Ein Kaffee mit Bernhard Fuchs, Alumnus

Zurück in der TMS - nach 50 Jahren  [09.05.25]

Alumnus Bernhard Fuchs hat die Gründung der TMS in bewegten Zeiten miterlebt. Bild: Uni Hohenheim / Leonhardmair

Studentenproteste, legendäre Campus-Momente und die Anfänge der TMS: Bernhard Fuchs hat all das in den 70er-Jahren als Student an der Uni Hohenheim live miterlebt. Eines der ersten TMS-Events war die 450-Jahr-Feier des Deutschen Bauernkriegs. 50 Jahre später machen er und seine Kommilitonen nun einen Schwur von damals wahr: Auch der 500. Jahrestag soll gebührend in der TMS gefeiert werden. Alle Uni-Angehörigen sind herzlich eingeladen! Was ihn bewegt – damals wie heute – berichtet der Hohenheimer Alumnus beim Kaffee mit dem Online-Kurier.


Theaterstück über Thomas Müntzer, Kulturabend über die Anfänge der TMS in den 1970ern und ein agrarpolitisches Symposium: Vom 24. - 28. Mai lädt die Gruppe 1525 und der Hohenheimer AStA zu einer Veranstaltungsreihe zum 500. Jahrestag des Deutschen Bauernkriegs. Alle Termine im Überblick...

Fotogalerie mit historischen Campus-Impressionen am Ende des Artikels!

Herr Fuchs, wir treffen uns heute zum Interview an der TMS. Für Sie ein Ort voller Erinnerungen. Wie fühlt es sich an, hier zu sein?


Ich komme gerade vom Plakatkleben und Flyerverteilen – genau das Gleiche habe ich vor 50 Jahren gemacht als wir den 450. Jahrestag des Deutschen Bauernkriegs feierten. Ich fühle mich wirklich wie in der Zeit zurückversetzt.

Natürlich hat sich sehr viel verändert. Aber der Name „Thomas Müntzer“, den wir damals vor dem Vergessen bewahren wollten und als revolutionären Helden verehrten, ist auf dem Campus immer noch in aller Munde. Und die Studierenden von heute haben wieder alle Rechte, die uns damals genommen wurden. Das bewegt mich sehr.

    Nehmen Sie uns doch einmal mit zurück in die Zeit von damals …

Ich habe 1974 mein Studium der Allgemeinen Agrarwissenschaft begonnen. Zu meinen Kommilitonen gehörte unter anderem unser heutiger Landesvater Winfried Kretschmann – damals Mitglieder einer maoistisch orientierten Studentengruppe und zeitweise auch AStA-Vorsitzender.

Ich konnte allerdings wenig mit ihm anfangen, da ich einem anderen politischen Lager angehörte und mich mehr für die praktischen Probleme der Studierenden interessierte als für abstrakte ideologische Debatten.

Insgesamt war die Studentenbewegung auf ihrem Höhepunkt. Fast alle Hohenheimer Studierenden waren in hochschulpolitischen Gruppen aktiv – und es verging kaum eine Woche ohne Demo.


Wogegen haben Sie demonstriert?

Uns bewegten natürlich vor allem die großen Themen der Zeit: der Kalte Krieg, später die Nachrüstung. Aber auch Missstände in Deutschland selbst – etwa der Radikalenerlass, der politisch unbequemen Studierenden eine Laufbahn im öffentlichen Dienst verwehrte.


Besonders im Visier hatten wir Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU), der 1977 unter fadenscheinigen Gründen die Verfasste Studierendenschaft abschaffte. Wir ließen uns jedoch nicht kleinkriegen und organisierten den AStA inoffiziell weiter. Wir sind also gewissermaßen „in den Untergrund“ gegangen.

Auch mit dem damaligen Uni-Präsidenten Georg Turner gerieten wir regelmäßig aneinander – unter anderem, als wir gegen die Abschaffung des Medizinstudiums in Hohenheim protestierten. In dieser Sache konnten wir uns leider nicht durchsetzen.

TMS-Programm: 500 Jahre Bauernkrieg

„Die Enkel fechten’s besser aus!?“: Kulturabend in der TMS

  • Sa, 24. Mai 2025, 20 Uhr

„Nichts denn als unsere gerechte Sache“: Agrarpolitischen Symposium

  • So, 25. Mai 2025, 11 Uhr

„Thomas Müntzer – der Mann mit der Regenbogenfahne“: Theateraufführung

  • Mo, 26. Mai 2025, 20 Uhr
  • Di, 27. Mai 2025, 20 Uhr
  • Mi, 28. Mai 2025, 20 Uhr

Mehr Erfolg hatten wir hingegen bei der Verteidigung der TMS, die nach Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft geschlossen werden sollte. Selbst eine polizeiliche Zwangsräumung im Jahr 1980 konnte uns nicht stoppen.


Sie haben damals nicht nur demonstriert, es waren auch Sternstunden der studentischen Kultur, oder?

Ich denke, das kann man mit Fug und Recht sagen. Der „Hohenheimer Sommer“, den wir jedes Jahr veranstalteten, war legendär – und weit über die Stadtgrenzen bekannt.

Der Schlosshof verwandelte sich an vielen Abenden in eine Art "Festivalgelände" mit über zehntausend Besucherinnen und Besuchern. Es traten bekannte Bands und Ensembles auf, international renommierte Künstler, Literaten, Liedermacher und Filmemacher waren zu Gast. Wir kooperierten sogar mit dem Landestheater Tübingen, das die Schlosskulisse als Freilichtbühne nutzte – ein voller Erfolg!

Sogar Michael Gorbatschow war 1975 mit einer Delegation der KPdSU zu Gast bei einer AStA-Ausstellung zum 30. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Das war einige Jahre vor seinem politischen Aufstieg.


Welche Rolle spielte die TMS dabei?

Bis 1975 war die damalige Öhmd-Scheuer nicht mehr als ein heruntergekommener Lagerraum. Pünktlich zum 450. Todestag von Thomas Müntzer gelang es der Verfassten Studierendenschaft, das Gebäude zu übernehmen und zu sanieren, um es als zentrales Kommunikationszentrum für die Studierenden zu nutzen.

Das erste große Event in der neu gestalteten Scheuer waren dann auch die Feierlichkeiten zum Bauernkrieg-Jubiläum. 1976 wurde sie auf unser Betreiben hin dann offiziell in „Thomas Müntzer-Scheuer“ umbenannt. Wenig später war die TMS für ihre Kultur-Veranstaltungen und Partys schon stadtbekannt.

Auch das Symbol des Hohenheimer AStA – die vier markanten Fäuste – stammt aus dieser Zeit. Der international bekannte Künstler HAP Grieshaber überließ uns diesen und andere originale Holzschnitte als Dank für unser Gedenken an den Bauernkrieg.


Warum war Ihnen der Deutsche Bauernkrieg damals so wichtig? Und ist es ja offenbar bis heute…

Wir waren damals nahezu die Einzigen, die dieses bedeutende historische Ereignis würdigten – das brachte uns sogar einen lobenden Artikel im Spiegel ein. Dort hieß es über uns: „Ausgerechnet die linkesten Studenten haben den bewusstesten Umgang mit der Geschichte.“

Heute, zum 500. Jahrestag, ist das öffentliche Interesse zwar größer, aber es dominiert leider immer noch ein verzerrtes Geschichtsbild: Die Bauern waren kein anarchischer Mob mit Mistgabeln, sondern revolutionäre Vorkämpfer für Demokratie und Menschenrechte. Dieser zentrale Aspekt wird meist völlig verkannt.


Als Agrarstudenten, die ebenfalls für ihre Rechte kämpften, konnten Sie sich damals wahrscheinlich gut identifizieren?

Absolut. Insbesondere Thomas Müntzer war unser großes Vorbild. Aber auch unabhängig davon bin ich bis heute überzeugt: Die Bedeutung des Bauernkriegs wird massiv unterschätzt.

Die „Zwölf Artikel der Bauern“ von 1525 zählen zu den frühesten Formulierungen sozialer Menschenrechte in Europa. Ihre Grundgedanken finden sich in vergleichbarer Form heute in der UN-Menschenrechtserklärung wieder. Wenn das kein Grund zum Gedenken ist!


Was war Thomas Müntzers Rolle dabei?

Thomas Müntzer war ein Zeitgenosse Martin Luthers. Beide hatten viel gemeinsam: Sie waren Männer der Kirche, Reformer, und engagierten sich für das einfache Volk.

Man muss wissen: Die Bauern beriefen sich bei ihren Forderungen auf die Bibel. Genauer gesagt auf die Idee, dass alle Menschen vor Gott gleich sind. Zunächst unterstützte auch Luther ihre Sache, kehrte ihnen jedoch später den Rücken und sprach den Protesten die Legitimität ab. Seine Reform verlagerte er rein in den theologischen Bereich. Nach dem Motto: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist – das Paradies kommt später.“

Müntzer hingegen blieb den Bauern und ihren berechtigten sozialen Forderungen treu. Dafür bewundere ich ihn – und finde, sein Name sollte genauso bekannt sein wie der von Martin Luther.


Seit wann laufen die Planungen für die 500-Jahr-Feier?

Schon beim 450. Jubiläum haben wir uns geschworen: In 50 Jahren kommen wir zurück nach Hohenheim, um gemeinsam zu feiern – und das Gedenken an den Deutschen Bauernkrieg weiterzutragen.

Dafür gründeten wir die Gruppe 1525. Über Jahrzehnte war sie eher ein Alumni-Netzwerk. Doch je näher das Jahr 2025 rückte, desto mehr erwachte der alte Geist – und jetzt sind wir alle mit Feuer und Flamme dabei!

Geplant ist ein Theaterstück über Thomas Müntzer, ein Kulturabend zur Erinnerung an die damalige Zeit in Hohenheim und ein agrarpolitisches Symposium mit hochkarätigen Gästen. Dabei wollen wir auch auf heutige Probleme von Landwirtinnen und Landwirten aufmerksam machen: Man denke etwa auf die Bauernproteste im letzten Jahr oder die prekäre Lage kleiner bäuerlicher Betriebe in vielen Ländern weltweit.


Worauf freuen Sie sich persönlich am meisten?

Auf die Begegnungen und Gespräche mit heutigen Studierenden und anderen Uni-Angehörigen. Ich habe den Eindruck, dass durch die Pandemie viel an studentischer Kultur und gelebter Erinnerung verloren gegangen ist. Wir möchten gerne eine Brücke schlagen und vielleicht auch Impulse für heute geben. Das würde mich am meisten freuen.

Das klingt spannend! Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Leonhardmair

Impressionen: Campus-Leben in den 1970ern

Fotos: Gerhard Schepper | Zum Vergrößern bitte mittig anklicken

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