FIFA-WM & Wirtschaft:
Forscher weisen Entwicklungseffekt durch Sportgroßereignisse nach  [30.11.16]

Universität Hohenheim bewertet mittelfristige Entwicklungseffekte anhand von Satellitenbildern 6 Jahre nach Südafrika-WM / Plädoyer für nachhaltige Investitionen

Sport-Großereignisse können positive Effekte in Entwicklungsländern haben – zu dieser Einschätzung kommt eine neue Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart. Dies wiesen drei Wirtschaftswissenschaftler am Beispiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika nach. Als Bewertungsgrundlage nutzten sie die nächtliche Lichtintensität über den Austragungsorten, wie sie vor, während und nach der Weltmeisterschaft von Satelliten gemessen wurde. Ihr Fazit: Investitionen in Verkehrsinfrastruktur vor allem in kleineren Städten haben nachhaltige Wirkung, riesige Stadien dagegen nicht.


Von der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 erhoffte man sich im Austragungsland Südafrika ein regelrechtes Wirtschaftswunder. Doch schon kurz nach Abpfiff waren sich die meisten Berichte einig: Die 14 Milliarden US-Dollar, die im Vorfeld der Spiele investiert wurden, würden dem noch immer unterentwickelten Land nur die sogenannten „weißen Elefanten“ bescheren: leerstehende Riesenarenen, die unmöglich zu füllen sind und den Betreiberstädten nur Unkosten verursachen.

Dr. Gregor Pfeifer, Dr. Martyna Marczak und Dr. Fabian Wahl von der Universität Hohenheim ließen den Blick weiter schweifen. Und entdeckten: aus weiter Ferne sieht man doch bleibende Effekte. Anhand von Satellitenaufnahmen des NASA Earth Observatory konnte das Team verfolgen, wie sich das Umfeld rund um die neun Spielstätten der Fußball-Weltmeisterschaft entwickelte. Als Basis für ihre Einschätzung nutzten sie die zunehmend helleren Beleuchtungsverhältnisse als Maß für die Entwicklung.

Ihre Ergebnisse wird das Forschungs-Trio u.a. im Januar 2017 auf der Konferenz der American Economic Association – der renommiertesten ökonomischen Konferenz – vorstellen.


Aus dem Weltraum ins Stadion


Die Forscher fragten sich: Profitieren   Entwicklungsländer von sportlichen Großereignissen – oder machen sie dabei ein Verlustgeschäft? Diese Frage untersuchten sie am Beispiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika.

„Es reicht uns für die Analyse nicht, einfach die wirtschaftliche Entwicklung Südafrikas nach der WM anhand des Bruttoinlandsproduktes,  der Arbeitslosenzahlen oder anderer landesweiter Statistiken zu verfolgen“, erklärt Dr. Marczak. Denn: „Um einen möglichen Effekt der Investitionen für die WM zu erkennen, muss man sich möglichst genau die Orte anschauen, wo diese Investitionen gemacht wurden.“

Das aber ist leichter gesagt als getan. Viele der offiziellen wirtschaftlichen Statistiken existieren in Südafrika nur auf Landes- oder Regionalebene, nicht aber für jede Gemeinde oder jeden einzelnen Wahlbezirk in den neun Städten, die als Spielorte ausgebaut wurden.

Aus diesem Grund verwendete das Team eine andere Messgröße: Lichtintensität, die wirtschaftliche Entwicklung gut wiederspiegelt und gleichzeitig sogar für die kleinste Verwaltungseinheit verfügbar ist. Die Satelliten der US-Raumfahrtbehörde bilden die Erdoberfläche bis auf einen Quadratkilometer genau ab. Jedem hellen Pixel auf Nachtaufnahmen ist ein durchschnittlicher Helligkeitswert zugeordnet.

Um die Effekte der WM-Investitionen präzise bestimmen zu können, haben die Wissenschaftler in mühsamer Kleinarbeit 140 Projekte identifiziert, die in dem untersuchten Zeitraum stattgefunden haben - darunter 72 WM-bezogene Sport- und Transportinfrastrukturprojekte, die relevant für die Analyse sind.


Licht aus nach der WM? Im Gegenteil

Bei der Untersuchung der Satellitenbilder entdeckten die Forscher: rund um die Orte, an denen investiert wurde, wuchsen die hell erleuchteten Bereiche. Dabei lassen sich zwei Phasen vor und nach der WM unterscheiden:

•    Im Vorfeld der WM diagnostizierten die Forscher einen eindeutig starken positiven Effekt, der jedoch kurzlebig war.
•    Im Zeitraum nach der WM ist das Bild differenzierter. Hier profitierte vor allem das Umfeld der Orte, an denen in Verkehrsinfrastruktur investiert wurde.

Vor allem in kleinen Städten wuchsen die hell erleuchteten Bereiche längerfristig. „Das gilt für Flughäfen, Bahnhöfe, neue Bus- und U-Bahn-Linien und zwar auch dann, wenn das Licht der Verkehrsknotenpunkte selbst nicht berücksichtigt wird“, erklärt Dr. Pfeifer. „Wir können das Gebiet des Flughafens aus unserer Ansicht ausschneiden und sehen immer noch, dass in den angrenzenden Gebieten eine Entwicklung stattgefunden hat.“

Dr. Marczak fasst zusammen: „Die Stadien stehen heute zwar meist leer. Doch die kleineren Städte in ländlichen Gebieten haben davon profitiert, als WM-Spielort ausgebaut zu werden – vorausgesetzt, es wurde in die Verkehrsinfrastruktur investiert.“  Dann könne ein Sport-Großereignis wie ein positiver Schock für ein Land wirken und weitere Entwicklungen auslösen.


Hintergrund zur Forschungsmethode

Um ihre Forschungsfrage zu beantworten, nutzten Dr. Pfeifer, Dr. Marczak und Dr. Wahl für einen durchschnittlichen Austragungsort einen hypothetischen Entwicklungsverlauf ohne WM-Investitionen. „Diesen Verlauf vergleichen wir dann mit der tatsächlichen Entwicklung der Lichtintensität und somit messen wir anhand der Abweichung beider Kurven den Effekt“, erläutert Dr. Wahl die Methode. Dabei betrachteten die Forscher den Zeitraum 1992 – 2013 und stellten sicher, dass die tatsächliche Entwicklung nicht durch andere Faktoren als WM-Investitionen getrieben wurde.

Text: Barsch / Klebs

Kontakt für Medien:

Dr. Gregor Pfeifer, Fachgebiet Ökonometrie und Empirische Wirtschaftsforschung
E g.pfeifer@uni-hohenheim.de

Dr. Martyna Marczak, Fachgebiet Volkswirtschaftslehre, insbesondere Dienstleistungs- und Arbeitsmarktökonomik
T 0711-459-23823, E marczak@uni-hohenheim.de

Dr. Fabian Wahl, Fachgebiet Wirtschafts- und Sozialgeschichte mit Agrargeschichte
T 0711-459-24405, E fabian.wahl@uni-hohenheim.de


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