doch wie viele Unternehmen umgekehrt bereit sind, einen Brutto-Arbeitslohn von 1360 € für Vollzeit-Praktikanten zu zahlen, muss sich erst noch zeigen.

Ulrich Krieger zeigt sich skeptisch: „Unser Eindruck ist bisher, dass die Unternehmen jetzt überwiegend Pflichtpraktikanten einstellen. Denn die sind vom Mindestlohn ausgenommen. Dies sind in der Regel Studierende von Fachhochschulen, die ein verpflichtendes Praxissemester haben. Studierende von Universitäten haben dagegen das Nachsehen.“

Freiwillige Praktika können nicht als Pflichtpraktika ausgewiesen werden

Immer öfter kommen bei Krieger und seinen Kollegen deshalb Studierende in die Sprechstunde, die um eine Bescheinigung bitten, welche ein Praktikum als offiziell verpflichtend ausweist.

„Leider sind uns hier die Hände gebunden“, sagt Krieger. „Es gibt klare Regeln dafür, was als Pflichtpraktikum gilt, und was nicht. Das Praktikum müsste dazu ausdrücklich in der Prüfungsordnung verankert sein. In einigen Hohenheimer Studiengängen gibt es solche Pflichtpraktika. Allerdings sind diese meist auf eine Dauer von 3 Monaten begrenzt.“

Den einzigen Tipp, den er Studierenden in dieser Situation geben kann, ist, das Praktikum zu stückeln. „Eventuell könnte es möglich sein, ein 3-monatiges Praktikum durch eine 3-monatige Werkstudententätigkeit zu verlängern. Auf jeden Fall sollten Sie das Thema Mindestlohn von sich aus aktiv ansprechen, damit Sie am Ende keine kurzfristige Absage erhalten. Denn offenbar ist das Thema bei vielen Unternehmen noch gar nicht richtig angekommen“, meint Krieger.

Prorektor: „Unis sind benachteiligt“

Auch Michael Kruse, den Prorektor für Lehre, treibt das Thema Mindestlohn und Praktika um. „Studierende von Universitäten werden hier eindeutig gegen über den Studierenden der HAWs benachteiligt. Das kann nicht im Sinn des Gesetzgebers sein. Wir haben im Rektorat darüber diskutiert. Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll, wenn freiwillige Praktika bis zu mindestens 6 Monaten vom Mindestlohn ausgenommen sind. Wir möchten die Landesrektorenkonferenz deshalb bitten, sich für eine solche Gesetzesänderung stark zu machen.“

Mehr und längere Pflichtpraktika an den Unis einzuführen, sieht Michael Kruse dagegen nicht als Lösung. „Die Prüfungsordnungen für unsere Studiengänge sind sehr dicht – und in ihrem Gesamtgefüge wohlaustariert. Wir können es uns nicht leisten, andere Studienbestandteile zugunsten eines 6-monatigen Pflichtpraktikums zu streichen. Ich bin überzeugt, anderen Unis geht es in diesem Punkt genauso. Wir brauchen also eine politische Lösung“, so Kruse.

Text: Leonhardmair

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