Fact sheet:
Prüfungsabbrüche & zweifelhafte Atteste am 23. Mai 2018  [10.07.18]

Aktuelle Zahlen, Erläuterungen und weiteres Vorgehen der Universitäten Hohenheim und Stuttgart

Die Universität Hohenheim in Stuttgart nimmt jährlich rund 150.000 Prüfungen von ihren rund 10.000 Studierenden ab. Bei einer solchen Prüfung brachen am 23. Mai 2018 insgesamt 75 von 244 Teilnehmern die bereits begonnene Prüfung ab. Als Begründung gaben sie eine spontane Erkrankung an. Ein Teil der Prüfungsabbrecher reichte am gleichen Tag einen Antrag auf Rücktritt von der Prüfung ein, den sie mit zweifelhaften Attesten begründeten. Durch die Prüfungsabbrüche kam es zu einer Lärmbelästigung, unter der vor allem die Prüfungsteilnehmer litten, die die Klausur zu Ende schrieben und werten lassen wollten. Unter den Prüfungsteilnehmern und -abbrechern befanden sich auch zwei Prüfungsabbrecher und fünf Klausurabschließer der Universität Stuttgart, die im Rahmen eines Kooperationsstudienganges beide Universitäten besuchen. Weitere aktuelle Zahlen finden Sie am Ende des Fact Sheets.


In der Folge fällte die Universität Hohenheim folgende Entscheidungen. Die Universität Stuttgart schloss sich am 10. Juli 2018 diesen Entscheidungen an:

  • Prüfungsabbrecher, die ihren Rücktritt nicht fristgerecht erklärten, wurden darüber informiert, dass ihr Rücktrittsantrag abgelehnt wurde. Für sie gilt die Prüfung als nicht bestanden. Gegen die Entscheidung ist Widerspruch möglich.

  • Prüfungsabbrecher, die ihren Rücktritt fristgerecht, aber mit zweifelhaftem Attest erklärt hatten, wurden aufgefordert, eine Stellungnahme vorzulegen, da ihr Antrag auf Rücktritt von der Prüfung sonst abgelehnt werde. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Entscheidet sich die Universität für eine Ablehnung, ist Widerspruch möglich.

  • Angesichts der Zweifel an der Untersuchungstiefe eines konkreten Arztes zweifelt die Universität Hohenheim auch eine große Zahl weiterer Krankmeldungen mit Eingangsdatum zwischen 23. und 25. Mai 2018 (= Ende des Prüfungszeitraums) an, mit denen sich Studierende bereits im Vorfeld verschiedener Prüfungen krankgemeldet hatten. Dabei handelt es sich auch um Krankmeldungen, die zum Teil schon bewilligt waren. Die betroffenen Studierenden wurden aufgefordert, eine Stellungnahme vorzulegen, da ihr Antrag auf Rücktritt von der Prüfung sonst abgelehnt werde. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Gegen die Entscheidung der Universität ist Widerspruch möglich.

  • Prüfungsteilnehmer, die durch Lärm belästigt wurden, erhalten das Angebot, die Prüfung werten zu lassen oder nachzuschreiben. Die Entscheidung dazu müssen sie in Unkenntnis ihrer Note treffen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen


ERLÄUTERUNG

Universität Hohenheim zweifelt Großteil der Krankmeldungen von Prüfungsabbrechern an

Auffällig an den fristgerecht eingereichten Krankmeldungen der Prüfungsabbrecher war vor allem die außergewöhnlich hohe Anzahl der Krankmeldungen vom gleichen Arzt. Um die Persönlichkeitsrechte des Mediziners zu wahren, verwendet die Universität Hohenheim im Folgenden die Bezeichnung „Arzt XX“.

Dessen Atteste beschränkten sich auf zwei Diagnosen – Kopfschmerzen in Kombination mit Sehstörungen oder Übelkeit und Erbrechen. Bei der Symptombeschreibung besaßen sie keine große Detailtiefe..

Tatsächlich gelten für einen Prüfungsabbruch jedoch hohe rechtliche Hürden, über die die Studierenden auch zu Beginn der Prüfung durch die Aufsicht belehrt wurden. Wörtlich heißt es: „Wer die Prüfung jetzt beginnt, erklärt sich dadurch prüfungsfähig. Ein Rücktritt nach Beginn der Prüfung ist nur ausnahmsweise (bei nicht erkannter Prüfungsunfähigkeit) möglich.“

Dies bedeutet: Nur Krankheitssymptome, die auf einer Neuerkrankung während der Prüfung beruhen und das Leistungsvermögen prüfungsrelevant beeinträchtigen, sind als Rücktrittsgrund zulässig. Diese Symptome müssen im Attest seitens des Arztes konkret dargelegt sein. Symptome, die durch Nervosität oder Prüfungsangst hervorgerufen wurden, oder auf einer zum Antrittszeitpunkt der Prüfung schon vorhandenen Grunderkrankung beruhen sind ausdrücklich keine zulässigen Gründe.

Bei der Beurteilung von Rücktrittsanträgen maßt sich die Universität Hohenheim deshalb nicht an, eine Krankheitsdiagnose zu stellen. Sie muss sich aber zweifelsfrei davon überzeugen, dass die diagnostizierte Krankheit tatsächlich eine Prüfungsunfähigkeit zur Folge hatte. Sollte sie Anlass haben, daran zu zweifeln oder Anlass zum Zweifel haben, dass eine ausreichende Untersuchung stattgefunden hat, ist sie dazu verpflichtet, diese Zweifel auszuräumen. Die zuständigen Mitglieder der Universität sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Angesichts der relativ großen Fallzahl sowie der sehr knappen und gleichlautenden Diagnosen des Arztes XX, sieht es die Universität Hohenheim als zweifelhaft an, dass überhaupt ausreichende Untersuchungen stattgefunden haben, um die Prüfungsunfähigkeit festzustellen. Bei Krankmeldungen von anderen Ärzten, die überwiegend nur jeweils ein Attest ausstellten, sieht die Universität Hohenheim keinen Anhaltspunkt für die Fehlerhaftigkeit und hat damit keine Handhabe, den Wahrheitsgehalt der Krankmeldung anzuzweifeln.

Aufgrund der vorliegenden Zweifel informierte die Universität Hohenheim die betroffenen Prüfungsabbrecher mit fristgerecht eingereichter Krankmeldung noch in der gleichen Woche über die „sachlich begründeten Zweifel an der Richtigkeit des vorgelegten ärztlichen Attests“ und kündigte die Absicht an, den Rücktritt abzulehnen. Gleichzeitig forderte sie die Betroffenen zur Stellungnahme auf.

Bei den z.T. noch andauernden Prüfungen der Antworten handelt es sich um Einzelfallprüfungen, bei denen die Universität Hohenheim ggf. noch eine zweite Stellungnahme anfordert. Studierende, deren Stellungnahme nicht anerkannt wird, werden in individuellen Schreiben informiert. In diesen Schreiben geht die Universität Hohenheim auf den jeweiligen Fall ein und weist die Betroffenen auch auf die Möglichkeit hin, Widerspruch einzulegen.

Insgesamt sieht die Prüfungsordnung für allen Studierenden bis zu drei Prüfungsversuche pro Prüfung vor. Da es sich bei einer einstelligen Zahl von betroffenen Studierenden bereits um den 3. Prüfungsanlauf handelte, kann dies bedeuten, dass diese Studierenden ihr Studium gegebenenfalls nicht fortsetzen können.

Von den beiden Prüfungsabbrechern der Universität Stuttgart wurden keinerlei Atteste beim dortigen Prüfungsamt vorgelegt.


Universität Hohenheim zweifelt in Folge auch weitere Atteste des gleichen Arztes an

Aufgrund der Zweifel an den Attesten von Arzt XX entschloss sich die Universität Hohenheim außerdem, 105 Atteste mit Eingangsdatum zwischen 23. bis 25. Mai 2018 (= Ende des Prüfungszeitraums) zu überprüfen. Dabei handelt es sich um Atteste, mit denen sich Studierende bereits im Vorfeld verschiedener Prüfungen krankgemeldet hatten. Dazu gehören auch 49 Krankmeldungen, die die Universität Hohenheim bereits anerkannt hatte.

Grund für diese Überprüfung ist der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Studierenden, nachdem sich bei der Prüfung am 23. Mai 2018 eine verhältnismäßig hohe Anzahl von Krankmeldungen von Arzt XX als zweifelhaft erwiesen hatte.

Alle betroffenen Studierenden wurden bis 15. Juni 2018 darüber informiert, dass ihre Krankmeldung angezweifelt und um Stellungnahme gebeten wird. Analog zu den Zweifeln an den Stellungnahmen der Prüfungsabbrecher gilt auch hier, dass die Universität Hohenheim Einzelfallprüfungen vornimmt, ggf. weitere Stellungnahmen anfordert, im Falle einer Ablehnung die jeweiligen Gründe erläutert und auf die Möglichkeit hinweist, Widerspruch einzulegen.


Universitäten Hohenheim und Stuttgart bieten Prüfungsteilnehmern, die regulär mitschrieben, Wiederholungstermin wegen Lärmbelästigung an


Ein weiterer Aspekt liegt in dem Umstand, dass sich die Studierenden, die die Klausur regulär beendet hatten, durch die Prüfungsabbrecher stark gestört fühlten. Da jeder Prüfungsabbruch mit Namen und Uhrzeit dokumentiert werden muss, hätten sich vor der Prüfungsaufsicht regelrechte Schlangen gebildet, berichten Prüfungsteilnehmer. Auch beim Zusammenpacken und Verlassen der Hörsäle hätten sich einige Prüfungsabbrecher recht lautstark benommen.

Die Universität Hohenheim kam zur Einschätzung, dass das erhöhte Geräuschaufkommen durch die Abbrecher tatsächlich problematisch gewesen sei. Deswegen wird – wie in ähnlich gelagerten Fällen (z.B. bei Geräuschbelästigung durch Bauarbeiten) – den Studierenden, die an der Klausur teilnahmen und sie nicht abbrachen, die Entscheidung angeboten, die Prüfung werten zu lassen oder zu wiederholen.

Als Nachschreibetermin bietet die Universität Hohenheim neben dem regulären Termin im Februar 2019 auch einen vorgezogenen Termin am 24. September 2018 an. Die Entscheidung, die Prüfung werten zu lassen oder nachzuschreiben, müssen die Betroffenen in Unkenntnis ihrer Note fällen.

Alle Studierenden der Universität Hohenheim, die die Prüfung abgeschlossen hatten, wurden ab 19. Juni 2018 entsprechend angeschrieben. Auf die Nichtanerkennung der Prüfungsabbrüche haben diese Überlegungen jedoch keinen Einfluss.

Die Universität Stuttgart wurde am 4. Juli 2018 von der Universität Hohenheim über die Vorkommnisse informiert und wird ihren Studierenden das gleiche Angebot unterbreiten.


AKTUELLER STAND IM ÜBERBLICK


Bei den o.g. Prüfungen gilt es, eine Vielzahl von Einzelfällen individuell zu prüfen. Dadurch kommt es in vielen Fällen zu unterschiedlichen Fristen für Stellungnahmen und Widerspruchsmöglichkeiten, so dass sich keine einheitlichen Stichtage nennen lassen.

Hinzu kommt, dass die Entscheidungshoheit über das weitere Vorgehen im Fall der Prüfungsteilnehmer der Universität Stuttgart beim dortigen Prüfungsamt liegt. Die Universität Hohenheim informierte die dortige Amtsleitung am 4. Juli 2018. Das weitere Vorgehen ist dort noch in Prüfung

Um die Komplexität des laufendes Verfahrens darzustellen, veröffentlicht die Universität Hohenheim deshalb einen Zwischenstand mit Werten von Montag, 9. Juli 2018:

In einer vorherigen Pressemitteilung zu den Prüfungsabbrechern am 18. Juni 2018 beschränkte sich die Universität Hohenheim bei den Zahlenangaben u.a. auf ihre eigenen Studierenden, da die Prüfungsteilnehmer der Universität Stuttgart in Hohenheim nicht erfasst werden. Bei den Zahlenangaben zu den eingereichten Attesten beschränkte sie sich u.a. auf die angezweifelten Atteste von Arzt XX. Die Universität Hohenheim veröffentlicht deshalb folgenden Überblick:


Weitere Informationen

Text: Klebs


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