Virtuelle Schlaglöcher:
Neues Computermodell strapaziert digitale Reifen um reale zu schonen  [19.08.13]

Agrartechniker der Universität Hohenheim sorgen so dafür, dass Traktoren immer verkehrssicherer werden. Gleichzeitig sinken die Entwicklungskosten.

Traktoren werden immer größer und schneller. Dabei kommt den Reifen eine wichtige Rolle zu, denn anders als beim Auto federn sie das Fahrzeug ab. Wie sich die Reifen verhalten, wenn sie Schlaglöcher und andere Unebenheiten passieren, berechnen Agrartechniker der Universität Hohenheim mit einem Computermodell. So sollen die Zugmaschinen verkehrssicherer werden. Gleichzeitig sinken bei den Herstellern die Entwicklungskosten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt das Forschungsprojekt mit knapp 258.000 Euro. Damit gehört es zu den Schwergewichten der Forschung an der Universität Hohenheim.

Die Zeiten, in denen Traktoren mit 20 Kilometern pro Stunde vor sich hin zockelten, gehen langsam aber sicher zu Ende. "Die Fahrsicherheit wird deshalb immer wichtiger", sagt Prof. Dr.-Ing. Stefan Böttinger, Leiter des Fachgebiets Grundlagen der Agrartechnik an der Universität Hohenheim. Schlepper würden immer größer und schneller.

Dabei haben Reifen bei landwirtschaftlichen Fahrzeugen einen größeren Einfluss auf das Fahrverhalten als beispielsweise beim Auto. "Bei landwirtschaftlichen Fahrzeugen ist die Hinterachse meist ungefedert. Hier übernimmt der Reifen die gesamt Federungs- und Dämpfungsarbeit. Außerdem herrscht in Traktorreifen ein viel niedrigerer Luftdruck als beim Auto und während der Fahrt im Gelände werden sie oft stark verformt."

Prof. Dr.-Ing. Böttinger entwickelt deshalb ein spezielles Computermodell weiter, das simuliert wie sich Traktorreifen während der Fahrt auf einer Straße verhalten und welche Kräfte auf sie einwirken, wenn das Fahrzeug Schlaglöcher oder andere Hindernisse überquert.

 

Weltweit einzigartige Bedingungen für Reifenforschung

Für die Grundlagenforschung an Traktorreifen ist die Universität Hohenheim optimal ausgestattet: "Wir haben zwei Prüfstände, an denen wir das Verhalten der Reifen studieren", erklärt Prof. Dr.-Ing. Böttinger. "Damit erfassen wir alle Einflussgrößen und lassen sie in unser Computermodell einfließen. Mit einem Testfahrzeug können wir unsere Modellberechnungen überprüfen und gegebenenfalls weiter verfeinern. Das sind weltweit einzigartige Bedingungen!"

 

Hohenheimer Reifenmodell senkt Entwicklungskosten für neue Traktoren

Das Reifenmodell ist ein Teil des Gesamtfahrzeugmodells und berechnet die am Rad angreifenden Kräfte und Momente.

Die Einzelradmesseinrichung, mit der das Kraftübertragungsverhalten eines Ackerscklepperreifens auf Straße und Feld untersucht werden kann. Quelle: Universität Hohenheim, Institut für Agrartechnik

Die Einzelradmesseinrichung, mit der das Kraftübertragungsverhalten eines Ackerscklepperreifens auf Straße und Feld untersucht werden kann. Quelle: Universität Hohenheim, Institut für Agrartechnik

"Diese Informationen können die Landmaschinenhersteller nutzen, um ihre Fahrzeuge zu optimieren ", sagt Paul Witzel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Agrartechnik. Schon heute wenden Claas und Fendt das Hohenheimer Reifenmodell an. Die Entwicklung neuer Traktoren sei damit schneller und kostengünstiger geworden. "Die Simulationstechnik kann den zeitlichen Aufwand des Entwicklungsprozesses erheblich reduzieren. Der Bau teurer Prototypen kann dadurch weitestgehend entfallen."

Weil neue Traktoren nur dann zugelassen werden, wenn sie auf der Straße verkehrssicher sind, konzentriert sich das Hohenheimer Reifenmodell bisher noch auf den Straßenverkehr. "Es ist aber denkbar, dass wir es in Zukunft um Fahrten auf dem Acker erweitern", kündigt Prof. Dr.-Ing. Böttinger an.

 

Hintergrund: Weiterentwicklung des Hohenheimer Reifenmodells

Das Forschungsprojekt von Prof. Dr.-Ing. Böttinger heißt "Weiterentwicklung des Hohenheimer Reifenmodells" und ist im Mai 2013 angelaufen. Es ist auf drei Jahre angelegt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt das Forschungsprojekt mit knapp 258.000 Euro.

 

Hintergrund: Schwergewichte der Forschung

Rund 27 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Wissenschaftler der Universität Hohenheim im vergangenen Jahr für Forschung und Lehre. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens 250.000 Euro bei den Experimental- bzw. 125.000 Euro bei den Buchwissenschaften.

 

Text: Weik / Klebs

Kontakt für Medien:

Prof. Dr.-Ing. Stefan Böttinger, Universität Hohenheim, Fachgebiet Grundlagen der Agrartechnik
Tel.: 0711/459 23200, E-Mail: boettinger@uni-hohenheim.de

M. Sc. Paul Witzel, Universität Hohenheim, Fachgebiet Grundlagen der Agrartechnik
Tel.: 0711/459 22496, E-Mail: paul.witzel@uni-hohenheim.de


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