Entwicklungsexperten fordern:
Keine Studiengebühren für Studierende aus Entwicklungsländern  [19.04.17]

Über 50 namhafte Experten aus Wissenschaft und Entwicklungspolitik unterschreiben Erklärung gegen Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer

Nachhaltige Entwicklung fördern, Armut lindern, Fluchtursachen bekämpfen: Das alles kann ein Studium in Deutschland Studierenden aus Entwicklungsländern ermöglichen. Doch für viele von ihnen könnten die von der Landesregierung geplanten Studiengebühren über 1500 Euro pro Semester für Nicht-EU-Ausländer ein unüberwindbares Hindernis darstellen. Bei einer Landespressekonferenz am heutigen Mittwoch sprachen sich Fachleute für Entwicklungszusammenarbeit daher in einer gemeinsamen Erklärung gegen die geplanten Studiengebühren aus.


Die mehr als 50 Unterstützer der Erklärung fordern, auf die geplante Einführung von Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer in Baden-Württemberg zu verzichten oder zumindest die Studierenden aus Entwicklungsländern auszunehmen.

„Die bislang vorgesehenen Ausnahmeregelungen gehen leider nicht weit genug, da sie nur einen sehr geringen Anteil der betroffenen Studierenden erfassen“, erklärt Initiatorin Claudia Duppel, Geschäftsführerin des Dachverbandes Entwicklungspolitik Baden-Württemberg e.V. Die Möglichkeit zu einem hochwertigen und dennoch bezahlbaren Studium in Deutschland sieht sie als wichtigen Teil der Entwicklungszusammenarbeit.

„Mit der Ausbildung von Studierenden aus Entwicklungsländern leisten die Universitäten und Hochschulen in Baden-Württemberg einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Armut und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung – damit tragen sie auch zur Bekämpfung von Fluchtursachen bei“, bestätigt Co-Initiatorin Prof. Dr. Regina Birner, Leiterin des Lehrstuhls für Sozialen und institutionellen Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung und stellvertretende Geschäftsführende Direktorin am Institut für Tropische Agrarwissenschaften an der Universität Hohenheim.


Bildung als schützenswertes Entwicklungsziel

Studierende aus Entwicklungsländern tragen nach Abschluss ihres Studiums als Fach- und Führungskräfte in ihren Heimatländern maßgeblich zur Lösung von Entwicklungsproblemen bei, da sie oft Schlüsselpositionen in der öffentlichen Verwaltung, in Universitäten und in Projekten der Entwicklungszusammenarbeit oder im Privatsektor einnehmen, erklärt Prof. Dr. Birner. Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören daher auch die Leiter umweltorientierter Studiengänge in Baden-Württemberg, die Studierenden aus Entwicklungsländern Ausbildungsmöglichkeiten bieten, zum Beispiel in den Bereichen erneuerbare Energien, nachhaltige Stadtentwicklung und ökologischer Landbau.

„Diese Expertise ist für Studierende aus Entwicklungsländern besonders relevant, da Umweltprobleme eine große Herausforderung für nachhaltige Entwicklung darstellen“, führt Prof. Dr. Birner aus. „Die geplanten Studiengebühren erschweren jedoch vielen Menschen aus Entwicklungsländern den Zugang zu einem solchen entwicklungsrelevanten Studium.“

Nicht zuletzt stünden die geplanten Studiengebühren im Widerspruch zu den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, zu denen auch der Zugang zu hochwertiger Bildung zählt. „Zu dieser entwicklungspolitischen Verantwortung hat sich auch die Landesregierung Baden-Württembergs bekannt“, mahnt die Wissenschaftlerin.

Zudem sei die Investition in ausländische Studierende keine Einbahnstraße: Nach dem Ende ihres Studiums in Deutschland unterstützten die Studierenden später in ihren Heimatländern die wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Kooperation mit Deutschland.


Studiengebühren behindern die Entwicklungszusammenarbeit

Auch über die Universitäten hinaus entfalte die geplante Einführung von Studiengebühren Wirkung, betont die zweite Expertin hinter der Erklärung Claudia Duppel, die Geschäftsführerin des Dachverbandes Entwicklungspolitik Baden-Württemberg e.V.: „Studiengebühren für ausländische Studierende sind ein besonders problematisches Signal in einer Zeit, in der immer mehr Staaten eine nach innen gekehrte und auf Ausgrenzung zielende Politik betreiben.“

Auch in sozialer Hinsicht seien die Studiengebühren nicht vertretbar, zumal nur 20 Prozent der Einnahmen aus Studiengebühren an die Hochschulen fließen würden, während 80 Prozent dem allgemeinen Landeshaushalt zu Gute kämen. „Warum in einem der wohlhabendsten Industrieländer gerade Studierende aus Entwicklungsländern zur Finanzierung allgemeiner Haushaltsaufgaben herangezogen werden sollen, ist schwer nachvollziehbar“, so die Expertin für Entwicklungspolitik.


Fachleute und Institutionen unterstützen die Forderung


Über 50 Unterstützerinnen und Unterstützer haben die Erklärung bislang unterschrieben. Sie sind landes- und bundesweit aktiv in den Bereichen Entwicklungsforschung, Entwicklungszusammenarbeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Dazu zählen die Leiterinnen und Leiter führender Institute der Entwicklungsforschung in Deutschland wie zum Beispiel Prof. Dr. Joachim von Braun, Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung (ZEF) in Bonn, Prof. Dr. Andreas Mehler, Direktor des Arnold-Bergstraesser-Instituts (ABI) in Freiburg und Dr. Imme Scholz, stellv. Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn. Zu den Unterzeichnern zählen ebenso Vertreterinnen und Vertreter namhafter zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich in der Entwicklungszusammenarbeit engagieren, darunter Dr. Till Wahnbaeck, Vorstandsvorsitzender der Welthungerhilfe und Dr. habil. Klaus Seitz, Abteilungsleiter Politik bei Brot für die Welt.

Text: Barsch / Klebs

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Regina Birner, Universität Hohenheim, Leiterin des Lehrstuhls für Sozialen und institutionellen Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung
T 0711 459 23517, E Regina.Birner@uni-hohenheim.de

Claudia Duppel, Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg e.V. (DEAB), Geschäftsführerin
T 0711 66487360, E claudia.duppel@deab.de


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