Zur Sache, Prof!
Sollte man sexistische Werbung verbieten? [12.04.16]
Na, hat es funktioniert? Die weiblichen Rundungen auf dem Bild haben Ihre Aufmerksamkeit erlangt, so dass Sie nun diesen Text lesen? Das klappt auch in der Werbung. Justizminister Maas möchte sexistische Werbung nun verbieten – die Werbebranche wehrt sich gegen die Zensur, und FDP-Chef Lindner findet Maas spießig. Nützen würde das ohnehin nicht viel, meint der Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Schweiger.
Die Frau als Sexualobjekt – nach wie vor ist sie in der Werbung präsent. Heiko Maas will nun derartige geschlechterdiskriminierende Werbung, auch als Reaktion auf die sexuellen Übergriffe an Silvester in Köln, verbieten. Kann das wirklich zu einem moderneren Geschlechterbild in der Gesellschaft beitragen? Der Einfluss der Werbung sei vergleichsweise gering, meint Wolfgang Schweiger. Und ohnehin sei die Werbung in diesem Zusammenhang eher Symptom als Ursache des Problems.
Zur Sache, Prof!
Prof. Dr. Wolfgang Schweiger, Fachgebiet Kommunikationswissenschaft, insbesondere interaktive Medien- und Onlinekommunikation
Herr Schweiger, ist es tatsächlich so, dass sich ein Auto besser verkauft, wenn sich in der Werbung eine schöne Frau darauf rekelt?
Erotik wird in der Werbung in erster Linie zur Aufmerksamkeitssteigerung eingesetzt. Ob sich das Produkt dann tatsächlich auch besser verkauft, ist eine andere Frage. Aber bei der heutigen Reizüberflutung achtet kaum noch jemand mehr auf die einzelne Werbung. Dafür braucht es einen Schlüsselreiz, damit man als Rezipient aufmerksam wird. Und Erotik ist immer noch der stärkste Schlüsselreiz.
Aber spricht das denn nicht nur die männliche Hälfte der potenziellen Kunden an?
Ich bin zwar kein Psychologe, aber das mit der Aufmerksamkeit funktioniert durchaus auch bei Frauen. Es ist dann eher die Frage, wie Konsumenten eine Werbekampagne bewerten. Wenn Werbung sehr plump daherkommt, dann kann Erotik kontraproduktiv sein. Aber wenn sie gut gemacht ist, erhält sie von beiden Geschlechtern Aufmerksamkeit und kann durchaus auch gut gefunden werden.
Die Rede ist immer vom weiblichen Körper als Blickfang ohne Produktbezug. Gibt es das nicht auch mit umgekehrtem Vorzeichen? Warum steht das nicht in der Kritik?
Ja, vereinzelt gibt es auch erotische Werbung mit Männern, aber das wird kaum kritisiert. Hier haben wir ja doch den gesellschaftlichen Zusammenhang mit Fragen der Emanzipation etc., Männer gelten da nicht als schutzbedürftig. Bei der Diskussion geht es ja um ein moderneres Geschlechterbild, das Frauen nicht mehr als Sexualobjekt zeigen soll.
Würden denn Werbeverbote gegen Sexismus helfen?
Wir reden insgesamt über eine symbolische Darstellung von Geschlechterrollen in den Medien. Werbung nur ein Teil davon. Filme, Fernsehen, aber zum Beispiel auch Nachrichten spielen zusammen eine viel größere Rolle. Nehmen Sie zum Beispiel die Berichterstattung von den Oscar-Preisverleihungen. Da sieht man auch viele leicht bekleidete Frauen. Auch in Musik-Videos sieht man viel nackte Haut. Insgesamt ist der Anteil der Werbung am Gesamtbild relativ gering. Ein Verbot würde daher wohl wenig ändern.
Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren der Bereich Beauty und Fashion immer mehr Eingang in die redaktionelle Berichterstattung von Lifestyle-Magazinen etc. findet. Auch das würde ja von einem Werbeverbot nicht berührt werden.
Sexistische Werbung und Probleme wie Essstörungen – gibt es da tatsächlich einen Zusammenhang?Wissenschaftliche Untersuchungen gibt es einige, die einen Zusammenhang von Medieninhalten und Essstörungen von Jugendlichen belegen. Allerdings kann der Effekt der Werbung darin ja nicht isoliert nachgewiesen werden, das ist nur ganzheitlich erfassbar. Die Werbung spielt natürlich eine Rolle, aber der konkrete Anteil ist nicht zu identifizieren.
Bedenken muss man aber noch etwas ganz anderes: Werbung wirkt zwar tatsächlich auf die Gesellschaft, aber sie reflektiert auch die Trends in einer Gesellschaft. Immer schöner, schicker und extremer – diese Vorstellungen existieren in der Gesellschaft. Die Werbung ist auch Symptom dieser Trends. Und nun weiß man ja, dass es wenig Sinn macht, an Symptomen herumzudoktern anstatt die Ursachen zu bekämpfen.
Der Werberat hat letztes Jahr 196 Fälle sexistischer Werbung gerügt. Viel scheint das nicht zu nützen. Nun wird er von der Wirtschaft selbst finanziert. Bräuchte es für eine bessere Selbstkontrolle ein neues Gremium?Der Werberat ist eine Einrichtung der Selbstkontrolle, wie der Deutsche Presserat oder die freiwillige Selbstkontrolle bei Filmen. Der Gesetzgeber hält sich regulatorisch raus, solange sich die Wirtschaft auf diese Weise selbst reguliert. Das ist natürlich ein zahnloser Tiger, dient eher dazu, dass die werbetreibende Wirtschaft demonstrieren kann, dass sie sich kümmert. Falls die Gesellschaft wirklich sexistische Werbung als so enormes Problem sieht, dann müsste tatsächlich der Gesetzgeber ran.
Ehrlich gesagt, ich weiß nicht was übler ist – Frauenbrüste, die für eine Autowerkstatt werben, oder die adrette Hausfrau, die ihr Waschmittel liebkost. Solch überkommene Rollenbilder abzuschaffen ist aber wohl eher nicht im Gespräch?
Wie ich schon sagte, Werbung spiegelt gesellschaftliche Werte und Wünsche wider. Markenartikelwerbung wird von Unternehmen und Werbeagenturen mit großem Aufwand vorbereitet, auch durch Markt- und Meinungsforschung innerhalb der Zielgruppen/n. Die adrette Hausfrau entspricht vielleicht nicht Ihrem oder meinem Meinungsbild, aber die Zielgruppe gibt es ganz offensichtlich nach wie vor. Wenn man dagegen angehen und das regulieren wollte, würde das der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit entgegenlaufen.
Etwas anderes ist es, wenn ein deutlicher gesellschaftlicher Missstand vorliegt. Bei vielen Tausend Nikotin-Toten ist es ein gesellschaftliches Anliegen, Zigarettenwerbung zu verbieten. Aber bei dem antiquierten Rollenbild liegt das nicht vor. Ich denke, diese die Medien beeinflussen bei diesen Rollenbildern die Bürger weniger als umgekehrt.
Interview: Dorothea Elsner