Ein Kaffee mit... Uni-Rektor Stephan Dabbert

Nachgefragt: Dauerstellen für Forschung & Lehre  [20.02.19]

Derzeit sind an der Uni Hohenheim ca. 36% der Wissenschafsstellen (ohne Professuren) unbefristet besetzt. Der übrigen Stellen werden in erster Linie als befristete Promotions-, Postdoc- und Habilitationsstellen verwendet. Darüber hinaus sind in Drittmittelprojekten befristete Verträge an der Tagesordnung. Bild: Uni Hohenheim

In kaum einem anderen Bereich gibt es so viele befristete Arbeitsverträge wie an Universitäten. Betroffen sind davon in erster Linie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Doch wo liegt eigentlich das Problem? Und wie ließe sich etwas daran ändern? Der Online-Kurier hat eine Diskussion in der Kommentarspalte zum Anlass genommen, um mit Uni-Rektor Stephan Dabbert über das Thema zu sprechen.

 

 

 

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Herr Dabbert, die Forderung nach mehr unbefristeten Verträgen im Wissenschaftsbereich wird an der Uni in regelmäßigen Abständen vorgebracht, zuletzt auch in unserer Kommentarspalte im Zusammenhang mit den aktuellen Tarifverhandlungen (Zum Artikel…).

Wie denken Sie persönlich über diese Diskussion?

Nicht nur in Hohenheim wird darüber diskutiert. Erst vorletzte Woche forderten die Bundestagsabgeordneten der SPD Wiebke Esdar und Swen Schulz, die Unis müssten Befristungen den Kampf ansagen. Ihr Vorschlag: Neue Zusagen im Rahmen des Hochschulpaktes soll es nur dann geben, wenn sich die Unis im Gegenzug verpflichten, einen höheren Anteil von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dauerhaft einzustellen.

Sie schrieben dazu im Tagesspiegel: „An den Hochschulen müssen mehr Dauerstellen geschaffen werden. Dafür sollen die Mittel des Hochschulpaktes an die Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen geknüpft werden, indem die durch Paktmittel finanzierten Stellen konsolidiert und entfristet werden. Es soll das Prinzip gelten: Dauerstellen für Daueraufgaben.“

Ich finde den Vorstoß der SPD-Politiker irritierend. Denn die Politik ist es ja, die die Rahmenbedingungen schafft, deren logische Konsequenz die zahlreichen Befristungen an den Universitäten sind. Wenn man diese Rahmenbedingungen nicht zum Thema macht, läuft die Diskussion über die Befristungen an den Hochschulen meines Erachtens völlig ins Leere.

Welche Rahmenbedingungen meinen Sie genau? Den Mangel an Stellen und Geld?

Die Unterfinanzierung der Hochschulen spielt natürlich eine wichtige Rolle. Aber das Thema ist noch komplexer. In den letzten Jahrzehnten wurde z.B. die Art und Weise, wie Universitäten finanziert werden, stark verändert. Die Unis erhalten prozentual immer weniger Geld direkt. Stattdessen werden Forschungsgelder überwiegend im Wettbewerb vergeben – für zeitlich befristete Projekte.

Die logische Folge ist eine steigende Zahl befristeter Verträge. Dabei schreibt dann etwa der Bund explizit vor, dass wir das Geld nur für befristete Angestellte ausgeben dürfen, die im Rahmen des Projektes arbeiten. Ließen wir das Projekt von einem unbefristet Beschäftigten auf Landesstelle bearbeiten, bekämen wir kein Geld dafür – also unterlassen wir solche Konstruktionen. Dazu kommt, dass die Projektfinanzierung häufig kürzer ist, als es für die Fertigstellung einer Dissertation notwendig wäre.

Es gibt allerdings auch noch andere wichtigere Faktoren, die bei den Befristungen eine Rolle spielen.

Welche?

Ein Hintergrund, der in der Debatte häufig vergessen wird, hat mit dem Wesen der Universität selbst zu tun: Wir sind eine Qualifizierungseinrichtung.

Wir wollen jungen Menschen die Chance geben, während ihrer Promotion eine Anstellung an der Uni zu erhalten. Das gleiche gilt auch für die Habilitation oder eine andere Qualifizierung während einer Postdoc-Zeit. Nicht alle, die wir durch eine Promotion qualifizieren, können an der Universität Professorin oder Professor werden oder eine Dauerstelle als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler bekommen. Das ist auch nicht nötig, denn sie werden ja auch an anderen Stellen in der Gesellschaft gebraucht.

Wenn wir allen Wissenschaftlern während der Qualifizierungsphase heute dort, wo wir das haushaltsrechtlich prinzipiell dürften, einen unbefristeten Vertrag auf Lebenszeit geben würden, wäre unser Landes-Stellen-Pool schnell aufgebraucht und die nachfolgenden Generationen gingen in den kommenden Jahrzehnten leer aus. Das hieße dann, dass eine bezahlte Qualifizierung im Rahmen der Promotion oder danach ausschließlich über Drittmittel möglich wäre. Das kann nicht in Interesse der jungen Generation sein.

Wie hoch ist denn der Anteil der Befristungen im wissenschaftlichen Bereich, wenn man den Bereich der Drittmittel-Projekte einmal komplett außenvorlässt und sich nur die Stellen ansieht, die das Land der Uni zur Verfügung stellt?

Wir haben in Hohenheim etwa 127 Professuren, die grundsätzlich auf Lebenszeit besetzt werden. Wenige Ausnahmen gibt es nur, wenn temporär Vertretungen erforderlich sind. Derzeit haben wir außerdem 4 besetzte Tenure-Track-Professuren. Diese bilden eine Ausnahme vom Prinzip der unbefristeten Besetzung von Professuren, allerdings mit einer klaren Bleibe-Perspektive.

Darüber hinaus verfügen wir über 286 Stellen für Forschung und Lehre. Davon sind derzeit 36% unbefristet besetzt, also 102. Die übrigen Stellen nutzen wir überwiegend für befristete Promotions-, Postdoc- und Habilitationsstellen. Zudem müssen wir uns im Stellenpool natürlich auch eine gewisse Flexibilität erhalten, um in vielen Einzelfällen flexible Lösungen zu finden, z.B. wenn das Geld aus einem Drittmittelprojekt verbraucht, die Dissertation aber noch nicht fertig ist.

Betrachtet man den gesamten wissenschaftlichen Bereich, also Professuren und weitere Landesstellen, haben wir in Hohenheim derzeit also von 417 Wissenschaftlerstellen in etwa 229 unbefristet besetzt, das entspricht einem Anteil von ca. 53%.

Ist die Obergrenze mit 36% unbefristet besetzter Wissenschaftsstellen - ohne Professuren - aus Ihrer Sicht bereits erreicht? Oder könnte der Anteil nicht doch noch in gewissem Umfang erhöht werden?

Wirft man alles in die Waagschale, halte ich es bei unserer derzeitigen Grundausstattung für vertretbar, maximal 50% der Landesstellen für Wissenschaftler – ohne Professuren – unbefristet zu besetzen. Das ist allerdings tatsächlich die absolute Obergrenze.

Allerdings muss diese Grenze auch für die jeweiligen Unterbereiche gelten, etwa Institute. Da in einigen Teilen der Universität eine unbefristete Besetzung nicht oder nur in geringem Umfang gewünscht wird, erreichen wir die 50% auf der Ebene der Gesamtuniversität derzeit nicht.

Eines möchte ich noch ganz grundsätzlich zu bedenken geben: Selbst, wenn man die von einigen erhobene Forderung erfüllen würde und tatsächlich alle Landesstellen unbefristet besetzt, würde sich die Situation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Hohenheim nur in vergleichsweise geringem Ausmaß verändern.

Inwiefern?

Um eine in etwa ausgewogenen Alterspyramide zu erhalten, könnten wir bei den Einstellungen nur schrittweise vorgehen. Bei 25 Jahren Verweildauer auf der Stelle würde dies bedeuten, dass wir pro Jahr im Durchschnitt etwa 7 neue, zusätzliche Wissenschaftler entfristet einstellen können. Damit könnten wir also – sehr grob geschätzt – die jährlichen Einstellungen von derzeit ca. 4 auf ca. 11 erhöhen.

Da pro Jahr 140 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Uni Hohenheim promovieren, würden sich deren universitätseigenen Berufsaussichten also nur marginal verbessern. Es hätte aber den eben skizzierten Preis, dass wir eine Qualifizierungsorganisation ohne eigene Qualifikationsstellen wären und auch bei auslaufenden Drittmitteln den Betroffenen nicht mit Überbrückungsbeschäftigungen helfen könnten. Diesen Preis halte ich für deutlich zu hoch.

Kommen wir noch einmal zum Thema Drittmittel zurück. Die einzelnen Projekte sind natürlich zeitlich befristet, aber es ist davon auszugehen, dass die Uni auch in Zukunft immer wieder neue Gelder auftun wird. Könnte also nicht zumindest ein bestimmter Anteil der Forschenden, die aus Drittmittel finanziert sind, dauerhaft eingestellt werden?


Das ist ein Knackpunkt der Rechtslage. Ich hatte es ja bereits angesprochen. Die meisten Drittmittelgeber, wie etwa die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) oder das Bundesministerium für Bildung und Forschung, bestehen darauf, dass die Gelder ausschließlich dafür verwendet werden, um neue Strukturen aufzubauen, nicht um bereits Beschäftigte zu finanzieren. Frei nach dem Motto: Für Wissenschaftler, die bereits eine Festanstellung haben, benötigen die Unis doch kein zusätzliches Geld.

Es wäre schon ein erster wichtiger Schritt, wenn die Regeln der Drittmittelgeber – und hier ist vor allen anderen der Bund gefragt – in diesem Punkt anders ausgestaltet würden.

Die EU geht hier mit gutem Beispiel voran. Ihre Bestimmungen ermöglichen es, dass auch Forschende mit einer Festanstellung in EU-Projekten arbeiten können und wir deren Löhne als Projektkosten abrechnen können. Das Geld, das die Uni dadurch einspart, kann sie dann flexibel anderweitig einsetzen – z.B. für befristete Doktorandenstellen etc. Dies ist für die Institute, die solche Projekte einwerben, attraktiv.

Eine Obergrenze für unbefristet eingestellte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ergibt sich allerdings in jedem Fall durch die Stellen, die vom Land offiziell bewilligt wurden, richtig?

Ja, rein rechtlich dürfen wir immer nur dann unbefristete Arbeitsverträge ausstellen, wenn dafür auch eine Landesstelle zur Verfügung steht. Denn eine unbefristete Beschäftigung bedeutet für das Land eine Verpflichtung, die möglicherweise über Jahrzehnte währt. Über eine solche langfristige Verpflichtung kann nur der Landtag entscheiden.

Wenn jedoch alle Drittmittelgeber so vorgehen würden wie die EU hätten wir zumindest den notwendigen finanziellen Spielraum, um unseren Pool an Landesstellen auch tatsächlich in größerem Maße unbefristet zu besetzen. Vielleicht kämen wir dann auf eine Quote von 80 oder 90% statt derzeit 36%.  

Bei Projekten, bei denen man davon ausgeht, dass sie von Doktorandinnen oder Doktoranden bearbeitet werden, sollte außerdem eine Laufzeit von mindestens 42 Monaten vorgesehen werden – 36 Monate für das Anfertigen der Dissertation und 6 Monate für das Promotionsverfahren. Davon sind wir in der Realität weit entfernt, solche Laufzeiten gibt es nur selten.

Ich würde mir wünschen, dass die politische Diskussion an dieser Stelle ansetzt. Leider werden diese auf der Hand liegenden Überlegungen weithin ignoriert. Stattdessen zeigt man mit dem Finger auf die Universitäten. Wenn dies Abgeordnete tun, die einer Regierungspartei angehören und damit unmittelbar Verantwortung für diese Regelungen tragen, kann man das wohl als Chuzpe bezeichnen.

Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Leonhardmair

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