Asbest und Folgen
Beschäftigte fordern Erklärungen und Konsequenzen [15.04.16]
Anhand von Gebäudeplänen erläuterten Schadstoffgutachter Holger Andris, Vertreter des Universitätsbauamts, Kanzlerin Katrin Scheffer und Vertreterinnen der Unfallkasse auf der gestrigen Vollversammlung Hintergründe und Auswirkungen des aktuellen Astbestfunds – und beantworteten Fragen von Uniangehörigen. Dabei wurde deutlich: Erklärungen allein reichen nicht aus, um die Skepsis der Beschäftigten vollständig auszuräumen. Sie fordern zusätzliche Maßnahmen und Konsequenzen.
Gebäudepläne mit abgesperrten Bereichen am Ende des Artikels
Es kommt nicht häufig vor, dass Planer des Universitätsbauamts unmittelbar mit Gebäudenutzern diskutieren. Die Vollversammlung zu den Folgen des Asbestfunds im Biogebäude war gestern einer dieser seltenen Zusammenkünfte.
Eines wurde dabei schnell klar: Das Unverständnis nach dem aktuellen Asbestfund ist groß – auch deshalb, weil die Dauerbaustelle im Biogebäude viele Beschäftigte ohnehin bereits seit Jahren stark in der täglichen Arbeit einschränkt.
Die Kritik der Beschäftigten kreist um folgende Schwerpunkte:
- Warum war der Asbestfund in einem Gebäude aus den 1970er-Jahren nicht vorhersehbar?
- Warum wird die Baustelle unterbrochen – nicht aber der Labor-Betrieb, obwohl beide Bereiche unmittelbar an die belasteten Elektro-Räume angrenzen?
- Warum ist die Baustelle nicht besser abgeschirmt?
Über allem schwebt die Besorgnis, welchem gesundheitlichen Risiko Beschäftigte und Studierende tatsächlich ausgesetzt waren oder möglicherweise noch immer ausgesetzt sein könnten.
Gutachter und Bauamt beantworten Nachfragen
Vertreter des Unibauamts und der unabhängige Schadstoffgutachter (SakostaCAU) bemühen sich zweieinhalb Stunden, das eigene Vorgehen, technische Hintergründe und Messergebnisse zu erklären und anhand von Gebäudeplänen Nachfragen von Gebäudenutzern zu beantworten.
Die Kernaussagen von Schadstoffgutachter Holger Andris:
- Die bisherigen Luftmessungen seien ausreichend, um eine Gefährdung in Hörsälen, Laboren und Büros auszuschließen
- Er rechne nicht mit weiteren unentdecken Stellen, an denen das asbesthaltige Brandschott-Material verwendet wurde
Warum die Bauarbeiter überhaupt von dem Fund überrascht werden konnten, erklärt Jan Hackmaier vom Universitätsbauamt wie folgt:
Bei vorangegangenen Sanierungsabschnitten in anderen Gebäudeteilen habe man an den entsprechenden Stellen kein astbesthaltiges Material gefunden. Vor der aktuellen Sanierung habe sich das Universitätsbauamt deshalb auf Akten mit älteren Messdaten verlassen – ein Fehler, aus dem man für die Zukunft Konsequenzen ziehen wolle.
Die Baustelle habe unterbrochen werden müssen, da sich hier besonders viel Staub angesammelt habe, in dem sich Asbestfasern abgesetzt haben könnten. Durch Bauarbeiten könnte dieser Staub aufgewirbelt und im Gebäude verteilt werden.
Am Montag will das Bauamt Angebote für Reinigungsarbeiten sichten. Es werde Wochen, aber keine Monate, dauern bis die Bauarbeiten wieder laufen, so die vorläufige Einschätzung.
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Beschäftigte stellen Forderungen
Immer wieder wird deutlich: Erklärungen allein können die Skepsis der Beschäftigten nicht vollständig ausräumen. Unter anderem formulieren Personalratsvertreter und Beschäftigte folgende Forderungen:
- Zugang zu allen Messergebnissen
- Maßnahmen, um Baustaub besser abzuschirmen
- vorsorgliche Luftmessungen während künftiger Bauarbeiten
- intensivere Reinigung von Laboren und Treppenhäusern
- Antworten auf noch offene Fragen aus der Diskussion
- schnelle Wiederaufnahme der Bauarbeiten
Kanzlerin Katrin Scheffer erneuert die Forderung an das Universitätsbauamt, alle Informationen, die die Sicherheit von Personen betreffen, unverzüglich an die Universität weiterzuleiten. Aktuelle Messergebnisse will sie auch für Uniangehörige verfügbar machen.
Über den aktuellen Fall hinaus erwarte sie vom Universitätsbauamt ein Schadstoffkonzept für das komplette Biogebäude, um Wiederholungsfälle bei künftigen Bauarbeiten zu verhindern.
Unfallkasse erläutert Messwerte
Für ein wenig Aufatmen im Saal sorgen die Redebeiträge von Sabine Lettau von der Unfallkasse Baden-Württemberg, die auf Einladung der Kanzlerin ebenfalls an der Sitzung teilnimmt.
Hintergrund Universitätsbauamt |
Anders als der Name suggeriert gehört das Universitätsbauamt nicht zur Uni Hohenheim, sondern untersteht es dem Landesbetrieb „Vermögen- und Bau“, einer Einrichtung des Finanzministeriums, die für das Gebäude- und Baumanagement aller landeseigenen Gebäude zuständig ist – wozu auch die Universitäten gehören.
Dies hat zur Folge, dass die Universitäten ihre Gebäude zwar nutzen, aber nicht besitzen und deshalb bei allen Bau-/Sanierungs- u.ä. Entscheidungen nur Mitsprache, aber kein Bestimmungsrecht haben. |
Auch sie sieht Kritikpunkte bei der Vorgehensweise der Sanierung sowie bei den bisherigen Kommunikationsflüssen – und bietet Beratung für künftige Verbesserungen an.
Gleichwohl gäben die Messwerte keinen Anlass zu großer Besorgnis.
Laut Gutachter liegen 33 von 36 Luftmessungen, die inzwischen im Gebäude durchgeführt wurden, deutlich unter dem gesetzlichen Grenzwert von 500 Fasern pro m³ Luft, der als unbedenklich gilt. Lediglich ein Ergebnis in einem abgesperrten Bereich liege mit 780 Fasern pro m³ merklich über dieser Grenze.
Zum Vergleich: Bis zu einem Wert von 10.000 Fasern pro m³ dürfen Sanierungsarbeiten ohne Atemschutz durchgeführt werden. Von 10.000 Personen, die diesem Wert über 40 Arbeitsjahre hinweg ausgesetzt sind, erkranken statistisch gesehen 4 Personen zusätzlich an Krebs.
Der genaue Zeitpunkt, an dem die Asbestfasern freigesetzt wurden, ist bislang unbekannt. Dennoch geht der Gutachter davon aus, dass es sich um eine vergleichsweise kurze Zeitspanne gehandelt habe, während der Neuverlegung von Kabeln.
Unfallkasse unterstützt bei Dokumentation
Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet die Uni zu dokumentieren, welche Personen sich länger in der Nähe der belasteten Bereiche aufgehalten haben. Da viele Krebsarten erst nach 20 Jahren und später auftreten, müssen diese Daten 40 Jahre archiviert werden. Somit könnten mögliche Zusammenhänge mit der Astbestbelastung auch zu einem späten Zeitpunkt überprüft werden, so die Expertin der Unfallkasse.
Für die Dokumentation will die Kanzlerin Beratung und Unterstützung durch die Unfallkasse in Anspruch nehmen. Uniangehörigen sollen zeitnah informiert werden, wie die Dokumentation konkret abläuft.
Für Fragen vorab stehen die Fachkraft für Arbeitssicherheit, Javanshir Hosseinzadeh, und Betriebsarzt, Dr. Arnd Simon, zur Verfügung.
Text: Leonhardmair
Gebäudepläne mit gesperrten Bereichen
Zum Vergrößern der Pläne, bitte in die Mitte der Bildergalerie klicken. Die Pläne beginnen mit dem Erdgeschoss und den Untergeschossen. Die oberen Etagen befinden sich im hinteren Teil.