Ein Kaffee mit… Barbara Kurth, Diplom-Psychologin
Neue psychotherapeutische Anlaufstelle für Studierende [19.03.18]

Diplom-Psychologin Barbara Kurth berät Studierende direkt auf dem Hohenheimer Campus. Foto: Uni Hohenheim | Leonhardmair
Depressionen, Ängste, Sucht – Studien zeigen: Studierende sind von psychischen Problemen besonders häufig betroffenen. Ab sofort gibt es für sie eine neue Anlaufstelle auf dem Hohenheimer Campus: Diplom-Psychologin Barbara Kurth vom Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim leistet erste Hilfe, wenn der innere Druck zu groß wird. Ihr Rat: Alarmsignale ernst nehmen – und nicht erst warten, bis aus der Krise ein handfestes Problem geworden ist. Der Online-Kurier hat sie zum Kaffee getroffen.
UPDATE: Die aktuelle Ansprechperson in Hohenheim ist Psych. Julia Graebe (M.Sc.) - Kontakt...
Frau Kurth, psychische Probleme sind unter Studierenden ein großes Thema. Die Hohenheimer Studierendenvertretung hat sich deshalb für die neue Anlaufstelle auf dem Campus stark gemacht. Ist Ihr Termin-Kalender schon voll?
*lacht* Nein, im Moment sieht es noch ganz gut aus! Die neue Anlaufstelle muss sich ja erstmal herumsprechen. Die studentischen Vertreter haben mir aber auch schon bei ihrem Antrittsbesuch prophezeit, dass sich das bald ändern wird.
Auch künftig ist aber das Ziel, dass Studierende mit Problemen unkompliziert Termine bei mir bekommen – und nicht allzu lange auf ein Erstgespräch warten müssen. In psychotherapeutischen Praxen sind die Warteliste für Kassenpatienten ja leider im Regelfall sehr, sehr lang.
Psychotherapeutische Beratungsstelle des Studierendenwerks |
Termin für Erstgespräche in Hohenheim werden über das Sekretariat der Psychotherapeutischen Beratungsstelle in Tübingen (08:45 bis 12:15 Uhr) vermittelt: Beratungsstelle in Hohenheim
UPDATE: Die aktuelle Ansprechpartnerin in Hohenheim ist Psych. Julia Graebe (M.Sc.) Weitere Infos zum Beratungsangebot |
Sind Studierende denn tatsächlich eine besondere Risikogruppe?
Verschiedene Studien von Krankenkassen legen nah, dass Studierende häufiger unter psychischen Problemen leiden als andere junge Menschen.
Die Probleme sind allerdings ganz ähnlich wie im Rest der Bevölkerung. Besonders verbreitet sind Depressionen, Ängste und Sucht. Zum Glück handelt sich bei Studierenden häufig noch nicht um sogenannten „klinisch relevante“ Fälle, die einer mehrjährigen Therapie bedürfen. Oft können schon einige Gesprächstermine echte Erfolge bringen.
Was sind denn die Gründe für die besondere psychische Belastung der Studierenden?
Ich kann dazu nur eine Vermutung anstellen: Aus meiner bisherigen Arbeit in einer psychotherapeutischen Praxis weiß ich, dass Lebensumbrüche, Leistungsdruck und ungewisse Zukunftsperspektiven ein besonders guter Nährboden für psychische Probleme sind.
Bei Studierenden kommt vieles davon zusammen: Viele haben das Elternhaus gerade hinter sich gelassen und müssen ihr Leben erstmals komplett selbst organisieren: Vom Einkaufen bis zum Wäschewaschen. Auch das Studium erfordert ein hohes Maß an Selbstorganisation. Zugleich gilt es sich in einem neuen sozialen Umfeld zu orientieren. Und dann stehen ja auch schon bald die ersten Prüfungen vor der Tür an…
Viele Studierende reagieren auf diese äußeren Herausforderungen, indem sie ganz besonders hohe Maßstäbe an den eigenen Studienerfolg setzen und geraten dabei mitunter in eine gefährliche Spirale.
Überfordert, niedergeschlagen oder motivationslos fühlt sich wahrscheinlich fast jeder mal. Welche Alarmzeichen gibt es, auf die man hören sollte? Und wann sollte ich mir Hilfe holen?
Wenn sich zusätzlich zu negativen Gefühlen auch Gewohnheiten auf negative Art verändern, sollte man das auf jeden Fall ernst nehmen. Fragen Sie sich z.B. einmal: Trinke ich mehr Alkohol als letztes Jahr? Schlafe ich weniger? Nehme ich mehr Drogen? Hat sich mein Umgang mit anderen Menschen verändert? Wenn Sie solche Fragen mit ja beantworten, sollten Sie innehalten – und sich nicht davor scheuen, Hilfe zu suchen.
Weitere Anlaufsstelle: Zentrale Studienberatung |
Neben der psychotherapeuthischen Beratungsstelle des Studierendenwerks bietet auch die Zentralen Studienberatung (ZSB) der Uni Hohenheim Hilfe bei Problemen im Studienverlauf an.
In der Schwerpunkt-Sprechstunde stehen Prüfungs-Coaching, Lern-Strategien und Stress-Bewältitung im Mittelpunkt, aber auch Erstberatung bei psychischen Problemen und Krisen ist möglich. |
Mein Appell ist immer: Kommen Sie so früh wie möglich! Sie müssen keine Angst haben, das Problem könnte nicht wichtig genug sein. Im Gegenteil: Ich sehe meine Aufgabe hier auch als Prävention. Wenn ein einzelnes Gespräch ausreicht, um die eigenen Einstellungen und Verhaltensweise zu reflektieren – umso besser!
Denn klar ist: Je stärker man z.B. in eine Abhängigkeit oder ein anderes psychisches Problem gerutscht ist, desto länger dauert es auch, um wieder heraus zu kommen.
Mit welchen Problemen kann ich mich denn an Sie wenden? Und wie läuft die Beratung ab?
Sie können grundsätzlich mit allen Problemen kommen: Depressive Verstimmungen, Konflikte mit Eltern oder Partner, Redehemmung, Sinnkrisen, Panik-Attacken, Sucht…
Natürlich kann ich im Rahmen der Campus-Beratung keine Psychotherapie, im Sinn einer mehrjährigen kontinuierlichen Behandlung, leisten. Sollten die Probleme so gravierend sein, dass sie einer intensiveren Behandlung bedürfen, helfe ich dabei, eine passende Anlaufstelle zu finden.
Durchschnittlich sind für Beratungen ca. 3-4 Sitzung vorgesehen, das kann im Einzelfall aber auch abweichen. Für die Sitzungen gibt es keinen klaren Leitfaden. Zuerst möchte ich Ihnen natürlich Raum dafür geben, zu berichten was Sie belastet, und wobei Sie sich Hilfe wünschen. Aus dieser Bestandsaufnahme ergibt sich dann der weitere Verlauf.
Sie haben zuletzt in einer psychotherapeutischen Praxis in Berlin gearbeitet. Was hat Sie an die Uni Hohenheim im Schwabendland verschlagen?
Konkreter Anlass war die Arbeit meines Mannes: Seine Abteilung wurde von Berlin nach Stuttgart verlegt. Mit zwei kleinen Kindern hatten wir aber ohnehin mit dem Gedanken gespielt, die Großstadt zu verlassen. Jetzt wohnen wir im Stuttgarter Umland, wo es fast schon ländlich ist. Dort fühlen wir uns sehr wohl!
Auf die Arbeit mit Studierenden freue ich mich ebenfalls sehr. Es ist toll, dass wir hier die Möglichkeit haben, Probleme schon in einem sehr frühen Stadium anzugehen.
Auch wenn es den Hilfesuchenden während ihrer Krise nicht bewusst sein mag: Sie haben in ihrem jungen Alter häufig bereits viel bewältigt und erreicht. Sie verfügen also über viele Ressourcen, die sich oft auch im Rahmen einer kurzzeitigen Beratung hervorrufen lassen.
Wir haben viel über Problemfälle gesprochen. Haben Sie zum Abschluss auch einen Tipp, was ich tun kann, um während des Studiums gar nicht erst in eine Krise hineinzuschlittern?
Eine schöne Frage! Spontan würde ich sagen: Gehen Sie Ihr Studium ähnlich wie einen Job an. Teilen Sie Ihre Zeit ein und arbeiten Sie konzentriert, aber vor allem: Machen Sie auch mal Feierabend! Außerdem ganz wichtig: Schlafen Sie genug! Schlaf ist enorm wichtig, um dem Gehirn die notwendige Erholung zu gönnen.
Es mag abgedroschen klingen – und wenn Sie bereits in einem Teufelskreis drinstecken, hilft es auch nicht unbedingt weiter –, aber: Haben Sie Mut zur Gelassenheit! In ein paar Jahren fragt niemand, ob Sie ein Semester mehr oder weniger für Ihr Studium benötigt haben.
Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Leonhardmair