Schachtelsätze, Fremdwörter & Denglisch:
Viele Banken informieren Kunden mäßig bis mangelhaft  [15.08.14]

Universität Hohenheim und die H&H Communication Lab GmbH untersuchen Verständlichkeit von Bank-Dokumenten

Wenn’s um Geld geht, wollen Kunden verstehen – Geschäftsbedingungen, Produkt-Details, Bank-Informationen. Doch viele Banken liefern ihnen durchwachsene bis mangelhafte Informationen. Zu diesem Ergebnis kommen der Kommunikationswissenschaftler Prof Dr. Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim und die H&H Communication Lab GmbH. Sie durchleuchteten für Kunden bestimmte Dokumente von Banken mit Hilfe des Hohenheimer Verständlichkeitsindex.

Was sind Zahlungsverkehrsumsätze oder Gemeinschaftsfreistellungsaufträge? SEPA: Was ist das und wie funktioniert es noch einmal? Im Bankenbereich ist für Kunden die Angst, etwas nicht zu verstehen und sich – sprichwörtlich – zu verspekulieren, besonders groß.

Dabei sollten vor allem die Banken versuchen, ihre Produkte und Abläufe für ihre Kunden verständlich zu formulieren, so Prof Dr. Frank Brettschneider, Leiter des Fachgebiets Kommunikationswissenschaft insb. Kommunikationstheorie der Universität Hohenheim.

Nicht nur der untere Bildungsdurchschnitt habe Probleme mit Formulierungen der Banken: „Auch Bürger mit einem höheren Bildungsgrad haben keine Lust, eine Produktbroschüre oder ein Informationsblatt erst zu dechiffrieren, um es zu verstehen“, erklärt Prof. Dr. Brettschneider. „Sie wollen in einfachen, allen verständlichen Worten geschildert bekommen, um was es hier geht.“

 

Der Hohenheimer Verständlichkeitsindex

Innerhalb von sechs Monaten haben die Forscher 168 Dokumente wie Produktbroschüren, Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), Produktinformationsblätter (PIB), Pressemitteilungen und Antworten auf häufig gestellte Fragen (frequently asked questions, FAQ) von 62 Banken auf ihre formale Verständlichkeit hin untersucht.

Die Verständlichkeitssoftware TextLab analysiert Textfaktoren, die für die Verständlichkeit wichtig sind: u.a. Satzlängen, Wortlängen, Anteil der Passiv-Konstruktionen, Schachtelsätze und den Anteil abstrakter Wörter. Daraus setzt sich der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ HIX zusammen. Er reicht von 0 (sehr schwer verständlich) bis 20 (sehr leicht verständlich).

 

Allgemeine Geschäftsbedingungen: juristische Bandwurmsätze

Die schlechtesten Ergebnisse der Verständlichkeitsstudie erzielten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). „Keines der insgesamt 35 Dokumente erreicht einen HIX-Wert von über fünf Punkten“, so Prof. Dr. Brettschneider. „Das hängt vor allem mit der juristischen Sprache in den AGB zusammen. Viele Begriffe sind aus Gründen der Rechtssicherheit vorgeschrieben. Aber nirgends steht geschrieben, dass nur Schachtelsätze rechtssicher sind.“ Den schlechtesten Wert mit 2,46 auf dem HIX erreichte die Investitionsbank Berlin.

Doch nicht nur die Sprache mit den juristischen Fachbegriffen ist unverständlich. „In den AGB der Banken wurden Bandwurm-Sätze mit teilweise mehr als 100 Wörtern gefunden“, berichtet der Hohenheimer Kommunikationsexperte. „Dabei sollte ein Satz höchstens aus 20 Wörtern bestehen.“

Ein Beispiel: „Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat, die für die Entscheidung der Bank über eine Kreditgewährung oder über andere mit Risiken für die Bank verbundenen Geschäfte (z.B. Aushändigung einer Zahlungskarte) von erheblicher Bedeutung waren, oder wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung des Darlehens oder die Erfüllung einer sonstigen Verbindlichkeit gegenüber der Bank auch unter Verwertung einer hierfür bestehenden Sicherheit gefährdet ist, oder wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nach Nr. 13 Absatz 2 dieser Geschäftsbedingungen oder aufgrund einer sonstigen Vereinbarung nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt.“ (119 Wörter)

 

Produktinformationsblätter: Sparanlagen verständlich, Anleihen nicht

Produktinformationsblätter (PIB) sind für den Verbraucher gedacht. Darum sei es gerade bei ihnen wichtig, dass dieser sie auch verstehe, erklärt Prof. Dr. Brettschneider. „Verständlichkeitswerte unterhalb der 7-Punkte-Marke sind als kritisch einzustufen. Die meisten Dokumente liegen in einem nur mäßig verständlichen Bereich.“

Allerdings gebe es auch einzelne Dokumente, die sehr gute Werte erzielten, vor allem im Bereich der Sparanlagen. Prof. Dr. Brettschneider: „Mit 14,40 Punkten schafft die Volkswagen Bank den besten Wert aller untersuchten PIB der Studie.“

Am unverständlichsten seien die 15 untersuchten Produktinformationsblätter zu Anleihen: Sie erreichen gerade mal einen Durchschnittswert von 5,87. „Auffällig ist hier vor allem die relativ große Streuung der Ergebnisse“, sagt der Kommunikationsexperte. „Der schlechteste Wert liegt bei 2,77 Punkten (WGZ Bank Express-Zertifikat Inhaberschuldverschreibung), der Höchstwert bei 9,17 Punkten (Commerzbank-Zertifikate).“

Bei den Bandwurm- und Schachtelsätzen schnitten die PIB durchschnittlich gut ab. Prof. Dr. Brettschneider: „Einige PIB enthalten wenige bis gar keine verschachtelten Sätze. Fünf der 24 untersuchten PIB kommen sogar ganz ohne zu lange Sätze aus.“

 

Informations-Materialien: gute Verständlichkeit trotz vieler Anglizismen

Information-Materialien sollten noch verständlicher formuliert werden als Geschäftsbedingungen oder Produktinformationsblätter, erklärt der Kommunikationsexperte. Laut der Studie schneiden die Informationsblätter der Banken zwar besser ab als die AGB und die PIB. Dennoch seien die Informationsmaterialien bei weitem nicht so verständlich wie erwünscht: „Nur die Hälfte der Dokumente erreicht einen zweistelligen HIX-Wert. Insgesamt liegen die Werte zwischen 4,83 bis 17,28 Punkten.“

Auffällig bei den Informationsmaterialien: Alle verwenden Anglizismen und englisch-deutsche Mischwörter („Denglisch“). Hier rät Prof. Dr. Brettschneider den Banken, interne Regeln für die Verwendung festzulegen: „Nicht jeder Anglizismus lässt sich vermeiden. Einige (zum Beispiel ‚Internet‘) gehören zum alltäglichen Sprachgebrauch und sind unverzichtbar. Es bietet sich daher an, zwischen unproblematischen und unerwünschten Anglizismen zu unterscheiden.“

 

Häufig gestellte Fragen (FAQ): zu viele Passiv-Formulierungen

„Insgesamt betrachtet schneiden die FAQ in unserer Studie am besten ab“, sagt Prof. Dr. Brettschneider. Trotzdem seien die Ergebnisse nicht so gut, wie man erwarten würde: „Der HIX-Wert aller fünf untersuchten Themenbereiche liegt bei durchschnittlich gerade einmal 11,21 Punkten. Der schlechteste Wert liegt bei den FAQ bei 3,73, der beste Wert bei 16,96 Punkten.“

Negativ seien unter anderem die häufigen Passiv-Formulierungen. Prof. Dr. Brettschneider: „Passiv-Sätze lassen sich nicht immer vermeiden und müssen auch nicht immer eine Hürde für die Verständlichkeit sein. Sie wirken aber unpersönlich und distanzierend, denn sie verschleiern, wer handelt. Konkreter und verständlicher sind aktive Sätze.“

Die Mehrzahl der analysierten Banken nutzt bei ihren FAQ Passiv-Konstruktionen. Lediglich die Volksbanken Raiffeisenbanken und die TARGOBANK beantworten die untersuchten häufigen Fragen im Aktiv.

 

Pressemitteilung der Deutschen Bundesbank hat schlechtestes Ergebnis der Studie

Obwohl sich Pressemitteilungen nicht direkt an Endkunden wenden, seien sie dennoch ein wichtiges Instrument der Banken, um die Öffentlichkeit über Aktivitäten der Bank zu informieren, so Prof. Dr. Brettschneider. Untersucht wurden die Kategorien Fonds, SEPA und soziales Engagement.

Das erschreckende Ergebnis: „Teilweise sind manche Pressemitteilungen unverständlicher als die AGB. Das schlechteste Ergebnis bei den Pressemitteilungen zu den Thema Fonds und allgemein auch die geringste Verständlichkeit der gesamten Studie hatte die Deutsche Bundesbank mit einem HIX-Wert von 0,67 Punkten.“ In der Kategorie SEPA schnitten alle Pressemitteilung mit einem Wert von 7,41 Punkten schlecht ab.

Das führt der Hohenheimer Kommunikationsexperte im Wesentlichen auf viele Fremdwörter zurück: „Sie sind Bestandteil der deutschen Sprache. Doch wenn Fachbegriffe und Fremdwörter in zu hoher Anzahl auftreten, werden sie zu einer Barriere für die Verständlichkeit.“

Die häufige und unkontrollierte Verwendung von Fachbegriffen sei eines der Hauptprobleme der Experten-Laien-Kommunikation. „Nicht immer lassen sich Fachbegriffe vermeiden, aber sie sollten zumindest beim ersten Auftreten im Text erklärt werden.“

Beispiele:

  • Multi-Asset-Strategie
  • Core-Strategie
  • Bottom-up-Strategie
  • Palliativmediziner
  • High-Yield-Anleihen
  • Mehr-Anleger-Dachfonds

 

Dokumente verschenken Potential für Kundenfreundlichkeit

Die meisten Dokumente seien mit ihrer mäßigen bis mangelnden Verständlichkeit weit von einer kundenfreundlichen Präsentation entfernt. Damit verschenken die Banken ein großes Potential für eine aktive, transparente und verständliche Kommunikation, so das Fazit von Prof. Dr. Brettschneider.

Dabei sei Verständlichkeit nicht themenabhängig: „In fast allen Bereichen gibt es (relativ) gute ‚Ausreißer‘. Sie zeigen, dass Verständlichkeit auch trotz komplexer Inhalte erreicht werden kann. Banken sollten daher an ihrer Verständlichkeit arbeiten. Klartext und Transparenz kommen bei den Kunden gut an und werden zum Wettbewerbs-Vorteil.“

Text: C. Schmid / Töpfer

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Institut für Kommunikationswissenschaft insb. Kommunikationstheorie,
Tel.: 0711/459-24030, E-Mail: frank.brettschneider@uni-hohenheim.de


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