Hohenheim erwartet EU-Mittel in Millionen-Höhe

Speerspitze für Lebensmittel-Innovationen  [18.11.16]

Hohenheim kann in den kommenden 7 Jahren mit EU-Fördergeldern im 2-stelligen Millionenbereich rechnen. Wie das Europäische Institut für Technologie und Innovation (EIT) heute bekanntgab, gehört Hohenheim zum Kern-Team einer neuen, europaweiten Knowledge and Innovation Community (KIC), die dazu beitragen soll, den Lebensmittel-Sektor der EU innerhalb von 10 Jahren verbraucherorientierter, ökologischer und wettbewerbsfähiger zu gestalten. Dafür stellt die EU insgesamt rund 400 Mio. € bereit. Hinzu kommen 1,2 Mrd. € aus privaten Mitteln. Der Hohenheimer Prorektor Prof. Dr. Jochen Weiss übernimmt die Position des Director of Education.


Als eine von 12 führenden Universitäten im Lebensmittel- und Agrarbereich gehört Hohenheim ab sofort zur neuen Kreativ-Zelle „EIT Food“, die 50 Unternehmen und Forschungseinrichtungen europaweit zusammenbringt.  Dabei steht Hohenheim in einer Reihe mit renommierten Universitäten wie Cambridge oder der ETH Zürich.

Ziel der neuen Innovationsgemeinschaft mit Sitz in Belgien ist es, Forschungsergebnisse schneller in marktfähige Technologien, Produkte und Dienstleistungen umzusetzen, die sich insbesondere an den Bedürfnissen von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie ökologischen Maßstäben orientieren.

Im Blick ist dabei die gesamte Wertschöpfungskette des Lebensmittel-Sektors, von der landwirtschaftlichen Produktion über die industrielle Verarbeitung bis hin zu Vertrieb und Ernährung.

Branche unter Innovationsdruck


„Der Lebensmittelsektor ist mit 44 Millionen Beschäftigten der größte produzierende Sektor der EU“, erklärt Prorektor Prof. Dr. Jochen Weiss. „Was Innovationen betrifft, gibt es im Vergleich zu anderen Branchen jedoch erheblichen Nachholbedarf. Beispielsweise investiert die Pharmaindustrie 10% ihres Gewinns in Forschung und Innovation. Im Lebensmittelbereich liegt diese Reinvestition gerade einmal bei 0,3%.“

Klimawandel, wachsende Weltbevölkerung und gesunde Ernährung für immer mehr Menschen zu ermöglichen, sind die größten Herausforderungen für den Sektor. Auf der Suche nach innovativen Lösungen stehen Unternehmen der EU dabei in hartem Wettkampf mit der Konkurrenz aus Übersee. Eine Situation, die sich in den kommenden Jahren voraussichtlich noch dramatisch zuspitzen wird.

„Investoren haben die Agro-Food-Branche in den USA entdeckt und stellen heute etwa zehnmal so viel Venture Capital bereit wie noch vor 5 Jahren. Es ist daher mit einer Welle von amerikanischen Startups zu rechnen, die etablierte Unternehmen in Deutschland und Europa massiv unter Druck setzen werden“, so Weiss.

Ökonomische, ökologische und verbraucherorientierte Ziele

Mit „EIT-Food“, will die EU nun gegenhalten. Für die kommenden 10 Jahre setzt sie sich dabei nicht nur ökonomische, sondern insbesondere auch ökologische und verbraucherorientierte Ziele. Dazu zählen:

  • Neue Technologien im Agrarbereich, die über Ertrags- und Effizienzsteigerung hinaus vor allem Verbraucher-Information im Blick haben (z.B. Digital Food Supply Network)
  • neue, international wettbewerbsfähige Businessmodelle, die auf den Lebensmittelsektor zugeschnitten sind. Ziel: 350 Startups unterstützen
  • neue Lebensmittel-Produkte, die z.B. eine personalisierte, gesunde Ernährung unterstützen und dabei auch einer alternden Bevölkerung Rechnung tragen
  • Wandel vom bisherigen Modell „Produzieren-Konsumieren-Entsorgen“ hin zu einem bioökonomischen Kreislauf mit einer Zero-Waste-Agenda. Ziel: Halbierung von Lebensmittelabfällen in der EU
  • Die Treibhausgas-Emission des europäischen Lebensmittel-Sektors um 40% senken
  • Gesunde Ernährung unterstützen: Ernährungsempfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hinsichtlich Konsum von Salz, Zucker und gesättigten Fettsäuren, sollen von 60% der EU-Bevölkerung eingehalten werden können
  • Ein neues Transparenz-Level soll beitragen, verlorengegangenes Vertrauen in die Lebensmittelbranche zurückzugewinnen


Fördermittel, Impulse und neue Partner für Hohenheim


In den kommenden 7 Jahren (Start: Januar 2017) stellt  das Europäische Institut für Technologie und Innovation (EIT) insgesamt 400 Mio. € bereit, um diese Ziele zu erreichen. Hinzu kommt eine rund 3-fach so hohe Summe aus privaten Mitteln.

„Von den Fördermitteln profitieren zunächst die 50 Organisationen die zum Kern der ‚Knowledge and Innovation Community‘ gehören, also auch die Uni Hohenheim, wobei ein Ausbau des Netzwerks geplant ist“, so Prof. Dr. Weiss. „Mit einem Schlag gehören wir also zur europäischen Speerspitze.“

Die Universität werde davon aber nicht nur monetär profitieren, sondern vor allem auch durch das Netzwerk selbst, ist Weiss überzeugt: „Durch die Zusammenarbeit so unterschiedlicher Partner rechne ich mit zahlreichen, wertvollen Impulsen für Forschung und Lehre. Dies kann uns wiederum helfen, neue Drittmittelprojekte anzuwerben. Beispielsweise erwarte ich erheblichen Rückenwind für die aktuelle Bundesausschreibung ‚Innovative Hochschule‘ im Kontext der Exzellenzstrategie.“

Als einer von 4 Interims-Direktoren wird Prof. Dr. Weiss innerhalb des Netzwerks eine zentrale Aufgabe übernehmen. Innerhalb einer Anlaufzeit von bis zu 2 Jahren ist er als Director für Education zuständig für den Aufbau von Bildungsprogrammen. Dazu gehören:

  • ein neues europäisches Food System-Masterprogramm (Ziel: 10.000 Absolvierende in 7 Jahren)
  • ein umfangreiches Online-Kurs-Angebot, das auch der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich sein soll
  • ein Global Food Venture Programm, das es Studierenden ermöglicht, Erfahrungen in nicht-europäischen Innovationssystemen zu sammeln, wie z.B. Singapur, Israel oder dem Silicon Valley.

Text: Leonhardmair

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