Zweifelhafte Atteste:
Hintergründe zur aktuellen Medienberichterstattung  [18.06.18]

Aktualisiertes Fact Sheet vom 10. Juli 2018 unter bit.ly/2zqdqQZ

Aktualisierung vom 10. Juli 2018:
Die Zahlen in der folgenden Pressemitteilung sind veraltet. Die Universität Hohenheim hat deshalb am 10. Juli 2018 ein aktualisiertes Fact Sheet zu den u.g. Prüfungsabbrüchen und den weiteren Entwicklungen herausgegeben: bit.ly/2zqdqQZ
 
+++ Universität Hohenheim erkennt 33 Krankmeldungen von Prüfungsabbrechern nicht an +++ Weitere Krankmeldungen zur Zeit noch in Untersuchung +++ Wegen des hohen Lärmpegels durch Prüfungsabbrecher können die Prüfungsteilnehmer, die ihre Prüfung nicht abgebrochen haben, die Prüfung wiederholen +++
 
Rund 150.000 Prüfungen nimmt die Universität Hohenheim in Stuttgart jährlich von ihren rund 10.000 Studierenden ab. Bei einer solchen Prüfung am 23. Mai 2018 mit 202 Teilnehmerinnen und Teilnehmern brachen 48 Studierende die bereits begonnene Prüfung ab. Als Begründung gaben sie eine spontane Erkrankung an. 37 davon legten noch am gleichen Tag ein Attest vor. 11 weitere Rücktrittsanträge wurden nicht am gleichen Tag eingereicht und deshalb entsprechend der Prüfungsordnung nicht berücksichtigt. Insgesamt genügte jedoch keines der 37 fristgerecht eingereichten Attesten den Ansprüchen, die die Rechtsprechung für einen Prüfungsabbruch verlangt. Im Folgeschritt bat die Universität Hohenheim deshalb alle betroffenen Personen um eine Stellungnahme. Aufgrund dieser Stellungnahmen entschied sich die Universität nun, 33 der 37 fristgerecht eingereichten Prüfungsrücktritte nicht anzuerkennen. In vier Fällen bat sie um eine erweiterte Stellungnahme. Angesichts der Zweifel sieht sich die Universität Hohenheim auch gezwungen, 103 weitere Krankmeldungen zwischen 22. und 25. Mai zu überprüfen, mit denen sich Studierende bereits im Vorfeld verschiedener Prüfungen krank gemeldet hatten. Ein weiterer Aspekt ist die Störung der Prüfung durch die vergleichsweise hohe Zahl von Prüfungsabbrechern. Die Universität räumt den 154 ordnungsgemäßen Teilnehmern deshalb jetzt die Möglichkeit ein, die Prüfung zu wiederholen. Die Betroffenen müssen binnen einer Woche nach Erhalt des entsprechenden Schreibens und in Unkenntnis ihrer Note entscheiden.


Auffällig an den 37 fristgerecht eingereichten Krankmeldungen der Prüfungsabbrecher war vor allem die außergewöhnlich hohe Anzahl der Spontanerkrankungen. Hinzu kommt: Alle Atteste beschränken sich auf zwei Diagnosen – Kopfschmerzen in Kombination mit Sehstörungen oder aber Übelkeit und Erbrechen. Sie besitzen keine große Detailtiefe und stammen alle vom selben Arzt.

Angesichts der relativ großen Fallzahl, der sehr knappen und gleichlautenden Diagnosen sieht es die Universität Hohenheim als zweifelhaft an, dass überhaupt ausreichende Untersuchungen stattgefunden haben, um die Prüfungsunfähigkeit festzustellen.

Tatsächlich gelten für den Prüfungsabbruch hohe rechtliche Hürden, über die die Studierenden auch zu Beginn der Prüfung durch die Aufsicht belehrt wurden. Wörtlich heißt es: „Wer die Prüfung jetzt beginnt, erklärt sich dadurch prüfungsfähig. Ein Rücktritt nach Beginn der Prüfung ist nur ausnahmsweise (bei nicht erkannter Prüfungsunfähigkeit) möglich.“

Dies bedeutet: Nur Krankheitssymptome, die spontan während der Prüfung auftreten und das Leistungsvermögen prüfungsrelevant beeinträchtigen, sind als Rücktrittsgrund zulässig. Diese Symptome müssen in dem Attest seitens des Arztes konkret dargelegt sein. Symptome, die durch Nervosität oder Prüfungsangst hervorgerufen wurden, sind ausdrücklich keine zulässigen Gründe.

Bei der Beurteilung von Rücktrittsanträgen maßt sich die Universität Hohenheim deshalb nicht an, eine Krankheitsdiagnose zu stellen. Sie muss sich aber zweifelsfrei davon überzeugen, dass die diagnostizierte Krankheit tatsächlich eine Prüfungsunfähigkeit zur Folge hatte. Sollte sie Anlass haben, daran zu zweifeln oder Anlass zum Zweifel haben, dass eine ausreichende Untersuchung stattgefunden hat, ist sie dazu verpflichtet, diese Zweifel auszuräumen. Die zuständigen Mitglieder der Universität sind deshalb auch zur Verschwiegenheit verpflichtet.


33 der 37 fristgerechten Rücktritte werden nach aktuellem Stand nicht akzeptiert / 4 weitere in Prüfung

Aufgrund der vorliegenden Zweifel informierte die Universität Hohenheim die Prüfungsabbrecher mit fristgerecht eingereichter Krankmeldung noch in der gleichen Woche über die „sachlich begründeten Zweifel an der Richtigkeit des vorgelegten ärztlichen Attests“ und kündigte die Absicht an, den Rücktritt abzulehnen. Gleichzeitig forderte sie die Betroffenen zur Stellungnahme auf. Da die Universität jedem Einzelfall gerecht werden wollte und z.T. mehrfach nachfragte, nahm dies einen längeren Zeitraum in Anspruch.

Nach Prüfung der Stellungnahmen entschied sich die Universität Hohenheim nun, 33 der 37 fristgerecht beantragten Prüfungsrücktritte nicht anzuerkennen. Damit gilt die entsprechende Prüfung als nicht bestanden. Die Studierenden werden derzeit in individuellen Schreiben informiert, die auf den jeweiligen Fall eingehen..

In ihren Schreiben weist die Universität Hohenheim alle Betroffenen auf die Möglichkeit hin, Widerspruch einzulegen. Dabei erläutert die Universität Hohenheim erneut, welche Unterlagen für einen ordnungsgemäßen Rücktritt nötig wären.

Insgesamt sieht die Prüfungsordnung für allen Studierenden bis zu drei Prüfungsversuche pro Prüfung vor. Da es sich bei drei betroffenen Studierenden bereits um den 3. Prüfungsanlauf handelte, bedeutet dies voraussichtlich, dass sie ihr Studium gegebenenfalls nicht fortsetzen können.

In 4 der 37 fristgerecht eingereichten Fällen forderte die Universität Hohenheim die Betroffenen zu einer erweiterten Stellungnahme auf. Ziel dieser auf den Einzelfall ausgerichteten Vorgehensweise ist es, tatsächliche spontane Erkrankungen, die die Prüfung unmöglich machten, zu erkennen und keinen Prüfling durch einen Generalverdacht ungerecht zu behandeln.


103 weitere Atteste erscheinen nun ebenfalls zweifelhaft


Daneben entschloss sich die Universität Hohenheim, 103 weitere Krankmeldungen durch den gleichen Arzt aus dem Zeitraum von 22. bis 25. Mai zu überprüfen. Dabei handelt es sich um Atteste, mit denen sich Studierende bereits im Vorfeld verschiedener Prüfungen krank gemeldet hatten. Dazu gehören auch 49 Prüfungsrücktritte, die die Universität Hohenheim bereits anerkannt hatte.

Grund für diese Überprüfung ist der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Studierenden, nachdem sich bei der Prüfung am 23. Mai 2018 eine verhältnismäßig hohe Anzahl von Krankmeldungen dieses Arztes als zweifelhaft erwiesen hatte.

Alle 103 Studierende wurden bis 15.6.2018 informiert, dass ihre Krankmeldung angezweifelt werde, und um Stellungnahme gebeten.


Alle Informationen & Formulare auf Uni-Homepage


Generell liegen die Hürden für eine Krankmeldung vor einer Prüfung nicht ganz so hoch wie während einer Prüfung. Details dazu, Hinweise für Ärzte und entsprechende Vordrucke bietet die Universität Hohenheim auf ihrer Internetseite unter www.uni-hohenheim.de/pruefung.

Aus aktuellem Anlass stellt die Universität Hohenheim auf dieser Seite auch klar, dass weiterhin freie Arztwahl für alle Studierenden gilt.


Universität reagiert auch auf inhaltliche Kritik z.B. an Nummerierung von zwei Teilaufgaben


Inhaltlich wurde von den Prüfungsteilnehmern, die die Klausur zum Abschluss brachten, bemängelt, dass die Nummerierung der Lösungseingabe für zwei Teilaufgaben teilweise fehlerhaft war. Dies wird bei der Bewertung der Arbeit in angemessener Weise berücksichtigt.

Entgegen der Kritik am Schwierigkeitsgrad der Klausur bewegte sich die Klausur jedoch in einem vergleichbaren Rahmen mit vorangegangenen Klausuren. Die Aussage, dass die Klausuraufgaben andere Themen beinhalteten als die in Vorlesung und Übung behandelten, ist nicht zutreffend. Der Lehrstuhl hatte im Vorfeld zusätzliche Übungsaufgaben sowie eine ausführliche Literaturliste zur Verfügung gestellt.


Reguläre Prüfungsteilnehmer dürfen Klausur aufgrund der Lärmbelästigung wiederholen

Ein weiterer Aspekt liegt in dem Umstand, dass sich die rund 154 Studierenden, die die Klausur regulär beendet hatten, durch die Prüfungsabbrecher stark gestört fühlten. Da jeder Prüfungsabbruch mit Namen und Uhrzeit dokumentiert werden muss, hätten sich vor der Prüfungsaufsicht regelrechte Schlangen gebildet, berichten Prüfungsteilnehmer. Auch beim Zusammenpacken und Verlassen des Hörsaals hätten sich einige Prüfungsabbrecher recht lautstark benommen.

Die Universität Hohenheim kam zur Einschätzung, dass das erhöhte Geräuschaufkommen durch die Abbrecher tatsächlich problematisch gewesen sei. Deswegen wird – wie in ähnlich gelagerten Fällen (z.B. bei Geräuschbelästigung durch Bauarbeiten) – den Studierenden, die an der Klausur teilnahmen und sie nicht abbrachen, die Entscheidung angeboten, die Prüfung werten zu lassen oder im Februar 2019 zu wiederholen.

Alle Studierenden, die die Prüfung abschlossen, werden darüber zur Zeit per Brief informiert Auf die Nichtanerkennung der Prüfungsabbrüche haben diese Überlegungen jedoch keinen Einfluss.

Text: Klebs


Weitere Informationen

Text: Florian Klebs


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