Ein Kaffee mit... Prof. Dr. Karlheinz Köller
Student beim "kritischen Kommunisten" Theodor Bergmann [19.04.16]
Herr Köller, sie haben von 1968 bis 1972 an der Uni Hohenheim studiert und dabei auch Vorlesungen bei Herrn Bergmann besucht, unter anderem zu international vergleichender Agrarpolitik. Wie war es, bei Professor Bergmann zu lernen?
Sehr spannend: Die Themen fielen im Vergleich zu anderen Vorlesungen immer ein bisschen aus der Reihe. Es ging zum Beispiel auch um Agrarpolitik in Südostasien oder Agrarökonomik in sozialistischen und kommunistischen Ländern.
Theo hatte die Länder, über die er sprach, auch wirklich besucht. Das war damals ungewöhnlich und sehr authentisch. Aber auch als Mensch hat Theo mich damals sehr beeindruckt.
Filmvorführung und Gespräch |
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Anlässlich seines 100. Geburtstags laden der AStA und die Uni Hohenheim zur festlichen Filmvorführung und zum Gespräch mit Theodor Bergmann. Die Dokumentation „dann fangen wir von vorne an“ (2006) begleitet Theodor Bergmann zu Stationen seines bewegten Lebens, u.a.: Berlin, Israel und Hohenheim. Termin: Donnerstag, 21. April um 18 Uhr im Euro-Forum. |
In welcher Hinsicht?
Wir Handvoll Kommilitonen, die bei ihm hörten, waren fasziniert von seiner Disziplin, seinem Fleiß, seiner wissenschaftlichen Neugier. Er war eine asketische Erscheinung und strahlte immer starke Schaffenskraft aus – etwas anderes als arbeiten kannte er nicht.
Er war aber auch sehr hilfsbereit, freundlich und bescheiden und, wie ich später erleben durfte, ein sehr gastfreundlicher Mensch. Er hat alles in Frage gestellt, mit Studenten diskutiert und sich für alles Mögliche interessiert. Da hob er sich von anderen Wissenschaftlern ab, die eher in ihrem eigenen Bereich verwurzelt waren.
Theodor Bergmann war seit seiner Jugend in der Arbeiterbewegung aktiv. Hat sich die politische Arbeit auf seine Lehrtätigkeit ausgewirkt?
Er hielt mit seiner politischen Meinung zumindest nicht hinter dem Berg. Damit hat er sich unter den Lehrenden nicht nur Freunde gemacht. Er stellte sich immer bereitwillig Diskussionen, auch mit Leuten, dessen Meinungen er nicht teilte.
Es gab damals viele linke Gruppen auf dem Campus – Marxisten, Leninisten, Maoisten – aber viele von ihnen vertraten Meinungen, die Theo zu extrem waren. Von ihnen hat er sich nicht instrumentalisieren lassen, sondern sich scharf abgegrenzt.
Als linke Studenten aufgrund des Radikalenerlasses Probleme bekamen, zum Beispiel nicht mehr im öffentlichen Dienst arbeiten durften, hat er sich aber trotzdem für sie eingesetzt. Ich zum Beispiel war selbst damals in der SPD aktiv, war für Theo also nur ein braver Sozialdemokrat, aber ich habe mich trotzdem von ihm akzeptiert gefühlt. Trotz seiner kommunistischen Überzeugung hat er auch andere Einstellungen akzeptiert.
Von seiner Lehrtätigkeit hat er seine politischen Einstellungen aber streng getrennt.War neben Herrn Bergmanns politischer Einstellung auch sein biografischer Hintergrund ein Thema?
Absolut, und auch das hat mich sehr interessiert. Theodor Bergmann musste 1933 Deutschland verlassen, da er dort als Jude und aktiver Kommunist in Gefahr war. Einige seiner Familienmitglieder wurden von den Nazis umgebracht. Mit diesem Teil unserer Geschichte habe ich mich als Jugendlicher viel auseinandergesetzt, und wie viele in meiner Generation bin ich dabei mit meinen Eltern aneinandergeraten, die diese Ereignisse relativieren oder totschweigen wollten.
Dann an der Uni mit einem Überlebenden dieses verbrecherischen Systems konfrontiert zu sein: das hat mich darin bestärkt, solche Entwicklungen abzulehnen. Theo selbst hat jede Ausprägung von Totalitarismus, auch Stalinismus oder Maoismus, immer abgelehnt.
Was hat Sie in Ihrer Zeit bei Herrn Bergmann persönlich am meisten geprägt?
Das Einstehen für seine Überzeugungen, das hat er immer stark vermittelt. Haltung zu bekennen und dazu zu stehen, das habe ich von ihm gelernt.
Wir stehen auch heute noch in regelmäßigem Kontakt und treffen uns mehrmals im Jahr. Theo ist immer noch wahnsinnig aktiv und interessiert. Er will zum Beispiel nochmal nach China und schreibt auch gerade ein Buch über das Land. Wenn ich ihn treffe, sage ich oft: „Wenn man dich sieht, muss man sich entschuldigen, dass man dir die Zeit stiehlt.“
Interview: Dorothee Barsch
Prof. Dr. Dr. hc. mult. Karlheinz Köller studierte von 1968 – 1972 Agrarwissenschaft an der Universität Hohenheim und promovierte 1980 hier. 1992 wurde er als Professor erneut nach Hohenheim berufen und hatte bis zu seiner Pensionierung 2015 den Lehrstuhl für Verfahrenstechnik in der Pflanzenproduktion inne.
Theodor Bergmann erinnert sich gerne an Köller, mit dem er viel diskutierte. Das sahen nicht alle Professoren damals so: So habe ein Kollege Bergmanns dem damaligen Studenten Köller geraten, statt weiter zu studieren lieber Lastwagenfahrer zu werden.
Im Gegensatz zu dieser Ersteinschätzung seiner Lehrer war Köller später sogar Prorektor für Forschung in Hohenheim und sammelte im Lauf seiner Professur auch noch drei Ehrendoktorhüte.