Verbund gegen Nahrungsmittelunverträglichkeiten  [13.07.21]

Interdisziplinäres Konsortium von Forschenden der Universität zu Lübeck, der Universität Hohenheim und dem Forschungszentrum Borstel, Leibniz-Lungenzentrum, erhält rund 3 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung

Nahrungsmittelunverträglichkeiten gehören zu den häufigsten Leiden weltweit und sind mit einer Vielzahl von Einschränkungen für die Betroffenen verbunden. Gerade die Unterscheidung von Nahrungsmittelintoleranz und Nahrungsmittelallergie in Abgrenzung zum sogenannten Reizdarmsyndrom bereitet im Alltag große Schwierigkeiten. Entsprechend ungenau und damit ineffektiv sind die derzeitig verfügbaren diagnostischen und therapeutischen Ansätze. Dies führt zu einer großen Frustration sowohl bei Patientinnen und Patienten, als auch bei Behandelnden.


Unter dem Titel INDICATE-FH (ImproviNg DIagnostiCs And ThErapy of Food Hypersensitivity) haben sich kürzlich Forschende aus den Bereichen Allergologie, Gastroenterologie, Ernährungsmedizin, Naturwissenschaften und Informatik zu einem interdisziplinären Konsortium zusammengeschlossen. „Aus der Lübecker Sicht freut es mich insbesondere, dass es uns gelungen ist, alle drei Sektionen der Universität in diesem Antrag zu vereinen.“, lobt Prof. Dr. Gabriele Gillessen-Kaesbach, Präsidentin der Universität zu Lübeck, das Vorhaben. Gemeinsam soll die Diagnostik von Patientinnen und Patienten mit insbesondere Weizen-vermittelten Nahrungsmittelintoleranzen in Abgrenzung zum Reizdarmsyndrom verbessert werden. Dieser Verbund wird seit dem 1.7.2021 durch das BMBF mit annährend 3 Millionen Euro für die kommenden drei Jahre gefördert. „Für unsere Patientinnen und Patienten erwarten wir erheblichen Mehrwert in der Krankenversorgung“, sagt Prof. Dr. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), „mit vereinter Expertise wird der Kampf gegen Nahrungsmittel-Unverträglichkeit aufgenommen.“

Mit vereinter Expertise sollen Nahrungsmittelintoleranz und Nahrungsmittelallergie erforscht werden

„Ich freue mich sehr über die Förderung, die uns erlaubt, ein häufiges und medizinisch äußerst relevantes Problem – welches in der Forschung bisher unterrepräsentiert war – nun interdisziplinär umfassend zu untersuchen“, sagt der Koordinator des Vorhabens, Prof. Dr. Christian Sina, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und der Universität zu Lübeck. Unterstützt wird er in seinem Institut von Dr. Anna Kordowski, die seit Jahren auf dem Gebiet der molekularen Ursachen von Allergien forscht und deren Stelle nun über das neue genehmigte Projekt finanziert wird.

Stellvertretender Koordinator ist Prof. Dr. Stephan C. Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin, Universität Hohenheim: „Es ist erschreckend, dass inzwischen etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung über Nahrungsmittelunverträglichkeiten klagt, wobei oft unklar ist, was dahintersteckt. Das interdisziplinäre Konsortium kann nun dank der großzügigen Unterstützung durch das BMBF dazu beitragen, Licht ins Dunkel zu bringen“, resümiert der Gastroenterologe und Allergologe Prof. Dr. Stephan C. Bischoff.

Das Vorhaben ist ein echtes Gemeinschaftsprojekt: als Projektleiter sind außer den beiden oben Genannten für das Forschungszentrum Borstel Prof. Dr. Uta Jappe, für die Universität Hohenheim Prof. Dr. Florian Fricke und auf Lübecker Seite Prof. Dr. Inke König (Institut für Medizinische Statistik und Biometrie) und Prof. Dr. Marcin Grzegorzek (Institut für Medizinische Informatik) beteiligt. Ferner sind auch die Medizinische Klinik I (Direktor Prof. Dr. Jens Marquardt) und das Institut für Chemie und Metabolomics der Universität zu Lübeck (Direktor Dr. Prof. Thomas Peters) im Rahmen von konfokaler Laserendomikroskopie bzw. NMR-Metabolomics Analysen eingebunden.


Die Standorte und ihre Expertisen

Forschungsschwerpunkte in Lübeck soll vor allem die klinische Phänotypisierung von Patientinnen und Patienten mit Getreideallergien und -intoleranzen sein. Modernste endoskopisch bildgebende Verfahren und KIassistierte Bilderkennung, sowie Ansätze zur digitalen Ernährungstherapie sollen am Standort in Lübeck angewandt werden.

An der Universität Hohenheim sollen vor allem neue Biomarker anhand von Patientenspezifischen Organoiden identifiziert werden. Weiterhin steht die Rolle des Dünndarmmikrobioms bei der Nicht-Zöliakie-basierten Weizenhypersensitivität im Fokus.

Am Leibniz Forschungszentrum in Borstel (FZB) geht es um die Identifikation der molekularen Strukturen, die an der Entstehung der Weizenunverträglichkeit beteiligt sind. Diese allergenen Moleküle werden zur Entwicklung und Optimierung von Allergie-Diagnostik-Tests sowie zur Aufklärung der Krankheitsentstehung eingesetzt. Zusätzlich sollen mit Hilfe der Pathologie des FZB (Prof. Dr. Goldmann) mögliche Allergen-unabhängige Biomarker identifiziert werden.

“Die Förderung dieses Verbundvorhabens erlaubt es, mit Hilfe der unterschiedlichen und sich ergänzenden Expertisen der drei Standorte die Ursachenaufklärung der verschiedenen Weizen-bedingten Erkrankungen gezielt anzugehen. Dieses Verständnis wird einen entscheidenden Beitrag zur Präzisionsmedizin leisten“, freut sich die Allergologin des FZB, Prof. Dr. Uta Jappe. Sie leitet am FZB die Forschungsgruppe Klinische und Molekulare Allergologie und die Interdisziplinäre Allergie-Ambulanz an der Medizinischen Klinik III in Lübeck und arbeitet seit vielen Jahren am FZB an der Identifikation neuer Allergene, der Aufklärung der Sensibilisierungswege und der Pathogenese von Nahrungsmittel- und Atemwegsallergien.

Neben den akademischen Partnern ist das Lübecker Startup Perfood beteiligt, welches 2017 aus dem Institut für Ernährungsmedizin ausgegründet wurde und sich auf ernährungsbasierte digitale Gesundheitsanwendungen spezialisiert hat. Die Interessen von Betroffenen werden durch der Deutsche Zöliakie Gesellschaft e.V. (DZG) vertreten, der ebenfalls Teil des Konsortiums ist.

Text: Uni Lübeck

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. med. Stephan Bischoff, Universität Hohenheim, Fachgebiet Ernährungsmedizin/Prävention und Genderforschung
T 0711 459-24100, E bischoff.stephan@uni-hohenheim.de


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