Kanzlerin und Sicherheitsbeauftragter im Interview
Nachgefragt: PCB-Fund im Schloss [24.05.19]

Die Fachkraft für Arbeitssicherheit zeigt die Fundstelle. Bild: Uni Hohenheim | Leonhardmair
In vier Büroräumen im Osthof des Schlosses wurden bei Renovierungsarbeiten PCB-haltige Materialien gefunden. Dabei handelt es sich um einen gesundheitsgefährlichen Stoff, der in die Raumluft ausdünstet. Die Fachkraft für Arbeitssicherheit hat die betroffenen Räume prophylaktisch geschlossen. Ob auch weitere Bereiche betroffen sein könnten, wird derzeit untersucht. Eine Info-Veranstaltung zum Thema findet am Dienstag, 4. Juni von 9–11 Uhr in der Aula statt. Der Online-Kurier hat Kanzlerin Katrin Scheffer und die Fachkraft für Arbeitssicherheit, Javanshir Hosseinzadeh, vorab zum PCB-Fund interviewt.
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Frau Scheffer, Herr Hosseinzadeh, Sie haben alle Uni-Angehörigen per Rundmail zu einer Info-Veranstaltung zum Thema PCB eingeladen. Hintergrund ist ein aktueller Schadstoff-Fund in vier Büroräumen im Schloss Osthof-Süd im Stockwerk über dem Hörsaal 10.
Worum geht es bei der Info-Veranstaltung genau?
Scheffer: Wir möchten so viel Transparenz wie möglich zu dem konkreten Fall herstellen und über den Schadstoff PCB sowie damit verbundene gesundheitliche Risiken informieren.
Hosseinzadeh: Das Problem mit PCB: Die Chemikalie dünstet beständig aus und gelangt dabei auch in die Raumluft. Gerade in schlecht belüfteten Räumen kann dies ein gesundheitliches Risiko werden, wenn man sich regelmäßig und für längere Zeit darin aufhält. Für Schwangere und Stillende gelten hierbei ganz besonders strikte Grenzwerte. Die Situation ist also ganz anders als z.B. bei Asbest, der in gebundener Form unproblematisch ist, und nur dann Fasern freisetzt, wenn er angebohrt oder anderweitig beschädigt wird.
Weitere Informationen |
Informationsveranstaltung:
- Dienstag, 4.6.
- 9 – 11 Uhr
- Aula (Schloss Mittelbau)
Info-Seite:
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Das PCB wurde in einer Fugenmasse gefunden. Ob und wie stark es die Raumluft belastet hat und ob es gesundheitliche Gefahren gibt, wissen wir noch nicht, diese Untersuchungen laufen. Wir befürchten es aber. Deshalb haben wir seitens der Arbeitssicherheit sobald der Fund bekannt wurde, die Beschäftigten vor Ort sofort informiert. Vier Büroräume wurden prophylaktisch geschlossen.
Scheffer: Wir möchten aber auch anderen Uni-Angehörigen die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen. Wir bemühen uns dazu, kurzfristig auch einen externen Experten für die Info-Veranstaltung zu gewinnen.
Außerdem wollen wir bei der Veranstaltung darstellen, welche Maßnahmen die Universität und das Landesamt für Vermögen und Bau jetzt ergreifen. Über die Info-Veranstaltung hinaus, wollen wir auch eine Informationsseite im Intranet erstellen.
Besteht denn der Verdacht, dass auch noch weitere Räume betroffen sein könnten?
Scheffer: Es erscheint uns wahrscheinlich. Soweit ich informiert bin, wurde PCB ab den 1950er Jahren bis in die 1980er Jahre sehr häufig verwendet, z.B. in Fugenmassen des Beton-Fertigbaus, in Kunststoffen oder Lacken und in Transformatoren.
Hosseinzadeh: Das PCB in diesem konkreten Fall wurde Mitte April in einer sogenannten Dehnungsfuge gefunden. Dehnungsfugen sind ca. 1-5 cm breite Zwischenräume in den Wänden älterer Gebäude, die aus statischen Gründen angelegt wurden, um eine Art Pufferzone für minimale Bewegungen des Gebäudes zu schaffen. Das PCB befindet sich in der Abdichtungsmasse an der Oberfläche der Fuge hin zum Raum.
Scheffer: Die Gebäude auf dem Campus unterstehen dem Landesamt für Vermögen und Bau. Ich habe von den dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefordert, dass sie zusammen mit unserer Fachkraft für Arbeitssicherheit kurzfristig eine aktuelle Liste vergleichbarer Fugen überall auf dem Campus erstellen, damit man diese genauer untersuchen kann.
Die betroffenen Räume liegen schräg über dem Hörsaal 10. Könnte der auch betroffen sein?
Scheffer: Bislang kennen wir diese Fugen nur aus Büroräumen. Ob Hörsäle oder Seminarräume betroffen sein könnten, wissen wir erst in den kommenden Tagen. Es ist aber möglich.
Fundort des PCB ist eine sogenannte Dehnungsfuge im Schloss Ostof-Süd.
Die konkrete Dehnungsfuge verläuft zum Glück knapp neben dem Hörsaal 10 im Außenbereich des Gebäudes. Wir gehen davon aus, dass es im Hörsaal 10 deshalb keine Gefährdung gibt.
Die Beschäftigten des Instituts fragen sich, warum das Problem seitens des Landesamts für Vermögen und Bau erst jetzt registriert wurde.
Scheffer: Ich weiß, dass die Beschäftigten im Institut sehr aufgebracht sind und das kann ich mehr als gut verstehen. Ein Blick in die Akten hat uns gezeigt: Die Fuge ist seit Jahrzehnten ein Thema. In den Unterlagen gibt es einen Bauantrag von 1987, weil es da durch die Fuge hineinregnete und schneite. Man wusste also auch im Bauamt, dass es im Schloss solche Fugen gibt, und dass sie aus einer Zeit stammen, in der man solche Fugen häufig mit PCB abgedichtet hat.
Hosseinzadeh: Die Beschäftigten sind deshalb der Meinung, dass Fachleute, die sich mit so einer Fuge beschäftigten, auch auf die Idee kommen müssten, die dort verwendete Abdichtungsmasse auf PCB zu untersuchen. Dieser Auffassung kann ich mich nur anschließen.
Die Beschäftigten im betroffenen Institut haben jedoch den Eindruck, dass das Landesamt für Vermögen und Bau erst tätig wurde, nachdem sie selbst aktiv die Fachkraft für Arbeitssicherheit eingeschaltet haben…
Hosseinzadeh: Spätestens dann, wenn in Altbauten gearbeitet wird, müssen die Gebäude auf Schadstoffe überprüft werden. Das heißt, bevor eine alte Tür abgeschliffen wird, muss der Lack auf Schadstoffe untersucht werden. Bevor ein alter Teppich herausgerissen wird, muss geprüft werden, ob Kleber und Estrich nicht Asbest enthalten.
Deshalb sollte vor jeder Baumaßnahme auch ich als Fachkraft für Arbeitssicherheit informiert und einbezogen werden. In diesem Fall haben wir keine solche Information erhalten.
Scheffer: Ganz generell erkenne ich durchaus an, dass das Universitätsbauamt bei den letzten größeren Baumaßnahmen systematisch Schadstoffgutachter eingebunden hat. Nach dem Asbestvorfall im Bio-Gebäude im Jahr 2016 hat das Bauamt auf Drängen der Universität außerdem ein Schadstoffkataster für das Bio-Gebäude angelegt.
Was den aktuellen Fall betrifft, will ich es vorsichtig so formulieren: Der aktuelle Kenntnisstand schließt die Vermutung nicht aus, dass das Universitätsbauamt eine solch systematische Untersuchung im Vorfeld der Maßnahmen nicht oder nicht umfassend durchgeführt zu haben scheint. Wir sind gerade dabei, die verschiedenen Perspektiven zusammenzutragen und den gesamten Fall gemeinsam mit dem Bauamt zu rekonstruieren und aufzuarbeiten.
Wir müssen aber auch unbedingt über den konkreten Fall hinausdenken.
Was sind Ihre Pläne?
Scheffer: Wir drängen nun darauf, dass mit hoher Priorität ein flächendeckendes Schadstoffkataster für den gesamten Campus erstellt wird – egal, ob das mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden ist. Notfalls nehmen wir die Sache selbst in die Hand – auch wenn dies eigentlich nicht in unseren Zuständigkeitsbereich als Universität fällt.
Luftmessungen sollen Aufschluss darüber geben, ob Grenzwerte überschritten wurden und wie groß des Gefährdung für die Beschäftigten in den Räumen war.
Hier gibt es einige Vorarbeiten, die man nutzen kann: So hat das Landesamt für Vermögen und Bau in den vergangenen Jahren etliche Bereiche im Schloss und in anderen Gebäuden auf Schadstoffe untersucht, allerdings wie bereits erwähnt zumeist nur im Zusammenhang mit Baumaßnahmen oder bei konkreten Verdachtsfällen.
Auch unsere Fachkraft für Arbeitssicherheit der Universität hat hier vorgearbeitet. Wir brauchen aber nicht punktuelle Untersuchungen. Wir wollen jetzt flächendeckend wissen, wo solche Gesundheitsgefahren bestehen könnten und diese dann ausschließen.
Dafür werden wir das Bauamt in die Pflicht nehmen.
Nach dem PCB-Fund wurde vier Büroräume gesperrt. Welche Gefahr besteht für die betroffenen Beschäftigten denn konkret?
Hosseinzadeh: Wir haben bislang nur Untersuchungsergebnisse aus dem Fugenmaterial. Daraus allein lassen sich noch keine Rückschlüsse auf die Gefährdung ziehen. Dazu ist es notwendig, die Raumluft zu messen. Diese Messungen haben am vergangenen Mittwoch stattgefunden. Die Ergebnisse müssten zum Wochenbeginn vorliegen.
Die Beschäftigten drängen jedoch darauf, dass die Luft im Sommer erneut gemessen wird. Wir wissen nämlich, dass PCB bei höheren Temperaturen viel stärker ausdünstet. Und gerade im Obergeschoss im Schloss heizen sich die schwarzen Schindeln in der Sonne besonders auf. Unterm Dach hat es dann wochenlang über 30 Grad.
Heißt das, die Beschäftigten müssen jetzt mit wochenlanger Unsicherheit leben?
Scheffer: Unabhängig von allen aktuellen und künftigen Messergebnissen haben wir am Montag und Freitag Sondersprechstunden beim Betriebsarzt eingerichtet. Wir raten allen betroffenen Beschäftigten, dort einen Bluttest durchführen und ihren Aufenthalt in den belasteten Räumen dokumentieren zu lassen.
Hosseinzadeh: Das Problem ist, dass die Belastung gegebenenfalls über Jahrzehnte stattgefunden hat. Aktuell recherchieren Personalabteilung und Institutsangehörige, welche Personen die Räume in den vergangenen Jahren genutzt haben. Wir wollen alle anschreiben und auf den Bluttest hinweisen. Wer umgezogen ist, kann vor Ort zum Arzt gehen und die Uni wird die Kosten übernehmen.
Scheffer: Für die Infoveranstaltung am Dienstag, 4. Juni sind wir auch auf der Suche nach einem externen Experten, der fachkundig und neutral über PCB, mögliche Folgen und mögliche Schutzmaßnahmen aufklärt.
Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Leonhardmair