CEO-Reden unter der Lupe:
Höttges am besten verständlich, Appel, Schneider und Krüger dicht auf  [11.07.16]

Universität Hohenheim analysiert Reden der Spitzenmanager deutscher DAX-Unternehmen / formale Verständlichkeit deutlich verbessert

Spitzenmanager im Verständlichkeits-Check: Die Reden deutscher CEOs sind immer besser zu verstehen. Dies ist das Endergebnis einer Studie der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt. Prof. Dr. Frank Brettschneider und sein Team untersuchen, wie verständlich die Vorstandsvorsitzenden der DAX-30-Unternehmen auf den Hauptversammlungen ihrer Unternehmen sprechen. Im Schnitt erreichen die Werte in diesem Jahr 14,3 Punkte auf einer Skala von 0 bis 20. Damit hat sich die formale Verständlichkeit nun zum vierten Mal in Folge verbessert.


Nach dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex erreicht Timotheus Höttges (Telekom) mit 19,5 Punkten den höchsten bisher gemessenen Wert. In den letzten fünf Jahren war kein Redner verständlicher als der Vorstandsvorsitzende der Telekom.

Gleich drei Redner teilen sich den zweiten Platz. Mit je 18,4 Punkten bieten Frank Appel (Deutsche Post), Harald Krüger (BMW) und Ulf Schneider (Fresenius SE) Top-Leistungen.


Verbesserung bei fast allen Rednern


Deutlich mehr Wirtschaftsbosse als im Vorjahr haben Reden gehalten, die sich nicht nur an Anleger, Analysten sowie Finanz- und Wirtschaftsexperten richten. Im Schnitt erreichen sie einen Verständlichkeitswert von 14,3 Punkten – das sind 1,3 Punkte mehr als im Vorjahr (13,0) und sogar 4,5 Punkte mehr als im Jahr 2012 (9,8).

„Erfreulicherweise hat sich damit zum vierten Mal in Folge die formale Verständlichkeit der Reden im Vergleich zum Vorjahr verbessert“, erläutert Prof. Dr. Brettschneider, Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft, insbesondere Kommunikationstheorie an der Universität Hohenheim.

Einige Redner bemühen sich Fachsprache so zu übersetzen, dass auch fachfremde Personen den Inhalt der Rede verstehen. „Für den Auf- und Ausbau von Reputation ist dies sinnvoll“, meint Prof. Dr. Brettschneider.

Einen besonders deutlichen Verständlichkeits-Sprung, so der Experte, haben in diesem Jahr vor allem Rice Powell (Fresenius MC) und Marijn Dekkers (Bayer) mit über vier Punkten Verbesserung zu verzeichnen.


Einige verpasste Gelegenheiten

Dennoch verschenken nach wie vor einige Spitzenmanager die Chance, mit ihren Reden eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen.

Auf den hinteren Plätzen im CEO-Ranking finden sich – mit weniger als 11 Punkten – der Vorstandsvorsitzende von E.ON, Johannes Teyssen (10,2 Punkte), SAP-Chef Bill McDermott (10,3 Punkte) sowie der CEO von ProSiebenSat.1, Thomas Ebeling (10,8 Punkte). Das Schlusslicht bildet Beiersdorf-Chef Stefan F. Heidenreich (9,2 Punkte).


Verständlichkeitshürden

„Bandwurmsätze, abstrakte Begriffe, zusammengesetzte Wörter und nicht erklärte Fachbegriffe schmälern die Verständlichkeit am meisten“, erklärt Prof. Dr. Brettschneider. „Das Ergebnis ist dann Kauderwelsch statt Klartext.“ Aber überlange Sätze werden seltener. Und immer weniger Reden enthalten zusammengesetzte Wortungetüme.

Grobe Verstöße gegen Verständlichkeits-Regeln finden sich in den Reden deutlich seltener als in früheren Jahren. Allerdings verwenden immer noch viele CEOs Passiv-Formulierungen. Sie verschweigen „Roß und Reiter“. Es bleibt unklar, wer handelt. Besonders häufig finden sich Passiv-Formulierungen in der Rede von VW-Chef Matthias Müller, vor allem dann, wenn es um den Diesel-Skandal geht.


Beispiele: Passivsätze 2016

1.    „Umso mehr schmerzt es Sie, uns und auch mich ganz persönlich, dass bei uns mit den Software-Manipulationen an Dieselmotoren Regeln gebrochen und ethische Grenzen überschritten wurden.“ (Müller, VW)
2.    „In den vergangenen Wochen wurde intensiv an den Details gearbeitet.“ (Müller, VW)
3.    „Die Aspekte unserer Unternehmenskultur, die uns noch unnötig bremsen, werden hinterfragt.“ (Zetsche, Daimler)


Beispiele: Wortungetüme und Fachbegriffe 2016

•    Cloud-Subskriptionserlöse (McDermott, SAP)
•    Transrapid-Linearmotor-Technologie (Hiesinger, Thyssen-Krupp)
•    On-Premise-Lösungen (McDermott, SAP)
•    Restrukturierungsaufwendungen (Fitschen, Deutsche Bank)
•    Ertragssteigerungspotenzial (Müller, VW)


Beispiele: Schachtelsätze 2016


1.    „Anders ausgedrückt: Wir haben die Buchwerte gewisser Einheiten, die teilweise noch aus einem ganz anderen regulatorischen und ökonomischen Umfeld stamm-ten, der heutigen Realität angepasst, etwa im Falle der Postbank.“ (Fitschen, Deutsche Bank)

2.    „Wir sind im Segment Broadcasting German-speaking, zu dem unsere Fernseh-sender in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die Werbezeiten-Vermarktung sowie die Distribution gehören, weiter gewachsen.“ (Ebeling, ProSiebenSat.1)


Klartext überzeugt

Die formale Verständlichkeit sei zwar nicht das einzige Kriterium für eine gelungene Rede, betont Prof. Dr. Brettschneider. Wichtiger noch sei der Inhalt. Und hinzu kämen Kriterien wie der Aufbau der Rede oder der Vortragsstil.

Dennoch sollte ein Redner nicht vergessen: „Formal verständliche Botschaften werden von den Zuhörern besser verstanden und erinnert. Und verständliche Botschaften genießen mehr Vertrauen als unverständliche“, hält der Experte fest.

Daher sollte man laut Prof. Dr. Brettschneider einige Grundregeln für verständliche Reden einhalten: kurze Sätze, gebräuchliche Begriffe, Fachbegriffe übersetzen und zusammengesetzte Wörter möglichst vermeiden. „Denn nur wer verstanden wird, kann auch überzeugen.“


Hintergrund: Der Hohenheimer Verständlichkeitsindex


Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider und sein Team berechnen den Hohenheimer Verständlichkeitsindex mit Hilfe einer speziellen Verständlichkeitssoftware. Anhand der Rede-Manuskripte ermittelt die Software formale Kriterien wie beispielsweise durchschnittliche Satzlänge, Anteil der Sätze mit mehr als 20 Wörtern, Anteil der Passiv-Sätze, Anteil der Schachtelsätze und der Sätze mit mehr als zwei Informationseinheiten.

Außerdem erfasst die Software Parameter wie durchschnittliche Wortlänge, Anteil abstrakter Substantive, Anteil Fremdwörter und Anteil der Wörter aus dem Grundwortschatz. Der Index reicht von 0 (formal unverständlich) bis 20 (formal sehr verständlich). Die Studie wird zum fünften Mal in Kooperation mit dem Handelsblatt durchgeführt.

Text: Klebs

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Fachgebiet Kommunikationswissenschaft insbesondere Kommunikationstheorie
T 0711 459 24030, E frank.brettschneider@uni-hohenheim.de


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