Urheberrecht
Einschränkungen für digitale Lehr-Materialien [01.12.16]
Ab 1. Januar gelten strengere Regeln für Lehr-Materialien auf ILIAS und in anderen elektronischen Medien: Auszüge aus gedruckten Büchern und wissenschaftlichen Zeitschriften dürfen bis auf Weiteres nicht mehr ohne individuelle Lizenz digitalisiert und auf der Uni-Homepage verfügbar gemacht werden. Hintergrund ist ein auslaufender Rahmenvertrag mit der Verwertungsgesellschaft Wort. Über eine Nachfolge-Regelung gibt es bislang keine Einigung.
Dozentinnen und Dozenten müssen sich beim Zusammenstellen von Lehrmaterialien an das deutsche Urheberrecht halten.
Das ist an sich nichts Neues. Bisher profitieren sie jedoch von einer weitreichenden Ausnahmeregelung, die im § 52a des Urheberrechtsgesetzes festgehalten ist: Im Kontext von Forschung und der Lehre dürfen gedruckte wissenschaftliche Texte im gewissen Umfang digital verfügbar gemacht werden.
Die Bundesländer bezahlen dafür momentan eine Pauschale an die Verwertungsgesellschaft (VG) Wort, welche die Zweitverwertungsrechte für registrierte Autoren verwaltet.
Unis lehnen neuen Rahmenvertrag ab
Mit dieser praktischen Regelung ist Ende des Jahres jedoch vorerst Schluss. Ab 1. Januar besteht die VG Wort auf eine Einzelabrechnung für jeden digitalisierten Textauszug. Lehrende müssten demnach jeden verwendeten Text einzeln über ein Online-Portal bei der VG Wort melden.
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Das wiederum hält die Mehrzahl der Universitäten in Deutschland für nicht praktikabel und will den neuen Rahmenvertrag deshalb nicht unterzeichnen. Auch die 9 Landesunis in Baden-Württemberg stellen sich gesammelt gegen die Neuregelung.
Die Unis hoffen durch den gemeinsamen Boykott, eine praxistauglichere Regelung mit der VG Wort aushandeln zu können.
Auswirkungen für Lehrende
Solange keine Einigung besteht, hat dies weitreichende Auswirkungen: Für Unis, die dem neuen Rahmenvertrag nicht beitreten, entfällt ab 1. Januar die genannte Ausnahmeregelung (§ 52a UrhG) in Bezug auf Textpublikationen.
Lehrende dürfen urheberrechtlich geschützte Texte dann nicht mehr im größeren Umfang digitalisieren – es sei denn, sie haben die Rechte über eine entsprechende Lizenz vorab von den jeweiligen Verlagen erworben.
Betroffen von der auslaufenden Sonderregelung sind längere Textauszüge. Kürzere Zitate mit Quellenangabe sind nach dem allgemeinen Urheberrecht hingegen auch weiterhin erlaubt. E-Books und E-Journals, für die in Hohenheim Campuslizenzen verfügbar sind, können ebenfalls weiterhin problemlos genutzt werden. Auch bei Vorlesungsskripten, Kopien oder Foliensätzen bleibt alles beim Alten.
„In den Fakultäten A und N wird vermutlich überwiegend mit digitalen Verlags-Publikationen gearbeitet, hier ändert sich deshalb zum 1. Januar wenig“, schätzt Andreas Janßen, Leiter der Abteilung Medienbearbeitung im KIM. „In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften spielen gedruckte Werke hingegen nach wie vor eine große Rolle. Lehrende müssen deshalb genau prüfen, welche Materialien sie weiterhin online zur Verfügung stellen können.“
Homepage zum Thema „Urheberrecht“ informiert
Die neuen Rahmenbedingungen gelten auch rückwirkend auf bereits veröffentlichte Textauszüge.
Alle betroffenen Inhalte müssen bis 1. Januar von ILIAS und der Homepage der Uni Hohenheim entfernt werden. Verantwortlich für die Löschung sind die Personen, die die Textauszüge online gestellt haben. Sie können bei etwaigen Abmahnungen und Schadensersatzforderungen zur Haftung herangezogen werden.
Eine ausführliche Zusammenstellung, was ab 1. Januar erlaubt ist und was nicht, sowie Hintergründe und Hinweise zur aktuellen Situation, bietet eine überarbeitete Website zum Thema „Urheberrecht im Kontext von Lehre und Lernen“.
Unis wollen weiter verhandeln
„Wir bedauern sehr, dass die Arbeit von Universitätsangehörigen durch die Entscheidung der Landesuniversitäten erschwert und Serviceleistungen für unsere Studierenden eingeschränkt werden“, so Kanzlerin Katrin Scheffer. „Wir hoffen aber, dass diese restriktive Praxis nur für einen begrenzten Zeitraum ausgeübt werden muss und im kommenden Jahr eine praktikablere Lösung gefunden wird.“
In den angestrebten Nachverhandlungen mit der VG Wort gehe es den Universitäten um das Verfahren, nicht darum, die Kosten zu drücken, betont Scheffer. „Die baden-württembergischen Hochschulen erkennen das Recht der Autorinnen und Autoren auf eine angemessene Vergütung ihrer Arbeit voll an. Allerdings würde ein Beitritt zum Rahmenvertrag unverhältnismäßigen Aufwand nach sich ziehen, ohne eine befriedigende Situation zu schaffen.“
Umgerechnet läge der Aufwand, den Lehrende und Serviceeinrichtungen betreiben müssten, um einen Textauszug zu melden, beim Drei- bis Vierfachen des Betrages, welcher für den jeweiligen Text an die VG Wort zu entrichten wäre, so die Einschätzung mehrerer Hochschulen.
Darüber hinaus stünde der VG Wort gemäß der neuen Regelung ein sehr umfassendes Prüfungsrecht zu, um die Meldungen auf Korrektheit und Vollständigkeit zu überprüfen. Die Unis sehen hier ungelöste Datenschutzprobleme.
Was die Neuregelung im Alltag konkret bedeuten würde, hat die Uni Osnabrück in einer Teststudie ausprobiert. Das Ergebnis: die Anzahl bereitgestellter Texte sei aufgrund des hohen Aufwands um 75% zurückgegangen und Studierende hätten erheblich mehr Zeit für die Literaturbeschaffung aufwenden müssen.
Text: Leonhardmair